Vier Jahre für Lincoln. Stillwell Leander

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Vier Jahre für Lincoln - Stillwell Leander Zeitzeugen des Sezessionskrieges

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er wieder reisefähig war, wurde er auf Genesungsurlaub nach Hause geschickt und ich traf ihn kurz nach seiner Ankunft im Hause seines Vaters, wo sich die Gemeinde versammelt hatte, um einer Predigt aus der Heiligen Schrift durch den ehrenwerten Harrison Rowden beizuwohnen. (Wir verfügten damals über kein eigenes Kirchengebäude und so wurde der Gottesdienst in Wohnhäusern abgehalten.) Harveys Genesung schritt rasch voran, aber sein versehrtes Bein war noch immer mit Verbänden umwickelt und er humpelte auf Krücken umher. Ich entsinne mich noch genau, wie wir Jungen in seiner Nähe standen und ihn mit unverhohlener Bewunderung anstarrten. Er musste uns die Geschichte von der Schlacht und den näheren Umständen seiner Beinverwundung wieder und wieder erzählen, bis er es wahrscheinlich gründlich leid war, aber zumindest ich konnte Harveys Geschichte nicht oft genug hören und irgendwie pflanzte sie mir den Gedanken ein, das einzige erstrebenswerte Leben sei das eines Soldaten zu Kriegszeiten. Die Vorstellung, zuhause zu bleiben und sinnlos den Ackerboden unserer Farm zu pflügen, während die Kanonen in einer solchen Nähe donnerten, dass die alten Männer behaupteten, sie könnten manchmal das Schießpulver riechen, wenn der Wind aus südlicher Richtung wehte! Es erschien mir einfach unerträglich.

      Während du diese Erinnerungen eines alten Mannes liest, bedenke stets, dass ich lediglich versuche, dir eine Vorstellung von den Gedanken, Gefühlen, Hoffnungen und Ambitionen eines zu der damaligen Zeit gerade einmal 18 Jahre alten Jungen zu vermitteln.

      In der Zwischenzeit half ich meinem Vater bei der Bewältigung der herbstlichen Farmarbeiten. Bald waren der Weizen ausgesät, der Mais eingebracht und ein immenser Vorrat an Feuerholz für den Winter geschlagen, zur Farm geschleppt und beim Wohnhaus aufgestapelt. Die Feiertage standen bevor und diese wollte ich noch zuhause verbringen, da ich dachte, dass es ja wohl meine letzten sein mochten. Zudem war das Regiment noch immer damit zugange, neue Rekruten aufzunehmen und Drillübungen in Camp Carrollton abzuhalten und so sah ich keinen Anlass zu übertriebener Eile. Die Weihnachtsfeiertage gingen vorüber und das neue Jahr brach an und eines Abends sagte ich zu meinen Eltern, ich wolle am nächsten Tag nach Carrollton gehen und würde "vielleicht" als Soldat zurückkehren. Am folgenden Tage, Montag, dem 6. Januar 1862, sattelte und zäumte ich in der Frühe Bill, das kleine, schwarze Maultier und machte mich auf den Weg. Carrollton lag etwa 30 Kilometer nördlich unseres Heims und die Straße verlief größtenteils durch dichte Wälder mit gelegentlichen Farmen zur Linken und Rechten. Wahrscheinlich sind diese Wälder inzwischen gänzlich verschwunden. Ich erreichte das Lager am Nachmittag und begab mich zu den Quartieren von Reddishs Kompanie. Dort traf ich auf Enoch Wallace, dem ich mitteilte, dass ich gekommen sei, um mich einzuschreiben. Er brachte mich zu Captain Reddish, machte uns mit einigen knappen Worten miteinander bekannt und nannte ihm mein Ansinnen. Der alte Captain begrüßte mich herzlich und in Sprache und Gebaren war er so bodenständig, liebenswert und aufrichtig, dass ich ihn vom ersten Augenblick an mochte. Er erklärte mir, der erste notwendige Schritt sei eine Untersuchung durch den Regimentsarzt, um meine körperliche Tauglichkeit festzustellen, also begaben wir uns sogleich zum Sanitätszelt. Ich hatte zuvor bereits alle möglichen Geschichten über die Gründlichkeit dieser Untersuchung gehört, in der sich die angehenden Rekruten angeblich manchmal splitterfasernackt ausziehen und herumhüpfen mussten, um den tadellosen Zustand ihrer Gliedmaßen zu zeigen. In dieser Hinsicht wurde ich jedoch angenehm enttäuscht. Der damalige Arzt war ein fettleibiger, vergnügter alter Doktor namens Leonidas Clemmons. Als der Captain mich ihm vorstellte und meine Untersuchung anordnete, war ich schier panisch vor Angst. Der gute alte Doktor muss mir meine Furcht wohl angesehen haben und er begann herzlich zu lachen und machte einige wohlwollende Bemerkungen über meine äußere Erscheinung. Er bat mich, mich gerade hinzustellen, gab meinem Brustkorb einige leichte Stupser, drehte mich um und betastete meine Schultern, meinen Rücken und meine Gliedmaßen, wobei er die ganze Zeit über lachte und auf mich einredete. Schließlich drehte er mich wieder mit dem Gesicht nach vorne und gab folgendes Urteil ab: "Ah, Captain Reddish! Ich wünschte, Sie hätten hundert so prächtige Burschen wie den da! Er ist vollkommen in Ordnung und diensttauglich." Ich war sehr erleichtert und atmete tief durch. Nun suchten wir das Zelt des Adjutanten auf, wo ich irgendetwas unterschrieb und förmlich vereidigt wurde. Als nächstes war das Zelt des Quartiermeisters an der Reihe. Hier erhielt ich meine Uniform. Ich begab mich hinter einen Haufen aufgestapelter Ausrüstungsgegenstände, entledigte mich meiner Zivilkleidung und schlüpfte in meinen Soldatenrock … ich fühlte mich wie der König der Welt! Die Uniform bestand aus einem Paar hellblauer Hosen, einem ähnlich gefärbten Mantel, an dem ein Umhang befestigt war, einer dunkelblauen Jacke, groben Schuhen, wollenen Socken, einer abgrundtief hässlichen, übertrieben kecken, kleinen Kappe im Stile des französischen Heeres, einem grauen Wollhemd sowie herkömmlicher Unterwäsche. Zudem erhielt ich einen Tornister, aber ich glaube, meinen Brotbeutel und meine Feldflasche gab man mir erst später. An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass das Datum meiner Einschreibung in den Regimentspapieren als der 7. Januar angegeben ist, was nicht den Tatsachen entspricht. Es war der 6. Januar. Es war dies ein Tag, an den ich mich noch genauestens erinnere und den ich zeit meines Lebens nicht vergessen werde. Warum die entsprechenden Stellen das falsche Datum eintrugen, vermag ich mir nicht zu erklären, aber es handelt sich ja nur um einen Tag und der Fehler hatte niemals irgendwelche Auswirkungen.

      Es war damals in meinem neuen Regiment Brauch, jedem neuen Rekruten nach seiner Einschreibung einen zweitägigen Urlaub zu gewähren, aber ich zögerte dessen Beantragung bis zum nächsten Morgen hinaus. Ich verbrachte den Nachmittag im Lager und die Nacht in den Quartieren meiner Kompanie. Wie bereits erwähnt befand sich das Lager auf dem Jahrmarktgelände. Dieses umfasste rund 15 Hektar und war an einzelnen Stellen dicht mit großen, einheimischen Bäumen, vorwiegend Weiß-Eichen, Schwarz-Eichen und Schuppenrinden-Hickory, bewachsen. Das Areal war von einer zwei bis zweieinhalb Meter hohen Einfriedung umgeben, welche aus dicken Holzplanken bestand, deren untere Enden man in den Boden gerammt und deren obere Enden man an über Kreuz verlaufenden Stützbalken festgenagelt hatte. Es gab nur eine Öffnung und diese befand sich am Haupttor, ziemlich exakt in der Mitte der Nordseite. Am Tor und entlang der gesamten Innenseite der Umfriedung waren Wachtposten aufgestellt, die dicht am Zaun patrouillierten, um die Männer am Verlassen des Lagers zu hindern. Den einfachen Soldaten war der Ausgang nur gestattet, wenn sie einen von ihrem Captain ausgestellten und von ihrem Colonel unterzeichneten Passierschein vorweisen konnten. Die Drillübungen der Männer wurden hauptsächlich innerhalb des Geländes abgehalten, aber für den Drill in loser Gefechtsordnung verließen wir das Lager, um ausreichend Platz zu haben. Die Quartiere oder Baracken der Soldaten bestanden für jede Kompanie aus einem langen, niedrigen Bau, der aus Holzbrettern grob zusammengezimmert und mit Schindeln und einer Lage Stroh gedeckt war. Darin standen zwei Reihen von Stockbetten. Diese Hütten glichen einem Kansas-Stall vergangener Tage, aber verglichen mit den Bedingungen, unter denen wir später häufig lagern sollten, waren diese Bauten der Inbegriff von Luxus und Komfort. [Anm. d. Übers.: Kansas-Ställe waren einfache, aus gegabelten Pfosten errichtete und mit Laub und Gehölz abgedeckte Unterstände für Vieh.]

      Am nächsten Morgen machte ich mich nach einem zeitigen Frühstück mit meinem zweitägigen Urlaubsschein in der Tasche auf den Weg nach Hause. Dabei begleitete mich John Jobson aus Reddishs Kompanie, der sich im vorigen Monat eingeschrieben hatte. Aus irgendeinem Grunde war ihm ein kurzer Urlaub gewährt worden und er hatte sich für seinen Weg ein Pferd gemietet. Bevor er sich zu den Waffen meldete, hatte er als Knecht bei Sam Dougherty, einem unserer nächsten Nachbarn, gearbeitet, weswegen ich ihn bereits gut kannte. Er war etwa 25 Jahre alt, von englischer Herkunft und ein prächtiger, bodenständiger junger Bursche, der einen guten Soldaten abgab. Ich erinnere mich noch gut an unsere gehobene Stimmung während dieser Heimreise. Wir waren jung, strotzten vor Gesundheit und steckten voller Energie und Tatendrang. Auf der Erde lag tiefer Schnee, aber der Himmel war klar und die Luft war kühl und belebend. Sobald wir eine gerade Wegstrecke erreichten, knöpften wir unsere Mäntel bis auf den obersten Knopf auf und gaben unseren Tieren die Gerte. Während unsere Mantelschöße im Wind flatterten und wir unsere Mützen über den Köpfen umherwirbelten, heulten wir wie die Komantschen und "spielten Kavallerieangriff". Wir müssen damals wohl gedacht haben, wir böten einen furchteinflößenden Anblick.

      Es ist des Menschen Glück, dass ihm der Blick in die Zukunft verwehrt ist. Im Sommer des Jahres 1863, während wir nahe Vicksburg stationiert waren, wurde Jobson

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