Hinter Der Bühne. Wolf Wrobel
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Informiert Euch. Auch wenn es unangenehm ist, bevor Ihr impulsive Entscheidungen trefft, oder Zustände ertragt, die Euch auf Dauer zerstören. Das ist es nicht wert.
Gesicht ‘98, der 21. November 1998
Die Veranstalter werden sich ziemlich geärgert haben, da die Veranstaltung schon am 8. November stattfinden sollte, aber bei „uns“ hatte sich ja einiges verzögert. Wir konnten uns beschweren und es passierte natürlich nichts. Aber hier hatte ja eine Firma alles gemietet und bezahlte wohl nicht zu knapp dafür. Das muss richtig Ärger gegeben haben, da alles verspätet und nicht fertig war.
Es war ein trauriges Bild. Das Zelt war zwar einigermaßen dekoriert und sogar die „Adventure-Plätze“ wurden aufgebaut, obwohl sie nicht erlaubt waren. Aber kümmerte das jemanden? Man hatte die Plätze doch verkauft, also muss man sie auch aufstellen. Man platzierte einfach ein paar Plastikstühle und dahinter eine Abdeckung, die so aussah, als sei sie aus Stein. Von der Seite, die nicht kaschiert war, sah man sofort, dass es eine sehr billige Lösung war. Adventureplätze sollten spezielle Plätze sein, die ganz nahe an der Bühne die Möglichkeit geben sollten, die Zuschauer eng in die Show einzubinden. Was später außer ein paar Wasserspritzern und einer kleinen Konfettibombe kaum passierte. Wenn, dann nur durch die Initiative der Darsteller. In der Spinnenszene wurden zwei Zuschauer auf die Bühne geholt und leicht gefesselt. Äußerst spannend!
2 Artisten knüpften tagelang an einem Spinnennetz, das allerdings mangels Regie und auch da es keinerlei Aufhängemöglichkeit in der Kulisse gab, niemals zum Einsatz kam.
Doch Zurück zum „Gesicht“:
Die Mädchen und Jungs dieser sehr „jugendlich“ angehauchten „Gesicht“-Veranstaltung, die mit großen Erwartungen teilnahmen, hielten sich im hinteren Teil des Zeltes auf. Das war zwar durch einige Lüfter geheizt, aber nicht genug um halb nackte Teenager vor der winterlichen Kälte zu schützen, die man sehr deutlich durch ein leichtes Anheben der ein-fachen Zeltwand fühlen konnte. Die armen Kids wurden in einem unglaublichen Ton herum kommandiert, durch die Bühnenproben gescheucht und im Hinterzelt eingepfercht um dort von tausenden von Stylisten bearbeitet zu werden.
Und wo war das Herr der Ringe-Ensemble? Wir, über 30 Darsteller, bekamen, nachdem wir seit 12 Uhr mittags im Zelt waren, einen Container zugewiesen. Dieser reicht platzmäßig mit Kostümen für ca. vier Leute aus. Auch wurde uns explizit gesagt, nicht an das Catering der Models zu gehen. Was sind wir auch für Geier. Und so warteten wir frierend auf unseren Auftritt; und nach einem langen Probentag auch auf ein wenig Nahrung. Man durfte ja nicht einfach gehen und etwas in einem Restaurant in der Nähe essen, denn es war „Standby“. Was soviel heisst wie: Es geht jede Sekunde los und dann wollen wir Euch nicht suchen müssen.
Aber wer friert braucht kein Essen. Das ist ein Zeichen der Schwäche. Ein richtiger Profi friert nicht! Und hat vor allem keinen Hunger.
Warum wir froren? Die Heizung fiel mal wieder aus. Denn diese war für so ein großes Zelt ohne richtige Isolierung unterdimensioniert und wenn die Küche im Vorderzelt, das sollte das Foyer und der Einstieg in die Fantasywelt sein - wo es sogar auch einen eigenen VIP-Bereich gab, zu kochen begann, flog die Sicherung ‘raus.
Aber ich denke, wir froren, dadurch dass wir uns nicht hinsetzen konnten wohl nicht so sehr wie das arme Publikum, das still sitzen und alles über sich ergehen lassen musste. Einer unserer Stage Manager hatte schließlich Erbarmen mit uns und bestellte gegen 22.00 Uhr Pizza. Später erfuhren wir, dass er das Geld, das er dafür auslegte, nie von der Produktion wiedergesehen hatte. Er hatte sich lange bemüht.
Auch dieser Abend dauerte lange!
Andrea Thilo bemühte sich sichtlich ihn zu moderieren und war, als es vorbei war sicher froh, dass sich alle recht schnell aus dem Staub machten, um sich irgendwo aufzuwärmen. Es war einfach zu kalt. Und das sprach sich natürlich herum. Die Presse war keines guten Wortes Herr. Und das, wie dann schließlich auch bei den Premierenkritiken, völlig zu Recht!
Ich habe noch nie eine Produktion erlebt, bei der sich alle im Ensemble auf schlechte Kritiken freuten und enttäuscht waren, wenn sie belanglos, oder im Falle Rostocks sogar unverständlicherweise überschwänglich gut ausfielen. Aber die hatten das Stück wahrscheinlich gar nicht gesehen.
Es gilt das ungeschriebene Gesetz: Nur richtig gute oder richtig schlechte Kritiken sind positiv. Denn nur diese wecken die Neugier der Menschen. Belanglose Kritiken sind viel schlimmer, da sich wirklich niemand dafür interessieren wird, wenn etwas nur Durchschnitt ist. Aber ist das nicht überall so?
Das „Event“, der 24. November 1998
Zu diesem Datum war eine volle Vorstellung verkauft, oder vielleicht auch nicht. Das konnte man zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr genau sagen, denn es war eine Aussage des Managements, das ja bekanntlich sehr locker mit der Wahrheit umging. Auf jeden Fall waren Reise- und Busunternehmen aus ganz Deutschland eingeladen worden, eine Voraufführung zu begutachten, um dann eventuell Verträge abzuschließen.
Eine Panik brach aus. In diesem unfertigen Zustand eine ganze Vorstellung zu zeigen. Wir hatten ja noch nicht einmal die ganze Show im Zelt durchgestellt. Wir wurden beschwichtigt, man könne die ganzen Leute leider nicht wieder ausladen, da man gar nicht wisse, wer genau käme.
Der Regisseur beschloss dann, es gäbe nur eine offene Probe. Es gäbe vorher eine Ansage und dann würden Szenen Stop-and-Go durchlaufen und man könne den Zuschauern „mal so richtig“ zeigen, wie man im Theater arbeitet. Sie dürften so einmal hinter die Kulissen schauen. Eine halbe Stunde lang und würden dann wieder hinausgeschickt. Ein so genanntes Event, keine Vorstellung. Versprochen!
Daraus wurde dann ein Durchlauf von drei noch nicht gearbeiteten Szenen in Kostümen, die noch nicht richtig ange-passt waren, bei denen das Staging auch noch nicht klar war, es keine Mikrofone und auch keine Monitore gab, auf denen wir das Orchester hören konnten. Geschweige denn, dass wir mit dem Orchester je auf der Bühne geprobt hatten. Eine furchtbar peinliche Aktion. Wir dachten, es würde zumindest einmal gestoppt und vor dem Publikum an einer Szene gearbeitet. Nichts dergleichen. Man ließ es einfach laufen und wir wollten vor Scham nur noch im Boden versinken. Das Publikum war, wie zu erwarten, außer sich vor Wut. Und das auch völlig zu Recht. Es hagelte Pfiffe, Buhs und Beschwerden. Nur unsere blieben ungehört. Es war das Peinlichste, das jeder von uns Darstellern je hinter sich bringen musste. Wir waren gezwungen worden uns „zum Affen“ zu machen. Und niemand würde erkennen, dass das nicht unsere Schuld war. Als einzelner Darsteller kann man sich manchmal durch so etwas durch schummeln. Aber dafür muss alles andere darum herum stimmen. Wenn allerdings so viele unberechenbare Faktoren aufeinander treffen, hat man einfach keine Chance.
Ein Blick in's Auditorium
Einen Tag nach dem "Event" schrieb ein Kollege:
25.11.1998
To the Company,
This morning when I woke up, I was very, very angry. After what I was forced to do last night, I felt I could no longer call myself „Professional“. But above all I was angry with myself for having gone through with this.
My dignity was stripped away from me and I was exposed to the most appalling work environment