Geliebtes Carapuhr. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Geliebtes Carapuhr - Billy Remie страница 54
Je tiefer sie in den Palast eindrangen, je mehr Wachen standen mit geraden Rücken und unbeteiligten Mienen in den Fluren. Und endlich schien auch Desith erkannt zu werden, zumindest von einigen wenigen. Es gab jedoch auch Wachen und hochgestellte Diener, die es wagten, sich ihnen in den Weg zu stellen und sie daran zu erinnern, dass sie ohne Erlaubnis nicht befugt waren, diesen Bereich des Palastes zu betreten.
»Ich bin euer Prinz!«, sagte Desith in seiner Muttersprache in einem herrischen Ton, und konnte förmlich Vynsus Unbehagen im Nacken spüren. »Tretet Beiseite, ich wünsche meinen Vater zu sehen!«
Die Wachen vor dem Thronsaal wollten ihm jedoch nicht glauben, vor allem wegen des Barbaren, der ihm folgte. Doch bevor Desith aus der Haut fuhr, näherte sich Hilfe. Der General der Stadtwache, enger Vertrauter seines Vaters, erkannte ihn selbstverständlich wieder und führte sie höchstpersönlich durch die Türen in den weißen Thronsaals Elkanasais.
Der Mittelgang war von weißen, goldverzierten Säulen gesäumt, roter Samtteppich dämpfte seine Schritte und führte an Reihen von weißen Bänken nach vorne zu einem Podium, auf dem ein Stuhl mit hoher Lehne, und weitere vier Stühle auf jeder Seite des Throns standen. Linkerhand befand sich die offene Front eines Balkons, der einen atemberaubenden Blick über die sonnengeflutete Stadt bot.
»Eure Majestät«, der silbersträhnige General ging auf ein Knie und verbeugte sich würdevoll, »Ihr habt Besuch…«
»Vater!« Desith umrundete einfach mit einem breiten Grinsen den gealterten Soldaten und hielt auf die zwei Personen zu, die vor den niedrigen Stufen des Podestes standen und mit einem Schriftstück beschäftigt gewesen waren. Der schmale Elkanasai mit dem schwarzen, langen Zopf, aus dem spitze Ohren hervorlugten, war Ashen, des Kaisers persönlicher Berater und Schreiber, leicht an seiner goldenen Spange zu erkennen, die seine schneeweiße Toga auf einer Schulter zusammenhielt. Er sah auf, ebenso überrumpelt wie der Kaiser selbst.
Desiths Lächeln verblasste und er wäre beinahe über seine eigenen Füße gestolpert. Natürlich hatte er sofort erkannt, dass sein Vater magerer geworden war, aber als er dessen Gesicht erblickte, erschrak er innerlich. Nur mit Mühe konnte er seine Fassung wahren und weiter auf ihn zugehen.
Er hatte seinem Vater etwas beleibt in Erinnerung, aber was sich ihm jetzt bot, war ein Knochengerüst, das von fahler, schlaffer Haut zusammengehalten wurde. Er trug eine nachtblaue Pluderhose und ein bronzefarbenes Seidenhemd mit einem starken Stehkragen, beides war ihm sichtlich zu groß, als kämen die Schneider nicht damit hinterher, seine Kleider enger zu nähen. Die Wangen waren eingefallen, mit einem Dreitagebart kaschiert, die eisblauen Augen lagen tief in ihren Höhlen, die Gesichtsfarbe hatte ein ungesundes Grau und die rotblonden, kurzen Haare waren kraft- und glanzlos. Er stand auf einem schwarzen Gehstock mit goldenem Knauf gestützt und hatte ein Holzbein. Desith erinnerte sich, wie er, Rick und der Großkönig den vereiterten Unterschenkel seines Vaters abgehackt hatten, bevor er an einer Blutvergiftung starb. Es kam ihm wie gestern vor, als er die Hand seines Vaters gedrückt und ihm ein Stück Holz zwischen die Zähne geschoben hatte. Sieben Jahre. Damals hatte er sich so erwachsen gefühlt, doch fast ein Jahrzehnt später kam er sich wieder mehr wie ein Kind vor, das nicht wusste, welchen Weg es einschlagen sollte.
»Desith?« Sein Vater strengte die Augen an. »Vynsu?« Er gab das Pergament in seiner Hand an Ashen zurück und winkte ihn mit einer Handbewegung fort. Der Schreiberling verneigte sich tief und zog sich zurück. Auch der General der Wache schlich unbemerkt aus dem Saal und schloss die Türen.
Desith zwang sich, weiter auf seinen Vater zuzugehen, aber mit jedem Schritt wurde die alte Befangenheit größer. Dem Kaiser schien es ähnlich zu gehen, er humpelte leicht, als er freudig auf ihn zukam und machte Anstalten, ihn umarmen zu wollen, doch als sie schließlich dicht voreinander standen, war es, als ob eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen stünde.
Sie zuckten kurz mit den Armen, sahen jedoch dann verlegen zur Seite, konnten diese Geste aus unerfindlichen Gründen einfach nicht über sich bringen, zu gehemmt von der Distanz, die immer zwischen ihnen gewesen war.
Desith rieb sich den Nacken, er konnte beinahe Vynsus neugierigen Blick im Nacken kitzeln fühlen, und wünschte sich, der Barbar wäre nicht Zeuge dieser unterkühlten Begegnung.
Bedeutete es das, barbarisch zu sein? Dass man seinen Vater und Herrscher vor Freude in die Arme sprang wie ein Affenkind in die Umarmung seiner Affenmutter?
Sein Vater räusperte sich und legte ihm zumindest eine Hand an die Wange, sodass Desith wieder in sein Gesicht sah und schließlich doch nicht anders konnte, als froh zu lächeln. Ein großer Brocken fiel von seinem Herzen. »Vater!« Zitterte seine Stimme? »Ich…« Er brach ab und schüttelte nur den Kopf.
Das rührte den Kaiser, seine Augen schimmerten und er rang nach Fassung. »Mein Junge«, er atmete so erleichtert aus, dass er es nur ehrlich meinen konnte, »wie schön, dich wohlaufzusehen!« Er musste schlucken, konnte es nicht glauben und suchte nach Worten. »Melecay sagte zwar, es ginge dir gut, aber ich wollte mich überzeugen. Wir waren dabei, aufzubrechen, um dich zu besuchen! Und jetzt stehst du einfach hier? Welch Überraschung! Das… das ist so … Oh Sohn, ich … ich bin gerade zu überwältigt, um mich auszudrücken, verzeih mir.« Er lachte und seine Hand rutschte zu Desiths schmalem Kinn, das er umfasste und leicht rüttelte, als wollte er ihn tadeln. »Wir dachten schon, der Dschungel hätte dich für immer in seinen Fängen! Deine Mutter wird weinen, wenn du sie so überraschst. Ashen!«, rief er freudig über die Schulter, Desith zuckte zusammen, hatte nicht damit gerechnet. Der Diener kam vom Balkon wieder herein und verneigte sich mit einem breiten Lächeln.
»Mein Kaiser?«
»Holt Ari!«, schickte er ihn erregt fort, »holt sie schnell her. Sagt ihr, ich hätte eine besondere Überraschung für sie!«
Ashens Lächeln – wenn überhaupt möglich – wurde noch breiter und er machte sich umgehend auf den Weg, die Kaiserin zu verständigen.
Desith legte eine Hand um den Arm seines Vaters, um dessen Aufmerksamkeit zurückzuerlangen, und befreite sich mit gequälter Miene aus seinem Griff. »Glaube mir, Vater, es war keine Freude, die mich im Dschungel hielt, und ich würde nicht einmal dann dorthin zurückkehren, wenn unsere Welt unterginge und nur noch Zadest stünde. Die Unterwelt ist ein freundlicherer Ort. Ich kann nicht in Worte fassen, wie froh ich bin, zu Hause zu sein. Ich dachte nicht, dass ich es wiedersehen werde. Ich…«, er senkte den Blick und trat einen Schritt zurück. »Ich bin nur dank Vynsu hier. Er hat mich heimgebracht, aus dem Dschungel und schließlich aus Melecays Fängen.«
»Fängen?« Der Kaiser verengte leicht die wachsamen Augen. Sein Blick glitt über Desiths Kopf hinweg zu Vynsu, der mit gebührendem Abstand stehen geblieben war.
Als Eagles Blick ihn traf, verneigte er sich so vorbildlich, dass es Desith überraschte. »Eure Majestät, verzeiht uns unser Hereinplatzen, wir hätten uns natürlich angekündigt, wäre es uns möglich gewesen.«
Forschend sah der Kaiser von Vynsu zurück zu Desith, dann musterte er die Erscheinung seines Sohnes und schien allmählich zu begreifen.
»Ihr beiden«, sagte er vorsichtig, »seht aus, als wäret ihr auf der Flucht.« Es war keine Frage, und ihm antwortete nur Schweigen. Sein kluger Blick durchbohrte Desith, der genau wie als Kind, wenn er etwas ausgefressen hatte, den Boden unter seinen Füßen ganz besonders konzentriert anstarrte.
»Ich hörte…«, begann der Kaiser vorsichtig, »…Derrick