Geliebtes Carapuhr. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Geliebtes Carapuhr - Billy Remie страница 29
»Sie war nicht hierfür gemacht«, sagte Desith irgendwann. Überrascht fuhr Vynsus Blick zu ihm auf, aber da war keine Wut, keine Verabscheuung, nur Ernüchterung. »Lohna war eine richtige Prinzessin«, er lächelte liebevoll, »Vater hätte sie niemals an dich verheiraten dürfen. Sie war nicht für die raue Welt der Barbaren gemacht. Der Stärkste siegt, aber sie war nicht stark.« Er nahm den Becher wieder auf und hob ihn an die Lippen. »Sie hat Angst gezeigt, das war ihr Todesurteil. Wie ein Schaf unter Wölfen.«
Vynsu dachte darüber nach. Vielleicht stimmte das, aber das änderte nichts an seinem schlechten Gewissen. Er war ein arroganter, selbstsüchtiger Wicht gewesen, der seine Frau nur zu Vorführungszwecken und zur Fortpflanzung beachtet hatte. Er hatte Lohna behandelt wie ein Juwel, wie ein weiterer Schritt zur Krone. Wie ein Objekt, kein Lebewesen. Dass sie ihm genommen wurde, hatte ihm den Boden unter den Füßen fortgerissen. Es war keine Liebe, die ihn an sie band, es war das Versprechen, dass er sich ändern würde. Er musste es tun, damit die Leben ihrer Kinder sicher waren.
Eine Weile lag Desiths forschender Blick auf ihm, noch immer schwammen dessen Augen, manchmal stärker, manchmal nur sehr schwach, aber es stand Wut in seinem Blick, die selbst Vynsu einen eiskalten Schauder eintrug, obwohl er doppelt so breit und groß wie Desith war.
Aber in Desiths Augen… Vynsu konnte es nicht beschreiben, da stand etwas, das ihm zugleich vertraut war und ihn verunsicherte.
Es gab Menschen, die besaßen eine Wärme, die ihnen regelrecht aus dem Gesicht strahlte, und es gab Menschen, deren Antlitz war wie die dicke Eisfläche eines zugefrorenen Sees. Wenn man ihnen ins Gesicht blickte, waren sie undurchdringlich und kalt. Nur Härte, keine Wärme. Das waren Desiths Augen. Sie waren Eis.
Sie waren Frost.
»Warum folgen dir Söldner?«, fragte Desith nach einer Weile. »Und warum wollte Melecay Derrick zurückholen?«
Es war an der Zeit, dass sie alle Karten offen auf den Tisch legten.
»Derrick wird sein Erbe«, Vynsu drückte den Rücken durch und trank von seinem Wein, der sich wie ein Pelz über seine Zunge legte. »Ich wurde aberkannt.«
Das überraschte Desith nun doch sehr. »Weil du Lohna nicht beschützen konntest…?«
»Nein, weil ich nach ihrem Tod in Selbstmitleid badete und weggelaufen bin.«
Desith schüttelte nur verwirrt den Kopf, sodass seine roten Strähnen hin und her schwankten.
»Ich lief davon, verstehst du? Wie ein Feigling. Vor meiner Pflicht, es abzuhaken und weiter zu leben. Ich habe mich nicht stark verhalten. Ich wollte ihren Mörder finden, verfolgte die Räuber, folterte sie, aber sie gaben nichts preis. Es sieht alles danach aus, als ob es sich wirklich nur um einen Raubüberfall handelte. Unsere einzige Spur war eine Sackgasse, die Räuber beteuerten selbst unter Folter, dass sie sie wegen ihrem Schmuck ausgeraubt hatten. Aber ich kann das nicht glauben. Und nur rumzusitzen und zu warten … das noch etwas passiert, das widerstrebte mir. Die Schuldgefühle, der Drang nach Rache, der Selbsthass…« Er blinzelte in die Vergangenheit. »Habe mich in Schenken rumgetrieben, habe drei Tage durchgesoffen, mich geprügelt, habe gesagt, ich würde auf die Krone scheißen. In irgendeinem Dorf hat Jori mich aufgegabelt, nachdem ein Berg mich verprügelt und im Schweinedreck zurückgelassen hatte. Ich blieb eine Weile bei ihnen, vielleicht ein halbes Jahr. Als ich hörte, dass Melecay nach Derrick suchen wollte, besann ich mich, ging zurück. Und hier bin ich.«
»Bekehrt und kastriert«, stellte Desith richtig fest und wandte den Blick ab.
Vynsu nickte vor sich hin. »Ich hatte seitdem kein Weib, Desith, ich fühlte mich schmutzig. Denn als ich rumhurte, war sie so allein, dass sie sogar ihre kleinen Kinder allein ließ, um wenigstens eine einzige Freundin zu finden.«
Als man ihm die Frau genommen hatte, war ihm erst so richtig bewusst geworden, wie angreifbar er war. Vielleicht war er selbst stark und ein guter Kämpfer, aber wenn ein Mann seine eigene Familie nicht schützen konnte, hatte er seine Pflicht nicht getan. Dann war er nach carapuhrianischem Recht kein Mann.
Es war nicht viel Zeit seit Lohnas Tod vergangen, trotzdem kam es ihm wie eine Ewigkeit vor. Die Wochen danach, die er nach dem Mörder suchte, die Tage darauf, besoffen auf der Straße, die Rettung durch Jori und das Versprechen, das er sich selbst gab. Zu sich selbst zurückzufinden und alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, um für die Sicherheit seiner Kinder zu sorgen. Und wenn das hieß, die Krone zu vergessen und auf der Burg seines Vaters zu leben, Pferde und Rinder zu züchten, statt über ein Land zu herrschen, dann würde er das tun. Wenn es bedeutete, Melecay in den Arsch zu kriechen, dann würde er das tun.
»Er ging wegen Sarsar«, raunte Desith plötzlich in die Stille hinein.
Vynsu sah stirnrunzelnd auf, aber Desith erwiderte seinen Blick nicht, er starrte in eine Ecke des Zeltes, schien aber mit seinen Gedanken nicht im Hier und Jetzt zu sein. Wieder schimmerten Tränen in seinen Augen.
»Rick verwandelte sich wegen Sarsar.« Desith schluckte geräuschvoll. »Wir hatten einen Streit, ich wollte endlich nach Hause, flehte, aber er konnte nicht umkehren, er glaubte zu sehr daran, dass er es Sarsar schuldete, nach ihm zu suchen. Er wollte nicht wahrhaben, dass Sarsar tot ist. Auch wenn wir keine Leiche fanden. Ich wurde zornig, brüllte ihn an, schlug ihn, wollte ihn zwingen, zurückzugehen – da verwandelte er sich.« Desith drehte den Kopf, das Gesicht vor Zorn verhärtet. »Ich verfolgte ihn zwei Jahre lang, Vyn. Zwei Jahre. Also glaub mir, wenn ich sage, ich hätte es versucht. Und nein, ich habe ihn nicht einfach aufgegeben, er gab mich auf. Für Sarsar. Es war seine freie Entscheidung.«
Die Endgültigkeit in Desiths Worten ließen Vynsu keinen Zweifel daran, dass er die Wahrheit sprach. Warum sollte er sich auch so etwas ausdenken, er hatte Derrick geliebt, das wusste Vynsu.
»Er hat mich verlassen«, schloss Desith ab und griff wieder nach seinem Becher, »vor zwei Jahren. Er hat mich verlassen.«
Vynsu spürte Mitleid aufkommen, doch obwohl er Desith gern eine Hand auf den Arm gelegt und brüderlich zugedrückt hätte, hielt ihn irgendeine seltsame Befangenheit davon ab. So nahe hatten sie sich nie gestanden.
Der Wein und der viele Met, den er mit Vala getrunken hatte, zeigten ihre Wirkung. Er merkte, dass ihm ungewöhnlich warm war, als hätte er ein Kaminfeuer in seinem Bauch entzündet, seine Gliedmaßen waren entspannt und seine Augenlider müde. Trotzdem spürte er durch das Gespräch mit Desith eine deutliche Schwermut auf sich lasten. Wie einen zu schweren Eisenpanzer.
»Rick kommt nicht zurück, um in Melecays Fußstapfen zu treten.« Desith griff nach Vynsus Hand, öffnete dessen Finger und entwand ihm die Silbermünze, um sie zwischen den eigenen Fingern zu drehen und zu betrachten. »Selbst wenn sie ihn dazu brächten, sich zu verwandeln. Er wird einfach umdrehen und gehen.«
»Wieso?«, raunte Vynsu, konnte seltsamerweise nicht die Augen von Desiths langem Gesicht nehmen.
»Als er im Dschungel ein Pfeil ins Herz bekam«, erzählte Desith bereitwillig, »konnte Sarsar ihn retten, indem er ihm die alte Seele eines Drachen einpflanzte. Er ließ die beiden Seelen verschmelzen und machte ihn zum Blutdrachen. Rick denkt, er schuldet Sarsar sein Leben.«
Daher wehte der Wind. Oh Derrick… oh Bruder…
Bedauernd schüttelte Vynsu den Kopf. »Derrick. Dieser pflichtbewusste Narr. Er sieht nicht, was er aufgibt.«
Desith