Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz". Franz Kugler
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Читать онлайн книгу Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz" - Franz Kugler страница 12
Gleichzeitig mit Kattes Verhaftungsbefehl kam ein Schreiben des Königs an die Oberhofmeisterin der Königin, worin diese gebeten wurde, die Letztere von der versuchten Desertion des Kronprinzen und von seiner Gefangennehmung zu benachrichtigen. Die Bestürzung in der königlichen Familie war groß; erhöht wurde sie durch den Empfang jener Kiste, die man nicht unterschlagen durfte, die aber sehr Bedrohliches, nicht nur für den Kronprinzen, sondern auch für die Königin selbst und namentlich für die älteste Prinzessin enthalten konnte. Man hatte ohne Wissen des Königs eine sehr ausgedehnte Korrespondenz miteinander geführt, in welcher die Ausdrücke nicht immer mit genügender Ehrerbietung gegen den König abgewogen und namentlich auch die Angelegenheiten in Bezug auf England vielfach berührt waren. Endlich kam man zu dem Entschlusse, das Siegel abzunehmen, das Schloss der Kiste zu erbrechen, alle gefährlichen Schriften zu verbrennen und dafür eine bedeutende Anzahl neugeschriebener Briefe unschuldigen Inhalts mit verschiedenen älteren Daten hineinzulegen. Dann ward die Kiste wieder versiegelt, indem man ein dem vorigen ganz ähnliches Petschaft aufzufinden wusste.
Am 27. August kehrte der König nach Berlin zurück. Seine erste Frage war nach der Kiste. Als ihm dieselbe gebracht wurde, verlangte ihn mit solchem Ungestüm nach ihrem Inhalte, dass er sie, statt sie zuvor zu besichtigen, sogleich aufriss und die Briefe herausnahm. Er hatte den Verdacht, die beabsichtigte Flucht des Prinzen sei die Folge eines förmlichen Komplottes, an dessen Spitze England gestanden habe und in welches seine Gemahlin und seine älteste Tochter mit verwickelt seien. Er vermutete, dass man hierbei mehr, als nur jene alten Heiratspläne im Sinne gehabt; lag es doch im Bereiche der Möglichkeit, dass es auf seinen Thron, wenn nicht gar auf sein Leben abgesehen gewesen sei. Dass er in der Kiste keine Zeugnisse fand, machte, statt ihn zu beruhigen, seinen Zorn nur umso heftiger; er argwöhnte, dass man ihm durch eine List zuvorgekommen sei. Sein ganzer Ingrimm wandte sich nun gegen seine Familie und namentlich hatte die Prinzessin Wilhelmine aufs Schwerste zu leiden. Er schwur, dass er den Kronprinzen werde umbringen lassen und dass die Prinzessin das Schicksal ihres Bruders teilen werde. Nur die Oberhofmeisterin der Königin, Frau von Kamecke, wagte es, ihm mit heldenmütiger Unerschrockenheit entgegenzutreten. Sie folgte ihm in sein Zimmer und beschwor ihn, der Königin zu schonen und das Unternehmen des Kronprinzen nur als das, was es sei – als einen Schritt jugendlicher Unbesonnenheit zu betrachten. „Bis jetzt“, sagte sie zu ihm, „war es Ihr Stolz, ein gerechter und frommer König zu sein, und dafür segnete Sie Gott; nun wollen Sie ein Tyrann werden – fürchten Sie sich vor Gottes Zorn! Opfern Sie Ihren Sohn Ihrer Wut, aber sein Sie auch dann der göttlichen Rache gewiss. Gedenken Sie Peters des Großen und Philipps des Zweiten: Sie starben ohne Nachkommen und ihr Andenken ist den Menschen ein Gräuel!“ Diese Worte schienen Eindruck auf den König zu machen, aber nur auf kurze Zeit.
Inzwischen war, auf Befehl des Königs, Katte vor ihn geführt worden, um gerichtlich verhört zu werden. Die erste Begrüßung des Gefangenen bestand wiederum nur in wilder Misshandlung. Katte beantwortete die ihm vorgelegten Fragen mit Standhaftigkeit; er erklärte, dass er allerdings an der Flucht des Kronprinzen habe teilnehmen wollen, dass es die Absicht des Letzteren gewesen sei, nach England zu gehen, um dort vor dem Zorne des Königs geschützt zu sein, dass er, Katte, den Zwischenträger zwischen dem Kronprinzen und der englischen Gesandtschaft gemacht habe, dass aber der Prinzessin Wilhelmine dieser Plan nicht mitgeteilt worden und dass von irgend einem Unternehmen gegen die Person des Königs oder überhaupt gegen die Angelegenheiten desselben niemals die Rede gewesen sei. Im Übrigen berief er sich auf die Papiere des Kronprinzen. Eine neue Durchsicht der Letzteren ergab natürlich nichts, was zu weiterer Anschuldigung dienen konnte. Aber der Verdacht, dass die wichtigeren Papiere unterschlagen seien, blieb rege, und die Prinzessin wurde unausgesetzt mit Strenge behandelt. Nach beendigtem Verhöre musste Katte die Uniform ausziehen, und ward in einem leinenen Kittel auf die Hauptwache geschickt. Gegen die übrigen Freunde des Kronprinzen und die sonst seinen Interessen günstig gewesen zu sein schienen, auch wenn bei ihnen gar keine Kenntnis seines letzten Vorhabens erweislich war, wurde nicht minder mit großer Strenge verfahren; so wurde z. B. sein ehemaliger Lehrer Dühan, der jetzt eine Ratsstelle bekleidete, nach Memel verwiesen.
Duhan
Die Bestürzung über alle diese Ereignisse war allgemein und alles in banger Erwartung über das ferneren Schicksal des Kronprinzen.
Dieser war unterdessen in Mittenwalde eingetroffen. Hier wurde er am 2. September zuerst verhört. Man legte ihm die Aussagen Kattes vor, und er erkannte dieselben an; auf alle weiteren Fragen indes gab er wenig genügende Antworten. Dem General Grumbkow, der mit anwesend war und die stolze Zuversicht des Prinzen herabzustimmen suchte, sagte er, er glaube über alles, was ihm noch begegnen könne, hinaus zu sein, und er hoffe, sein Mut werde größer sein, als sein Unglück. Jener kündigte ihm hierauf an, er werde auf Befehl des Königs nach Küstrin gebracht werden, indem diese Festung für jetzt zu seinem Aufenthaltsorte bestimmt sei. „Es sei“, erwiderte der Kronprinz, „ich werde dahin gehen. Wenn ich aber nicht eher wieder von dort wegkommen soll, als bis ich mich aufs Bitten lege, so werde ich wohl ziemlich lange da bleiben.“
Am folgenden Tage wurde der Kronprinz nach Küstrin geführt. Er erhielt ein Gemach auf dem Schlosse, indem der dortige Kammer-Präsident von Münchow ihm von seiner Wohnung ein Zimmer abtreten musste. Hier wurde er, auf bestimmten Befehl des Königs, streng gehalten. Seine Kleidung bestand aus einem schlechten blauen Rocke ohne Stern. Im Zimmer standen nur hölzerne Schemel zum Sitzen. Die Speisen, die sehr einfach waren, wurden ihm geschnitten überbracht, weil den Gefangenen in der Zeit des engsten Arrestes keine Messer und Gabeln zukamen. Tinte und Papier waren ihm nicht gestattet; auch wurde ihm seine Flöte abgefordert. Das Zimmer durfte er unter keiner Bedingung verlassen; die Tür war mit Wachen besetzt und durfte nur dreimal des Tages in Gegenwart zweier Offiziere zur Besorgung der Bedürfnisse des Gefangenen auf kurze Zeit geöffnet werden. Alle Morgen hatten zwei Offiziere das Zimmer zu untersuchen, ob sich nicht etwa die Spur einer verdächtigen Unternehmung zeige. Jedem war streng verboten, mit dem Kronprinzen zu sprechen; jeder bloße Besuch war durchaus untersagt.
Indes fand sich doch Gelegenheit, einige dieser strengen Anordnungen zu umgehen. Der Kammer-Präsident von Münchow, den das Schicksal des unglücklichen Königssohnes zu inniger Teilnahme bewegte, ließ in der Decke des Gefängnisses ein Loch machen, so dass er Gelegenheit bekam, den Kronprinzen zu sprechen, ihm seine Dienste anzubieten und seine Wünsche zur Verbesserung seiner gegenwärtigen Lage zu vernehmen. Der Prinz klagte über das armselige Essen und Speisegerät und über den Mangel an geistiger Nahrung. Für Beides wusste der Präsident bald Rat. Sein jüngster Sohn, acht Jahre alt, wurde in die weiten Kinderkleider gesteckt, die schon seit Jahren abgelegt waren, und die tiefen Taschen derselben füllte man mit Obst, Delikatessen und Ähnlichem; dem Knaben verweigerte die Wache nicht den Eingang. Dann wurde ein neuer Leibstuhl mit verborgenen Fächern angeschafft, und so kamen dem Prinzen nach und nach Messer und Gabeln, Schreibgerät, Bücher, Briefe usw. zu. Die diensttuenden Offiziere untersuchten das Zimmer nur, soweit ihre Ordre reichte.
Indes behielt der Kronprinz gegen die Personen, die der König zu verschiedenen Malen zu ihm schickte, noch immer seine strenge Zurückhaltung bei. So namentlich gegen eine Deputation, die ihn in der Mitte Septembers aufs Neue zu verhören kam. Der General Grumbkow, der sich wieder bei derselben befand, scheute sich nicht, ihm zu sagen, dass, wenn er seinen Stolz nicht beiseitesetze, schon Mittel und Wege zu finden sein dürften, ihn zu demütigen. „Ich weiß nicht“, erwiderte ihm der Prinz mit vornehmen Tone, „was Sie gegen mich zu Unternehmen gedenken: So viel aber weiß ich, dass Sie mich nie