Magisches Kompendium - Runen und Runenmagie. Frater LYSIR
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Ja, es ist schon nicht einfach. Es wäre auch viel einfacher, wenn man einfach sagen könnte: „Die Runen wurden gechannelt! Ende! Ist so, wie es ist!“ Man könnte Odin / Wotan dies zu schreiben und alles wäre schön. Doch leider ist es nicht so einfach, auch wenn man im magischen Kontext bestimmt so was machen kann. Da es aber bei Alphabeten, Reihen und Zeichen auch immer darum geht, wie diese verwendet wurden, speziell in der Sprache, was wiederum zu einer gewissen Phonetik führt, muss man eben auch berücksichtigen, dass die Individualität der jeweiligen Thesen nicht ganz unter den Tisch fallen dürfen. Vielleicht ist es auch ein Mix aus allem, wobei dieser Mix dazu führen würde, dass erneut das phönizische Alphabet federführend ist. Dass sich hierbei aber die Sprache, der Ausdruck, die Phonetik und auch das Gedankengut Stück für Stück verändert haben, dürfte klar sein. Es ist nicht wissenschaftlich geklärt, warum der Futhark so konzipiert ist, wie er konzipiert ist. Ist es ein Alphabet? Ist es eine Reihe? Was ist es? In diesem Chaos gibt es eben auch Funde, die sich deutlich auf den Zeitraum beziehen, der vor dem Jahr 200 existierte. Will man dann etwa von so etwas wie „Protorunen“ sprechen, also Runen, die eigentlich vor den wesenhaften Runen waren? Dann würde es ja noch komplizierter werden! Natürlich versucht man auch immer wieder, dass man Informationen aus anderen Epochen nimmt, wobei man dann wieder bei den Geschichtsschreibern des Römischen Reiches ist. Primär ist hier der Historiker und Senator Tacitus zu nennen. Dieser lebte in etwa in der Zeit von 58-120. Über sein Leben existieren viele verstreute Zeugnisse, und er hat sehr viel für die Nachwelt festgehalten. Unter anderem auch über den Bereich, den die Römer Germanien nannten. In seinem Werk „Germania“ findet man im Kapitel 10 Folgendes:
Auspicia sortesque ut qui maxime observant. Sortium consuetudo simplex: virgam frugiferä arbori decisam in surculos amputant, eosque notis quibusdam discretos super candidam vestem temere ac fortuito spargunt; mox, si publice consuletur, sacerdos civitatis, sin privatim, ipse pater familiä, precatus deos cälumque suspiciens, ter singulos tollit, sublatos secundum impressam ante notam interpretatur; si prohibuerunt, nulla de eadem re in eundem diem consultatio; sin permissum, auspiciorum adhuc fides exigitur. Et illud quidem etiam hic noturm avium voces volatusque interrogare; proprium gentis equorum quoque präsagia ac monitus experiri. Publice aluntur isdem nemoribus ac lucis candidi ac nullo mortali opere contacti; quos pressos sacro curru sacerdos ac rex vel princeps civitatis comitantur, hinnitusque ac fremitus observant; nec ulli auspicio maior fides, non solum apud plebem, sed apud proceres, apud sacerdotes; se enim ministros deorum, illos conscios putant. Est et alia observatio auspiciorum, qua gravium bellorum eventus explorant; eius gentis, cum qua bellum est, captivum quoquo modo interceptum cum electo popularium suorum, patriis quemque armis, committunt; victoria huius vel illius pro präiudicio accipitur.
Wenn man sich den Text übersetzt (hier gibt es teilweise Unterschiede, sodass ich lieber eine eigene, zum Teil sinngemäße, Übersetzung erstelle) liest man:
Wünschelruten und Orakel spielen bei den Germanen eine tragende Rolle: Das Verfahren eines Losorakels ist einfach (Einschub: Ein Losorakel ist einfach eine einfache Divinationsmethode, bei der man klassische Ja-Nein-Fragen stellen kann. Hierzu werden einfach Lose gezogen, die selbst eine Zuweisung zu entsprechenden Antworten haben, die natürlich voll festgelegt sind. Hierdurch erhält man eine sehr geringe divinatorische Breite, die aber für Ja-Nein-Fragen sinnig ist.) Eine Rute von einem Früchte tragenden Baum wird abgeschnitten, und wird in Stäbchen, durch gewisse Zeichen unterschieden, auf ein weißes Tuch geworfen, blindlings und zufällig. Der Priester betet, sodass sich öffentlich beratschlagt wird, und die Gemeinde mit involviert ist. Wenn der Priester es für sich alleine macht, und selbst zu den Göttern spricht, als Hausvater, dann werden je drei einzelne Stäbchen aufgenommen und deutet, diese werden aufgehoben und auf ein späteres Zeichen gedeutet. Wenn es zu keiner klaren Antwort kommt, wird am gleichen Tag nicht mehr gefragt (um die Götter nicht zu beleidigen). Wenn jedoch eine Antwort kommt, wenn etwas gestattet wurde, wird noch ein Zuspruch der Auspizien (eine divinatorische Methode, die sich darauf bezieht, wie die Stimmen und der Flug der Vögel zu deuten sind) gefordert. Es ist bekannt, dass der Flug und die Stimmen der Vögel zu befragen sind, auch wenn es eigentümlich für das Volk ist, wenn sein Glück auch mit Weissagungen und Mahnungen von Pferden versucht. So werden die Pferde gehalten, auf Kosten der Gemeinschaft. Es sind schneeweiße Rosse, die keinen Dienst erfüllen müssen, da sie nur zu magischen Zwecken gehalten werden. Beschirrt werden sie am heiligen Wagen und begleiten den Priester oder Könige oder die Obersten der Gemeinde. Es wird das Wiehern und das Schnauben beobachtet, und dieses wird gedeutet, von den Priestern, den Diener der Götter. Doch es gibt auch noch andere Beobachtungen von Vorzeichen, mit denen der Ausgang schwerwiegender Kriege erkannt werden kann. Sodass ein Gefangener vom Feind, gegen einen der ihren mit heimischen Waffen kämpfen muss, und der Sieg des einen oder anderen gilt als Vorentscheidung.
Gut, wenn man jetzt diesen Text liest, sucht man verzweifelt nach irgendwelchen Angaben, die sich auf die Runen oder auf den Futhark beziehen. Es geht ja auch viel mehr darum, dass die Germanen, wie Tacitus die jeweiligen Volksstämme einfach zusammenfassend genannt hat, sehr gerne divinatorisch gearbeitet haben, um irgendein Orakel zu verwenden. In diesem Kontext kann man natürlich auch sagen, dass divinatorischen Methoden mit der Zeit immer mehr und immer mehr verfeinert werden, da man – aus der Praxis für die Praxis – erkennt wie gut und sinnig bzw. wie schlecht und unpassend einige Methoden sind.
Doch auch eine Veränderung der Methoden, bedarf der Zeit. Man wird nicht einfach hingehen können und sagen, dass man die heiligen Pferde doch einfach mal in Ruhe lassen soll, und dass man hierfür diese tollen Runen, die man mal eben von den Göttern erhalten hat, zu Divination verwenden kann. Wobei auch dies eine klassische, einfache und irgendwie auch lustige Erklärung wäre. Doch eine solche Erklärung wäre überhaupt nicht so weit hergeholt, denn auch wenn die Runenfunde sich auf eine Zeit zwischen 200 und 1400 beziehen, kann man eigentlich davon ausgehen, dass schon weit vorher mit entsprechenden divinatorischen Möglichkeiten, Zeichen und Symbolen gearbeitet wurde. Dass es aber aus diesem Bereich kaum Funde gibt, wird in Kreisen der Runologen gerne damit argumentiert, dass die Runen Schrift einfach auf Holz geschrieben wurde, und diese verrottet