Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz". Franz Kugler
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Читать онлайн книгу Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz" - Franz Kugler страница 13
So hatte man keine weiteren Zeugnisse gegen den Kronprinzen und gegen Katte in Händen, als was sich durch ihre beabsichtigte Flucht selbst und durch die bisherigen Aussagen des Letzteren ergab. Doch war auch dies dem König bereits genügend, um gegen die Verschuldeten mit allem Nachdruck eines strengen Gesetzes zu verfahren. Es wurde ein Kriegsgericht zusammenberufen, welches über sie nur in militärischer Rücksicht zu erkennen hatte: Der Kronprinz namentlich sollte dabei nur als desertierter Militär betrachtet werden. Am 25. Oktober trat dieses Gericht in Köpenick zusammen und kehrte am 1. November nach Berlin zurück. Trotz jener ausdrücklichen Bestimmung des Königs erfolgte indes kein richterlicher Spruch über den Kronprinzen; das Kriegsgericht hatte sich in diesem Punkte für inkompetent erklärt. Katte war in Betracht, dass er sich nicht vom Regiment entfernt habe und seine bösen Pläne nicht in Ausführung gekommen seien, zu Kassierung und mehrjähriger Festungsbaustrafe verurteilt worden. Der König aber nahm die ganze Erklärung des Kriegsgerichtes sehr ungnädig auf; er sah darin nur eine Bemühung, sich dem künftigen Herrn des Landes, den er einmal als seinen entschiedenen Feind betrachtete, gefällig zu erweisen. Sein Zorn konnte nicht ohne ein blutiges Opfer gestillt werden; und so erklärte er zunächst, aus eigener Machtvollkommenheit, das Vergehen Kattes als ein Verbrechen der beleidigten Majestät, da dieser als Offizier der Garde-Gendarmerie, der Person des Königs unmittelbar verpflichtet gewesen sei und solche Verpflichtung durch einen Eid erhärtet, nichtsdestoweniger jedoch zur Desertion des Kronprinzen unerlaubte Verbindungen mit fremden Ministern und Gesandten, zum Nachteil des Königs, angeknüpft habe. Für ein solches Verbrechen habe er verdient, mit glühenden Zangen gerissen und aufgehenkt zu werden; doch solle er, in Rücksicht auf seine Familie, nur durch das Schwert gerichtet werden. Man solle dem Katte, wenn ihm dieser Ausspruch eröffnet werde, sagen, dass es dem Könige leid täte: Es sei aber besser, dass er sterbe, als dass die Gerechtigkeit aus der Welt gehe. Alle Bitten und Fürsprachen gegen dies strenge Urteil waren umsonst; vergebens flehte Kattes Großvater, der alte verdiente General-Feldmarschall Graf von Wartensleben, mit rührenden Worten um Gnade, nur damit ihm Gelegenheit bleibe, das Herz seines Enkels zur Buße und zur Demut zurückzuführen. Der Sinn des Königs blieb unerweicht, und wiederholt berief er sich darauf, es sei besser, dass ein Schuldiger nach der Gerechtigkeit sterbe, als dass die Welt oder das Reich zu Grunde gehe.
Katte selbst vernahm sein Urteil mit großer Standhaftigkeit. So leichtsinnig er sich früher betragen hatte, so würdig erschien der zweiundzwanzigjährige Jüngling in den wenigen Tagen, die ihm jetzt noch zur Vorbereitung auf den Tod vergönnt waren. Der Gram, den er seinen Eltern und seinem Großvater durch das leichtsinnig heraufbeschworene Schicksal verursachen musste, ergriff seine Seele mit Macht; die Briefe, mit denen er von ihnen Abschied nahm, waren von innigster Reue erfüllt. Demutvoll bekannte er es, dass er in dieses Unglück gestürzt sei, weil er des Höchsten vergessen und nur nach irdischen Ehren gestrebt habe; dass er aber hierin nur die Liebe des ewigen Vaters erkenne, die ihn durch den dunkeln Pfad zum Lichte geführt. Am vierten November wurde er nach Küstrin abgeführt. Es geschah auf Befehl des Königs, denn dieser wollte auch das härteste Mittel nicht unversucht lassen, das Herz des Kronprinzen zu erweichen. Unter den Augen des Letzteren, so hatte es der König ausdrücklich angeordnet, sollte die Hinrichtung des Freundes stattfinden. Der Morgen des sechsten Novembers war zur Hinrichtung bestimmt.
Der Kronprinz wurde genötigt, an das Fenster zu treten, und rief, als er den Freund inmitten des militärischen Zuges zwischen zwei Predigern erblickte, hinab: „Verzeihe mir, mein teurer Katte!“ – „Der Tod für einen so liebenswürdigen Prinzen ist süß!“ erwiderte jener. Dann schritt der Zug den Wall hinauf, und Katte empfing von christlicher Tröstung gestärkt den tödlichen Streich. Aber die starke Natur des Kronprinzen erlag; Ohnmachten ergriffen ihn, und die Schale, die sein Herz umschlossen hielt, war gesprungen.
Aber noch schwebte das Schwert, welches Kattes Leben vernichtet, über dem Haupte des Kronprinzen; noch ließen die fortgesetzten Drohungen des Königs auch für den Letzteren das Schlimmste befürchten. Dringender und vielseitiger erhob sich, bei dem ungeheuren Aufsehen, welches seine Gefangennehmung in der ganzen Welt gemacht hatte, die Fürsprache für ihn. Schon im September hatte der König durch seine Gesandten ein Rundschreiben an die auswärtigen Höfe geschickt, um sie im Allgemeinen von dem geschehenen Schritte zu benachrichtigen und ihnen anzuzeigen, dass ihnen später, nach dem Schlusse der Untersuchungen, eine ausführliche Erklärung gegeben werden solle. Kurz darauf aber, und zum Teil schon vor der Abfassung jenes Rundschreibens, erschienen Vorstellungen von verschiedenen Höfen, welche die Absicht hatten, den König zu einer milderen Ansicht der Sache zu stimmen. Zuletzt und mit besonderem Nachdrucke trat der österreichische Hof auf, der nun, da die Verbindung Preußens mit England einen augenscheinlichen Bruch erlitten hatte und vom Kronprinzen in dieser Beziehung wenig mehr zu befürchten schien, auch ihn, wie den Vater, durch das Gewicht seiner Vermittlung an seine Interessen zu knüpfen wünschte. Von größerer Bedeutung indes war zunächst der Einspruch, den die würdigsten und vom König am meisten geschätzten Führer seines Heeres gegen das Bluturteil, mit welchem der König drohte, erhoben. Auf die Erklärung zwar, dass der König nicht befugt sei, den „Kurprinzen von Brandenburg“ ohne förmlichen Prozess vor Kaiser und Reich am Leben zu bestrafen, erwiderte jener, dass Kaiser und Reich ihn nicht abhalten dürften, gegen den „Kronprinzen von Preußen“ in seinem souveränen Königreiche nach Belieben zu verfahren. Aber der Major von Buddenbrock entblößte vor dem Könige seine Brust und rief heldenmütig aus: „Wenn Ew. Majestät Blut verlangen, so nehmen Sie meines; jenes bekommen Sie nicht, so lange ich noch sprechen darf!“
War die Stimme der Politik nicht ganz zu überhören, war die Stimme der Ehre für den kriegerischen König ein hochachtbarer Klang, so trat doch noch ein Drittes hinzu, welches mit ungleich größerer Gewalt sein Herz zur Gnade stimmte. Es war ein Wort eines geringen Dieners, aber brachte die so lang ersehnte Kunde von der Sinnesänderung des Sohnes.
Der Feldprediger Müller, der mit Katte von Berlin nach Küstrin gegangen war und ihn zum Tode vorbereitet hatte, war zugleich durch den König beauftragt worden, nach Möglichkeit auch auf das Gemüt des Kronprinzen zu wirken und, wenn sich dieser zur Annahme seiner geistlichen Ermahnungen willfährig zeige, längere Zeit bei ihm zu bleiben. Der Kronprinz war nach jenem furchtbaren Schlage eines höheren Trostes nur zu sehr bedürftig. Der Feldprediger hatte ihm von Katte ein teures Vermächtnis überbracht, eine Reihe schriftlich abgefasster Vorstellungen, welche dazu dienen sollten, den fürstlichen Freund auf den gleichen Weg des Heiles zu führen, als durch welchen er mit dem Leben versöhnt gestorben war. Diese Vorstellungen bestanden besonders darin, dass Katte sein Unglück als eine verdiente Strafe Gottes betrachtete, dass er den Kronprinzen beschwor, auch er möge hierin die Hand Gottes erkennen und sich dem Willen seines Vaters unterwerfen, besonders aber möge er dem Glauben an eine willkürliche Vorherbestimmung des Schicksals entsagen. Dies Letztere war der wichtigste Punkt, und auch der König hatte bereits vor allem darauf gedrungen, dass der Prediger diese Glaubens-Ansicht des Kronprinzen mit allem Eifer bekämpfen möge. Denn der Prinz hatte sich, besonders durch Katte dazu verleitet – wie dies bereits früher angedeutet wurde – jener Prädestinationslehre ergeben, welche bekanntlich durch die Calvinisten mit einer trostlosen Strenge vertreten wurde, welche die einzelnen Menschen als von Ewigkeit her zur Seligkeit oder zur Verdammnis bestimmt darstellte, und welche somit in der Sünde keine Schuld des menschlichen