Die erfundene Armut. Alex Bergstedt
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So kam es, dass die Bewohner sich mit der Zeit benachteiligt und als Bürger zweiter Klasse fühlten und traurig und depressiv wurden.
Definition: Wer gilt als arm
Laut Wörterbuch ist derjenige „arm“, „dem das Notwendige zum Leben fehlt“.
Die Berthelsmann-Stiftung dagegen definiert: „Als arm gelten laut Definition der Studie Kinder aus Familien, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens auskommen müssen oder Hartz IV beziehen.”
So gilt ein Mensch als armutsgefährdet, wenn er weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. 2016 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 1064 Euro, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2234 Euro im Monat. In Deutschland gilt dies für jeden Sechsten, das sind 16,5 Prozent der Bevölkerung. 3,7 Prozent müssen sich materiell erheblich einschränken. Das heißt, die Betroffenen waren nicht in der Lage, die Miete, Hypotheken oder die eigene Versorgung zu bezahlen oder die Wohnung angemessen zu beheizen. 9,6 Prozent der Bürger unter 60 Jahren lebten in einem Haushalt mit sehr niedriger Erwerbsbeteiligung.
Auf ähnlich lautende Berechnungen berufen sich auch andere Institutionen oder Parteien, die die Armut in Deutschland anprangern und das Thema „Armut in Deutschland” propagieren.
Nun kann man dabei allerdings einen großen Einwand erheben: Was wäre, wenn ein gigantischer Wirtschaftsaufschwung dazu führen würde, dass alle plötzlich doppelt so reich wären? Würde die Armut dann abnehmen? Antwort: Nach der obigen Definition, die die 60% zur Grundlage hat, würde die Armut danach genau so groß sein wie zuvor.
Um das genauer zu verstehen, könnten wir uns ein übersichtliches Beispiel vorstellen, zum Beispiel ein Dorf mit hundert Einwohnern. Einige Menschen wissen vielleicht nicht, dass es so kleine und doch selbständige Dörfer gibt, da sie in Gegenden wohnen, wo kleinere Dörfer ihre Selbständigkeit verloren haben und von einem Bürgermeister aus einem größeren Dorf im Rahmen einer Gesamtgemeinde regiert werden. In vielen Staaten und auch in einigen deutschen Bundesländern ist das die Regel. In Brasilien werden sogar mitunter zwei oder drei kleine Städte unter einem Bürgermeister (oder sollte man besser „Landrat“ sübersetzen?) zusammengefasst.
Das kleinste deutsche Dorf liegt auf einer Hallig und hat sieben Einwohner. Die Menschen regieren sich selbst und können selbst darüber abstimmen, wenn sie irgendetwas verändern wollen, zum Beispiel, ob sie in der Weihnachtszeit einen Weihnachtsbaum auf der Hallig aufstellen wollen, wo er stehen soll, wie lange er stehen soll, von wann bis wann er stehen soll, wieviel er kosten soll usw. Wäre es nicht im Grunde absurd, wenn so etwas andere Menschen in einer Stadt auf dem Festland für die Halligbewohner entscheiden würden?
Nehmen wir an, alle Bewohner wären Buddhisten oder Moslems, aber der Bürgermeister in der Stadt schreibt ihnen vor, dass sie im Zentrum der Insel einen Weihnachtsbaum aufstellen müssen.
Oder umgekehrt, alle sind Christen, aber der Bürgermeister in der Stadt ist der Meinung, dass man keine Kreuze und Weihnachtsbäume öffentlich aufstellen solle, da islamische und atheistische Mitbürger sich in ihrer Gemütsruhe gestört fühlen könnten.
In Schleswig-Holstein ist es übrigens zum Beispiel so, dass Dörfer unter 100 Einwohnern zwar einen Bürgermeister, aber keine Gemeindevertreter haben, sondern alle Belange in Vollversammlung entscheiden. Also eigentlich eine perfekte Demokratie.
Also, da wir nun wissen, dass es Dörfer mit hundert Einwohnern gibt, stellen wir uns einmal eines vor. Es liegt abgelegen, vielleicht sogar auf einer Insel vor Schleswig-Holstein.
Einige Einwohner sind Landwirte, andere arbeiten auswärts, andere sind bei Staat oder Kirche angestellt oder arbeiten als Fischer, manche sind Rentner. Manche haben kein eigenes Land oder kein eigenes Fischerboot, und erhalten als Helfer in der Landwirtschaft oder auf einem Fischerboot nur einen geringen Lohn.
Insgesamt sieht die gerundete Einkommensverteilung so aus: 10 Einwohner verdienen rund 1000 Euro, 10 rund 1500, 20 rund 2000, 30 rund 3000, 20 rund 4000, 10 rund 5000.
Das durchschnittliche Monatseinkommen beträgt also 2850 Euro. 60% davon sind 1710 Euro. Also verdienen 20 Einwohner weniger als 1710 und müssen als arm gelten.
Als das bekannt wird, macht der örtliche Pastor eine Kampagne in der Presse zur Bekämpfung der Armut und das Problem erscheint in den Medien. Die Menschen, die plötzlich als arm bezeichnet werden, hatten zuvor vielleicht nicht einmal den Eindruck, dass sie arm seien, nun aber wird ihnen erklärt, dass sie arm sind, und wenn sie darüber nachdenken, fällt ihnen auf, dass sie tatsächlich manche Dinge nicht besitzen, die andere haben. Manche von ihnen sind auch Rentner und besitzen bereits alles, was man sich vorstellen kann, was sie sich im Laufe des Lebens angeschafft haben, oder haben sogar beachtliche Ersparnisse, aber der Besitz geht ja nicht mit in die Rechnung ein und daher gelten sie weiterhin als arm.
Immer mehr Zeitungen schreiben über die Armut in dem Dorf und veröffentlichen Apelle des Pastors und nun auch des Bürgermeisters an die Bundes- und Landesregierung, aber die Regierungen verweisen auf die allgemeinen Maßnahmen, die es bereits gibt und sagen, für die Menschen in diesem Dorf könnten keine anderen Regeln gelten als für den Rest des Landes.
Da hört der reichste Mann Deutschlands von dem Dorf und seinen Problemen, und er beschließt, zu helfen. Er ruft den Pastor an und verspricht, dass er allen denjenigen, die arm seien, das Einkommen verdoppeln wolle. Die unteren zehn Prozent erhielten damit statt 1000 nunmehr 2000 Euro, die nächsten statt 1500 nunmehr 3000 Euro.
Euphorisch ruft der Pastor sogleich den Bürgermeister an und teilt ihm mit, dass das Problem Armut besiegt sei. Der Bürgermeister veröffentlicht das sogleich, aber der Oppositionsführer im Dorf verdirbt die Freude und attackiert den Bürgermeister. Der Oppositionsführer gehört nämlich zu denjenigen, die 2000 Euro verdienen, und er wird in Zukunft zu den Ärmsten gehören. Andere, die vorher weniger hatten, würden durch die Spenden mehr als er und andere seiner Einkommensklasse haben. Die 20 Bürger, die bereits zuvor 2000 Euro verdient hatten, machen zusammen mit einigen Sympathisanten so viel Druck, dass der Bürgermeister um ein Gespräch mit dem Spender bittet.
Als der spendable Milliardär von den Schwierigkeiten in dem Dorf hört, ärgert er sich zwar, aber er will seine Spenden nicht widerrufen, zumal er in allen Zeitungen gelobt und bereits fürs Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen wurde. Daher entschließt er sich spontan: „Damit niemand unzufrieden sein muss, werde ich die Einkommen derjenigen, die 2000 Euro verdienen, auch verdoppeln.“
Der Bürgermeister bedankt sich, gibt aber zu bedenken: „Ich fürchte, dass dann diejenigen, die jetzt 3000 Euro verdienen, protestieren werden, denn sie wären dann in Zukunft schlechter gestellt, als diejenigen, die jetzt 2000 Euro verdienen, denn diese werden ja in Zukunft 4000 Euro haben.“
Daraufhin seufzt der Milliardär: „Ich sehe schon, wenn ich Ihnen etwas Gutes tun will, muss ich die Einkommen aller Ihrer Einwohner verdoppeln. Was soll´s, ich habe genug Geld, ich werde es so machen, alle werden das Doppelte erhalten.“
Die Freude im Dorf ist riesig. Der einzige Anhänger der Linken im Dorf versucht jedoch, die Augen der Mitbürger zu öffnen, dass es sich ja nur um eine Augenwischerei eines Kapitalisten handelt,