Geliebtes Carapuhr. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Geliebtes Carapuhr - Billy Remie страница 34
Sarsar bat nie darum, aber Chusei nahm sich seiner an. Vermutlich, weil er, bevor Sarsar da war, in der gleichen Lage gesteckt hatte. Sie waren anders, Missgeburten in den Augen der anderen. Ausländer. Und Chusei war jemand, der den Kontakt zu Fremden nicht zu scheuen schien, vermutlich steckte dahinter ein tiefer, verzweifelter Wunsch nach einem einzigen Freund in dieser Misere.
Chusei zog Sarsar jeden Abend, nach den Schlägen und Tritten, in eine Ecke, teilte das Brot mit ihm, flößte ihm Wasser ein, und tupfte seine Wunden sauber. Ungefragt, ungebeten. Schlicht, weil er ein freundliches Wesen besaß.
Er konnte nicht verhindern, dass Sarsar wehgetan wurde, sie hätten auch ihm Schmerz zugefügt, dann wäre keinem von ihnen geholfen gewesen, und Sarsar hätte nie von ihm verlangt oder erwartet, dass er sich Prügel einhandelte. Das änderte für ihn nichts.
Sarsar war ihm dankbar, auch wenn er es nicht richtig zeigen konnte. Chusei schien jedoch auch keinen großen Dank zu erwarten, zumindest beschwerte er sich nicht, dass er Sarsar noch immer alles aus der Nase ziehen musste und meist mit Schweigen gestraft wurde.
Dabei wollte Sarsar gern einen Freund, aber er war noch wie geschockt und äußerst verwirrt über das, wo er gelandet war. Oder besser gesagt, über die Frage, wie das alles hatte geschehen können.
Geschockt von der Erinnerung, wie sein eigener Bruder ihm dem Tod überlassen hatte. Und von der Frage, wohin ihn das Portal, das er geöffnet hatte, gebracht hatte, wie lange er dort in dieser Schwärze gefangen gewesen war. Die Frage, welches Zeitalter sie hatten.
Er fing an, darüber zu grübeln, ob er überhaupt in seiner richtigen Welt, oder ob er in der Zeit vor- oder zurückgereist war. Chusei wusste nichts über Zeitalter, er war ein Sklave, fast schon sein Leben lang, und Sklaven kannten keine Zeitalter, nur die Stunden für Arbeit und die Stunden für den Schlaf. Andere bestimmten ihren Tag, ihr Leben. Zeit lag in den Händen der Wärterinnen. Zeit hatte keine Bedeutung, wenn man keinen freien Willen besaß.
Und Sarsar konnte immer mehr verstehen, warum das so war. Die Tristesse des Sklavenlebens war wie ein Leben als Vieh. Man lebte auf den Tag hin, an dem der Tod einen befreite. Etwas anderes kannten diese Männer nicht. Sie hatten sich damit abgefunden, niedere Kreaturen zu sein. Nur so viel wert, wie es ein Schwein im Stall eines Bauern war.
Nicht unnütz, aber eben auch nicht frei.
Doch die Tage wurden besser und die Arbeit hatte auch etwas Gutes. Während Sarsar in der ersten Zeit noch geglaubt hatte, das Abtragen des Erzes würde ihn bald umbringen, wurde er eines Besseren belehrt. Die Arbeit brachte ihn nicht um, sie machte ihn stärker. Seine Arme konnten jeden Tag ein wenig länger durchhalten, ehe sie ihm den Dienst entsagten. Die Muskulatur seines Rückens wurde kräftiger, konnte mehr ertragen. Und sein Wille wurde eiserner.
Er würde hier nicht verrecken, er würde ausbrechen. Er war Desiderius M`Shiers Sohn, verdammt noch mal! Er brauchte nur einen Plan, und um diesen zu schmieden, ließ er sich Zeit. Irgendwann, da war er sich sicher, würde ihm irgendein Geistesblitz einfallen. Irgendwann. Als Sklave hatte Zeit schließlich keine Bedeutung.
Er war geduldig.
Denn dem Geduldigen lief nichts davon.
Und aus irgendeinem Grund heilte sein Körper schneller als es möglich sein dürfte. Sie konnten ihn auspeitschen, sie konnten ihn verprügeln, am nächsten Tag war er fast wie neu, bis auf die Narben, die ihm erhalten blieben.
Und mit jedem weiteren Tag kehrte seine Magie in seine Fingerspitzen zurück.
Er musste nur geduldig sein.
Kapitel 13
Am Tisch herrschte Schweigen, das nur von dem Schlurfen und Schlucken der Speisen durchbrochen wurde. Es war noch früh und sie aßen gemeinsam mit dem Großkönig unter Ausschluss des Pöbels. Nicht einmal Melecays persönliche Leibwachen durften ihn zu solch früher Stunde stören.
Es gab Hammel und Met. Vynsu hatte seine Waffen neben sich in Griffweite wie üblich auf dem Tisch abgelegt, weil ihn die Scheiden des Schwertes und des Dolches sonst bei einer bequemen Sitzposition behindert hätten.
Der Großkönig nahm sein Frühstück schweigend am Kopfende der Tafel ein, und weder Vynsu noch Desith, die sich gegenübersaßen, wagten die Stille zu durchbrechen. Vynsus Mutter war damit beschäftigt, Derricks Geist und Körper zu erforschen, das wusste Vynsu, da er sie bereits kurz besucht hatte, bevor er Desith zu Melecay gefolgt war.
Er hatte auch Derrick gesehen, in dessen bodenlosen Echsenaugen nicht der geringste Funke des Erkennens gesteckt hatte. Aber das trat er vor seinem Onkel natürlich nicht breit.
Melecay war entschlossen, seinen Ziehsohn zurückzuholen, niemals würde er eine andere Denkweise oder Einmischung dulden. Aber wer konnte es ihm verübeln, das winzige bisschen Herz, das der Großkönig besaß, gehörte seinem Sohn. Jeder in Carapuhr wusste das.
Das hieß nicht, dass Derrick verwöhnt gewesen wäre, wie jeder Bursche in Carapuhr hatte er sich beweisen müssen, hatte kämpfen und töten und seinen Mann stehen müssen. Aber für Melecays Verhältnisse war Derrick geliebt aufgewachsen. Vynsu wusste nicht, ob Derrick irgendetwas tun könnte, um Melecay zu enttäuschen. Immerhin hatte Derrick die Krone einfach abgelehnt, hatte sich geweigert, darum zu streiten, er hatte sich Desith, ohne zu fragen, genommen, er war wegen Sarsar in Zadest geblieben und hatte seine Pflichten in Carapuhr vernachlässigt, er war fortgelaufen, und Melecay hatte niemals an ihm gezweifelt oder geäußert, dass Derrick ihn im Stich gelassen hätte.
Aber als Vynsu zugelassen hatte, dass seine Frau ermordet wurde und daraufhin ein paar Wochen mit einer Gruppe Söldner unterwegs gewesen war, weil er sich nicht nach Hause getraut hatte, da hatte Melecay von Verrat, von Feigheit und Enttäuschung gesprochen.
Wäre all das Derrick passiert, hätte Melecay ihm nicht die Krone aberkannt. Denn … nun ja, dann wäre es ja Derrick passiert, und nicht ihm, dem dummen Neffen.
Aber Vynsu hegte deshalb keinen Groll gegen Derrick. Im Gegenteil, er war froh, dass Melecay diesem nichts nachtrug. Wenn Derrick den Thron von Carapuhr besteigen sollte, dann war das für Vynsu in Ordnung, er würde Derrick mit dem Herzen folgen, auch wenn er diesen nicht für einen geeigneten König hielt. Aber sie waren Brüder im Geiste, würden es immer sein.
Derrick hatte seitjeher gezeigt, dass er besser folgte, statt führte, vielleicht würde Vynsu feststellen, dass es ihm genauso erging. Ohne Verantwortung gab es auch weniger Sorgen. Er vermisste es nicht sonderlich, aber er kam sich doch manchmal darum betrogen vor.
Vynsu unterdrückte ein Seufzen, brach ein Stück Brot ab und tunkte es in die Brühe mit dem Hammelfleisch. Er kaute nachdenklich und schielte zu Desith.
Der Wildfang hatte sich das feurige Haar nicht gebürstet wieder hoch oben auf dem Hinterkopf locker zusammengebunden und mit seinem roten Haarband versehen. Er wirkte erholt und seine Wangen schimmerten gesund im Schein der Kerzen. Ohne zu zetern hatte er seine Frühstücksschale bis auf den letzten Rest regelrecht leergefressen – hatte die kraftspendende Mahlzeit wohl nach der letzten Nacht nötig gehabt – und lehnte nun kerzengerade an seiner Stuhllehne und schlürfte nachdenklich seinen Met. Er trug das Hemd und die Hose von gestern, an dem Stoff glaubte Vynsu seinen eigenen Geruch noch immer wahrzunehmen.
Man