Die Eissphinx. Jules Verne

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Die Eissphinx - Jules Verne

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ist, wohin Ihre Goëlette geht. Es ist doch wohl anzunehmen, daß sie überhaupt irgendwohin segelt....

      – Irgendwohin... ja freilich!«

      Da schien es mir, als ob der Kapitän einen langen Blick nach dem südlichen Horizont hinaussendete.

      »Nun, Herr Kapitän, nahm ich wieder das Wort, hier- oder dorthin zu gehen, gilt mir fast ganz gleich. Mich verlangt vor allem nur, von den Kerguelen mit der ersten, sich darbietenden Gelegenheit wegzukommen.«

      Der Kapitän Len Guy erwiderte nichts, sondern blieb im Nachdenken versanken, ohne daß er sich jedoch von mir wegstehlen zu wollen schien.

      »Sie erweisen mir wohl wenigstens die Ehre, mich anzuhören, Herr Kapitän? fragte ich in ziemlich lebhaftem Tone.

      – Warum sollte ich das nicht, mein Herr!

      – Nun, wenn ich mich nicht verhörte und die Reiseroute Ihrer Goëlette keine Veränderung erlitten hat, so hatten Sie die Absicht, von Christmas-Harbour nach Tristan d'Acunha zu segeln.

      – Vielleicht nach Tristan d'Acunha... vielleicht nach dem Cap... oder nach den Falklandsinseln... vielleicht noch anderswohin....

      – Schön, Kapitän Guy, eben »anderswohin« wollt' ich gelangen!« antwortete ich ironisch, mußte mich aber anstrengen, meine Erregung zurückzudämmen.

      Da trat eine seltsame Aenderung in der Haltung des Kapitän Len Guy ein. Seine Stimme wurde härter. In kurzen, nicht mißzuverstehenden Worten sagte er mir, daß jedes weitere Drängen unnütz sei, daß unsere Verhandlung schon zu lange gedauert und er Eile habe, da ihn Geschäfte nach dem Hafencontor riefen, kurz, daß wir, und in hinreichender Weise, uns alles gesagt hätten, was wir einander zu sagen haben könnten.

      Ich hatte den Arm ausgestreckt, um ihn zurückzuhalten – ihn zu packen, wäre das richtige Wort – und das schon zu Anfang nicht gut verlaufende Gespräch drohte dann ein noch schlimmeres Ende zu nehmen, als der sonderbare Mann sich noch einmal zu mir umdrehte und in weit milderem Tone sagte:

      »Glauben Sie mir, mein Herr, daß es mir sehr unangenehm ist, Ihrem Wunsche nicht entsprechen zu können und gegen einen Amerikaner so wenig Gefälligkeit zeigen zu müssen. Ich kann mein Verhalten aber nicht ändern Während der Fahrt der »Halbrane« könnte sich der oder jener unvorhergesehene Zwischenfall ereignen, bei dem die Anwesenheit eines Passagiers – und auch eines so fügsamen wie Sie – störend wirken würde. Ich liefe damit Gefahr, nicht alle versprechenden Umstände, auf die ich immer ein Auge habe, ausnützen zu können.

      – Ich habe es schon ausgesprochen und wiederhole Ihnen hiermit, Herr Kapitän, daß es mir, wenn ich auch nach Connecticut in Amerika zurückzukehren beabsichtige, doch ganz gleichgiltig ist, ob das in drei oder in sechs Monaten, auf dem einen oder einem anderen Wege geschieht, selbst wenn Ihre Goëlette bis in die Antarktischen Meere vordränge...

      – In die Antarktischen Meere!« rief der Kapitän mit fast fragender Stimme und sein Blick schien mir ins Herz zu dringen, als ob er Spitzen hätte.

      »Warum erwähnen Sie die Antarktischen Meere? begann er wieder, meine Hand ergreifend.

      – O, ganz so, wie ich von den nördlichen Meeren, vom Nord- oder Südpole hätte reden können...«

      Der Kapitän Len Guy antwortete nicht. Ich glaubte in seinen Augen eine Thräne schimmern zu sehen. Dann sagte er, einen anderen Gedankengang aufnehmend, als wollte er sich einer schmerzlichen Erinnerung entreißen:

      »Ja, dieser Südpol, wer sollte sich dahin wagen...

      – Ihn zu erreichen, ist freilich schwierig und wäre von keinem Nutzen erklärte ich. Zuweilen tauchen ja abenteuerlustige Charaktere auf, die sich in ein solches Unternehmen stürzen wollen...

      – Ja... abenteuerlustige!... murmelte der Kapitän Len Guy.

      – Doch, halt, fuhr ich fort, die Vereinigten Staaten machen eben noch einen solchen Versuch und zwar mit dem Geschwader Charles Wilkes', dem »Vancouver«, dem »Peacock«, der »Purpoise«, dem »Flying-Fish« und mehreren Begleitschiffen.

      – Die Vereinigten Staaten, Herr Jeorling?... Sie behaupten, daß von der Bundesregierung eine Expedition nach den Antarktischen Meeren gesendet sei?

      – Das ist Thatsache, und im vergangenen Jahre hörte ich, daß diese Expedition schon ausgelaufen sei. Jetzt ist seitdem ein Jahr verstrichen und es ist leicht möglich, daß der wagemuthige Wilkes schon weiter als andere Entdeckungsreisende vor ihm vorgedrungen wäre.«

      Der Kapitän Len Guy war völlig stumm geworden und unterbrach sein unerklärliches Stillschweigen nur, um zu sagen:

      »Sollte es Wilkes thatsächlich gelungen sein, den Polarkreis zu überschreiten und das Packeis zu durchbrechen, so wird er doch nicht höher hinaufdringen können...

      – Als seine Vorgänger Bellingshausen, Forster, Kendall, Biscoe, Morrell, Kemps, Beleny... fiel ich ein.

      – Und als... setzte der Kapitän Len Guy hinzu.

      – Von wem wollen Sie noch sprechen?

      – Sie sind aus Connecticut gebürtig, mein Herr? fragte er plötzlich.

      – Aus Connecticut.

      – Und dort woher?...

      – Aus Providence.

      – Keanen Sie die Insel Nantucket?

      – Gewiß, von mehreren Besuchen derselben her.

      – Dann wissen Sie, glaub' ich, auch, sagte der Kapitän Len Guy, mir scharf ins Auge sehend, daß Ihr Romandichter Edgar Poe seinen Helden Arthur Gordon Pym von dort herstammen läßt.

      – Richtig, antwortete ich, dessen erinnere ich mich, der Anfang dieses Romans spielt auf der Insel Nantucket.

      – Sie sagen, dieses Romans?... Bedienten Sie sich wirklich des Wortes »Romans«?

      – Ohne Zweifel, Herr Kapitän!

      – Ja, ja... Sie reden eben wie alle Welt. Doch entschuldigen Sie, mein Herr, ich kann nicht länger verweilen... Ich bedauere... aufrichtig... Glauben Sie, wenn es mir möglich gewesen wäre... doch glauben Sie nicht, daß eine weitere Erwägung meine Entscheidung über Ihren Vorschlag zu ändern vermöchte. Uebrigens werden Sie nur wenige Tage zu warten brauchen. Jetzt beginnt hier die Saison, wo Handelsschiffe und Walfänger in Christmas-Harbour erscheinen, und Sie haben dann die Wahl, sich auf dem einen oder dem anderen einzuschiffen, gleichzeitig mit der Gewißheit, dahin befördert zu werden, wohin Sie es wünschen. Ich bedauere lebhaft... und empfehle mich Ihnen!«

      Mit diesen Worten zog sich der Kapitän Len Guy zurück und das Gespräch endete also ganz anders als ich gefürchtet hatte – in ziemlich höflicher, wenn auch förmlicher Weise.

      Da es zu nichts dient, sich gegen das Unmögliche aufzulehnen, gab ich die Hoffnung, mit der »Halbrane« zu fahren, auf, bewahrte aber meinen Groll gegen deren so wenig zuvorkommenden Kapitän. Ich will nur ehrlich zugestehen, daß meine Neugierde erwacht war. Ich witterte ein Geheimniß im Grunde dieser Seemannsseele und wäre gar zu gern dahinter gekommen. Die unerwartete Wendung bei unserem Gespräch, die so plötzliche Erwähnung des Namens Arthur Pym, die Fragen über die Insel Nantucket, die

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