Die erfundene Armut. Alex Bergstedt

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Die erfundene Armut - Alex Bergstedt

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also auf Versicherungen verzichten. Da sie einen ruhigen Vorruhestand lebt, ist es unwahrscheinlich, dass sie einmal eine Haftpflichtversicherung braucht. Noch weniger Unfallversicherung oder Hausratversicherung, zumal wenn sie keinen wertvollen Hausrat besitzt. In Deutschland kann gebrauchter Hausrat ohnehin sehr leicht umsonst oder fast umsonst beschafft werden, wohltätige Organisationen und Kirchen haben Lager mit hochwertigen gebrauchten Möbeln aus Spenden, und viele Leute stellen bei Wohnungsauflösungen alles an den Straßenrand oder erlauben, dass man sich holt, was man braucht.

      In so ruhigen abgelegenen Gegenden kann man nicht nur die schöne Natur jederzeit kostenlos genießen, sondern man wird auch kulinarisch besser versorgt als etwa in einer Großstadt. Überall finden sich Obstbäume, die niemand aberntet, Brombeeren, Himbeeren, Pilze, ganz zu schweigen von Wildkräutern wie wildem Knoblauch oder zahlreichen Pflanzen, um Salate zu machen. Für einen symbolischen Beitrag wie zum Beispiel 50 Euro im Jahr könnte Gerda auch einen Kleingarten mieten und selbst anbauen.

      Sie könnte also das ruhige Leben eines Müßiggängers führen, etwa im vergleichbaren Niveau wie ein alter Graf im Mittelalter. Jeden Tag könnte sie einen herrlichen Spaziergang oder eine Radtour machen oder schwimmen oder am Strand bleiben, Bücher lesen, fernsehen, am örtlichen kulturellen Leben in Kirche o.a. teilnehmen, ein Buch schreiben, musizieren oder sonst etwas machen.

      Wenn sie wollte, könnte sie aber auch etwas unternehmen, um gelegentlich eine besondere Ausgabe tätigen zu können. Da sie immer zur Verfügung stünde, könnte sie einen Nebenjob suchen oder zumindest saisonal arbeiten. In strukturschwachen Gegenden wohnen wenig Leute, aber wenn zum Beispiel Touristen kommen, werden plötzlich Arbeitskräfte gesucht, zum Beispiel als Fremdenführer, und sei es als gelegentlicher Springer, wenn andere krank sind. So ein gelegentlicher Arbeitseinsatz sollte eigentlich eine willkommene Abwechselung sein, auch lernt man dadurch neue Leute kennen. Von Arbeitsbelastung kann also eigentlich nicht die Rede sein.

      Wer Ausländer ist und für einige Jahre in Deutschland lebt und arbeitet, ist in einer ähnlichen Situation. Er versucht oft, möglichst so gut wie gar kein Geld auszugeben und alle Einnahmen zu sparen oder an seine Familie im Ausland zu schicken. Oft mietet er keine Wohnung, sondern wohnt bei anderen umsonst oder für einen geringen Mietanteil. Ansonsten kauft er nur sein Essen, so dass er oft mit monatlich 300 Euro oder weniger auskommen und über 1000 Euro an seine Familie schicken kann.

      Lieber ein Reicher unter Armen sein als ein Armer unter Reichen?

      Die modernen Definitionen der Armut suggerieren, dass ein Mensch, der 2000 Euro verdient, als arm anzusehen ist, wenn er in Monaco wohnt, aber als reich, wenn er in einer armen Gegend wohnt wie zum Beispiel in Afrika. Aber ist das eigentlich richtig?

      Gefühlt ist ein Mensch, der 2000 oder gar 3000 Euro verdient, sicherlich arm, wenn er in Monaco wohnt, denn er sieht seine Nachbarn mit Luxusautos fahren, während er vielleicht auf die Busse angewiesen ist. Die Nachbarn tragen Uhren für mehrere Tausend Euro, ihre Frauen tragen edlen Schmuck und besuchen Schönheitsstudios. Alles das erregt den Neid vieler Durchschnittsbürger, so dass sie sich arm fühlen.

      Ein selbstbewusst und selbstbestimmt lebender Mensch, der traditionelle Werte achtet und nicht dem Besitz protziger Uhren, Autos und anderem „nutzlosem Tand“, wie man sagt, hinterherjagt, würde dagegen keinen Neid kennen und genauso vergnügt in Monaco leben wie etwa im Emsland oder gar in Russland.

      Im Gegenteil. Reiche Nachbarn zu haben, hat doch eigentlich nur Vorteile! Wer mit 2000 Euro Monatseinkommen in Monaco lebt, könnte vieles abstauben. Seine Nachbarn würden sich alles ständig neu kaufen und ihre hochwertigen Fernseher, Handys, E-Bikes, Kleidung oder Möbel vom Vorjahr verschenken oder auf die Straße stellen. Wenn fast alle reich sind, wird kaum einer Interesse an diesen gebrauchten Dingen haben, und jemand, der mit 2000 Euro auskommen müsste, könnte unter den besten Sachen auswählen.

      Da dort auch die Regierung, die Kirchen und Vereine wohlhabend sind, bieten sie vieles umsonst an und auch eine nicht reiche Person kann so zumindest an einem Teil des kulturellen Lebens teilnehmen.

      Ganz anders in Russland oder anderen ärmeren Gegenden. Wenn überhaupt einmal jemand etwas weggibt, interessieren sich gleich sehr viele Menschen dafür, so dass der Einzelne kaum einmal das Glück hat, hochwertige neuere Produkte umsonst zu ergattern. Und wenn im Herbst das Obst reift, machen sich Tausende auf, um etwas zu ergattern. Selbst für gebrauchte Kleidung müsste man wegen der hohen Nachfrage relativ viel bezahlen.

      Durch seinen Beruf oder auch Teilnahme am gesellschaftlichen Leben lernt eine Person in Monaco oder einer anderen reichen Gegend schnell reiche Leute kennen, was natürlich zahlreiche Vorteile haben kann, denn einige reiche Leute sind spendabel und lassen andere, weniger wohlhabendere Menschen gerne an ihrem Reichtum teilhaben, geben Trinkgelder, gute Empfehlungen usw. Wird so ein Mensch etwa nach einem Gottesdienst, Konzert oder Sport zum Abendessen in ein Restaurant eingeladen, bezahlen oft reiche Leute für ihn mit. Lebte er hingegen in Russland oder Indien, würden die viel ärmeren Freunde umgekehrt erwarten, dass er sie freihält. Ich selbst habe auch in unterschiedlichsten Gegenden gelebt und genau dieses Phänomen in beiderlei Formen häufig erfahren.

      Darüber hinaus gibt es noch einige andere Nachteile, wenn man arme Nachbarn hat. Ich wohnte oft in Mehrfamilienhäusern. Wenn ich viele arbeitslose Nachbarn oder Sozialhilfeempfänger hatte, wurde das Leben teurer für mich. Denn solche Leute bekommen die Heizkosten vom Amt bezahlt und brauchen daher nicht an der Heizung zu sparen. Ich selbst spare natürlich, schon aus umweltpolitischen Gründen und heize meine Wohnung so wie in den 70ger Jahren empfohlen nur auf 18 Grad und nicht auf 23 oder 25 Grad, wie viele Menschen es heutzutage machen. Aber die Heizungsumlage hängt nicht nur vom eigenen Verbrauch ab, sondern meistens wird ein Teil, oft sogar die Hälfte, nach dem Gesamtverbrauch des Hauses berechnet, da ein sparsamer Mieter ja von der Wärme seiner Nachbarn mitprofitiert, die durch die Wände zu ihm dringt. So wurde ich an den hohen Heizungskosten der arbeitslosen Nachbarn beteiligt.

      Kommt natürlich noch hinzu, dass die Arbeitslosen viel zu Hause sind, vor dem Fernseher sitzen und frieren, während arbeitende Menschen die wenigen Stunden daheim oft in Bewegung sind, wenn sie kochen, sauber machen und andere Dinge erledigen. Während ich ohnehin nur heize, wenn ich zu Hause bin, läuft bei vielen die Heizung den ganzen Tag, wobei die Fenster oft dauerhaft gekippt sind, besonders, wenn dort Raucher wohnen.

      Ein Nachbar lässt sein Küchenfenster sogar gekippt, wenn er in den Winterurlaub fährt, so dass die Heizung kräftig weiterheizt und zwar nicht sein, aber dafür mein Geld und natürlich das anderer Nachbarn und des Arbeitsamtes verbraucht. (Pech war noch dazu, dass die Wärme der Nachbarwohnungen weniger meinem Wohnzimmer zugutekam, sondern vor allem meiner Küche und meinem Schlafzimmer. Diese beiden Räume hätte ich aber gerne kühl, um mit offenem Fenster zu schlafen und damit sich Lebensmittel in der Küche länger halten.)

      Gefühlte Armut

      Wer sich arm fühlt, obwohl sein Einkommen eigentlich gar nicht so gering ist, er aber in einer Gegend wohnt, in der er von noch reicheren Menschen umgeben ist, ist oft ein Opfer von Neid und anderen Gefühlen, die die Freude am Leben verderben können.

      Wie sehr die Gefühle die objektiven Tatsachen verändern können, hat bereits die Geschichte von dem Hotelier gezeigt, der auf einer kleinen Insel ein Hotel baute und damit scheinbar alle anderen bitterarm machte. Wie wichtig die Gefühle dabei sind, auch unabhängig von den verzerrenden Eigentümlichkeiten von Statistiken, zeigt folgende Geschichte:

      In einer Ortschaft lebten zwei kleine Handwerker, ein Maurer und ein Zimmermann. Beide besaßen ein kleines Häuschen, dessen Raten sie mühselig abstotterten.

      Eines Tages

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