Die erfundene Armut. Alex Bergstedt
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Zum Brot sollte auch Aufschnitt gehören, man bräuchte also einen Topf Margarine oder Butter sowie Aufschnitt. Das Billigste wären drei Packungen Frischkäse. Wir lägen jetzt schon bei 40 Euro, hätten also noch 10 Euro für Gemüse oder mal eine Abwechselung wie Fleisch, Honig, Fisch usw.
Wer lieber warmes Essen möchte, kann natürlich auch Kartoffeln, Nudeln oder Reis kaufen, aber dafür würde er weniger Brot und Haferflocken brauchen.
Die aufgelisteten Nahrungsmittel reichen für 3000 Kilokalorien pro Tag, viele Menschen brauchen sogar weitaus weniger.
Natürlich kann man sagen, dass ein Deutscher sich nicht so spartanisch ernähren muss. Zum Beispiel geht mein Beispiel davon aus, dass man Wasser trinkt, so dass keine Getränke gekauft werden müssen. In Deutschland hat das Leitungswasser in der Tat fast überall eine Qualität, die gleich oder höher als die von gekauften Mineralwassern ist, so dass der Kauf von Mineralwasser eigentlich Verschwendung ist, und natürlich erst Recht der Kauf von ungesunden Zuckerwassern wie Cola, Energiedrinks, sogenannten Fruchtsaftgetränken und anderen schädlichen Getränken. Aber vielleicht sollte auch ein armer Mensch gelegentlich mal eine Flasche Saft (oder wenn er es eben anders liebt, meinetwegen auch Cola oder Bier) trinken dürfen, oder wäre das schon ein Zeichen dafür, dass er eigentlich gar nicht arm ist und sein Geld für Überflüssiges ausgibt?
Das ist sicherlich Ansichtssache. Man sollte aber sicherlich nicht auf den 50 Euro beharren. Legen wir doch noch einen Hunderter drauf, dann kann die Person davon kaufen, was sie eben möchte. Zum Beispiel auch Tee oder Kaffee oder Zutaten, um gekochte Gerichte geschmacklich mit Soßen und Beilagen zu verfeinern. Damit wären wir bei 150 Euro.
Dazu kämen die Wohnungskosten. Im ungünstigsten Fall wohnt unser Beispiel alleine, also nicht mit einem Freund oder Lebenspartner. Dann muss er je nach Region in Deutschland 200 bis 1000 Euro Miete bezahlen. Aus einer so großen Spanne kann man unmöglich eine Regel ableiten, aber nehmen wir einmal der Einfachheit halber 700 Euro an.
Je nach familiärer oder beruflicher Situation wird er zudem Versicherungen brauchen; auch hier kann man kaum einen Wert schätzen, sagen wir also 100 Euro.
Eine Person, die so am unteren Rand der deutschen Einkommen lebt, hat sicherlich keinen oder zumindest keinen aufwendigen Beruf, der ein eigenes Auto erfordert; sofern die Person arbeitet, fallen aber mehr Fahrtkosten an als etwa bei einem Rentner, der lediglich für Arztfahrten, Besorgungen oder Besuche Transportmittel nutzt. Nicht immer kann man ja kostengünstig mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen. Rechnen wir vorsichtshalber 100 Euro für Fahrten ein.
Gerade bei Rentnern muss natürlich auch mit Kosten für Medikamente gerechnet werden. Es gibt natürlich Regeln, nach denen Personen mit geringem Einkommen nicht zuzahlen brauchen, aber auch das klappt nur ab einer gewissen Menge und auch dann nicht immer, zum Beispiel, wenn die Person ihr Einkommen nicht nachweisen kann. Auch die Befreiung von der Rundfunkgebühr ist nicht immer möglich, zum Beispiel dann nicht, wenn keine Sozialleistungen gewährt oder beantragt worden sind.
Unter Umständen wird so eine Person auch eigenes Internet brauchen. Oft kommt man mit einem Handy aus, für das monatlich ab 8 Euro Verträge mit Internet inclusive angeboten werden, außerdem gibt es fast in allen Städten und größeren Orten Stellen, an denen man kostenloses Internet nutzen kann, aber wer einen Laptop oder Computer ans Internet anschließen muss, weil er beruflich oder ehrenamtlich damit arbeitet oder nur so privaten oder behördlichen Verpflichtungen nachkommen kann, muss mindestens 20 Euro im Monat berechnen, wobei oft noch zusätzlich ein Vertrag für das Handy abgeschlossen werden muss. Billiger wird es nur, wenn er sich das Internet mit Nachbarn teilen kann.
Rechnen wir also noch einmal für alle diese eventuell anfallenden Kosten ganz pauschal weitere 100 Euro ein.
Wir liegen somit bei 1150 Euro, und somit tatsächlich bereits über der weiter oben benannten Armutsgrenze von 1054 Euro. Wer also eine relativ hohe Miete von 700 Euro zahlen muss (wobei in manchen Gegenden nur wenige Wohnungen billiger sind und nicht jeder nur wegen der Miete seinen Wohnsitz ändern kann) und noch andere Nebenkosten hat, kommt mit 1150 Euro tatsächlich nur gerade so über die Runden, es bleibt kein Geld für Vergnügungen wie etwa Restaurant, Theater, Konzerte, Netflix, Bier, Zigaretten usw., oder es muss regelrecht „vom Munde abgespart“ werden.
Wer unabhängig von gesellschaftlichen, familiären oder sonstigen Verpflichtungen ist, hat natürlich mehr Möglichkeiten, sich einen finanziellen Spielraum zu verschaffen. Hierzu ein Beispiel:
Gerda hat mit ihrem Mann im Ausland gelebt und nicht gearbeitet. Als sie 55 ist, stirbt er. Sie beschließt, nach Deutschland zurückzukehren, um Sozialhilfe zu beantragen.
Da Gerda aber noch ein Sparkonto mit Hunderttausend Euro besitzt, erhält sie keine Sozialhilfe. Wenn sie 67 ist, erhielte sie eine kleine Rente, die dann auf Antrag gegebenenfalls von der Sozialhilfe aufgestockt würde. Da ihr Mann hauptsächlich im Ausland gearbeitet hat und dort nichts in die deutsche Rentenkasse eingezahlt wurde, erhält sie an Witwenrente nur 300 Euro.
Die 100.000 Euro bringen an Zinsen oder Kapitalerträgen nur 1 bis 3 Prozent im Jahr, also im Schnitt ganz grob weitere 200 im Monat. Wenn sie die Ersparnisse allmählich aufbrauchen wollte, würde sie monatlich weitere 200 Euro entnehmen können und würde auch bei durch die Kapitalentnahme schwindenden Zinseinnahmen und ggf. allmählich höheren Bedarf durch die Inflation noch etwa 25 bis 30 Jahre insgesamt 400 Euro zusätzlich zu ihrer Witwenrente ausgeben können.
Da sie aus den zurückliegenden Jahrzehnten keine Berufserfahrungen hat, kann sie sich höchstens für einen Nebenjob bewerben, aber dazu müsste sie in eine Gegend ziehen, in der Arbeitskräfte gesucht werden. Dann hätte sie aber höhere Mieten zu zahlen, Fahrtkosten und andere Nebenkosten. Daher beschließt sie, sich stattdessen in einer schönen aber wirtschaftlich unterentwickelten Gegend wie z.B. dem Emsland, Nordwestniedersachsen oder einige Gebiete in Ostdeutschland niederzulassen, wo sie für 300 Euro bereits eine schöne Wohnung mieten kann, mit Glück sogar noch billiger.
Dann hätte sie noch 400 Euro übrig, also fast ebenso viel, wie ein Sozialhilfeempfänger, aber da sie in einer schönen Umgebung wohnt, entfallen viele Kosten, mit denen sich etwa ein Sozialhilfeempfänger in einer Großstadt plagen muss. So könnte sie also durchaus mit 700 Euro über die Runden kommen, vielleicht sogar mit weniger?
Das absolute Minimum zum Überleben
Vielleicht hat Gerda den Ehrgeiz, ihre Ersparnisse nicht anzutasten und nur von den Zinsen zu leben, da sie damit rechnet, sehr alt zu werden oder das Geld vererben möchte. Dann hätte sie nur 500 Euro zur Verfügung, wobei die Witwenrente wohl ab und zu inflationsbedingt angepasst (also erhöht) werden dürfte, nicht aber der Kapitalertrag. Dieser kann zwar auch bei höherer Inflation zu höheren Zinsen und Einnahmen führen, aber das ist nicht immer so.
Wenn Gerda bei den Wohnungskosten sparen wollte, müsste sie in eine WG ziehen, mit einem Partner zusammenziehen, eine kostenlose Hausmeisterwohnung oder etwas Ähnliches suchen, aber das ist nicht immer möglich, und da Gerda eher konservativ ist, wollen wir sie nicht in eine alternative