Vier Jahre für Lincoln. Stillwell Leander
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Читать онлайн книгу Vier Jahre für Lincoln - Stillwell Leander страница 18
Zuhause kursierten indessen die wildesten Gerüchte über die Schlacht und ihren Ausgang. Ich habe in diesem Moment einen alten Brief vor mir liegen, den mir mein Vater am 19. April als Antwort auf meinen vorangegangenen Brief (von dem ich noch sprechen werde) schickte. Er hatte durch mein Schreiben die ersten verlässlichen Neuigkeiten über unser Regiment und die Jungs aus der Nachbarschaft erhalten und schrieb in seiner Antwort unter anderem: "Hier bei uns ging das Wort um, Frys Regiment sei gänzlich entweder getötet worden oder in Gefangenschaft geraten und habe praktisch aufgehört zu existieren. Außerdem sollte euch Beauregard alle über eine Klippe in den Tennessee River getrieben haben. Auch hieß es, Captain Reddish habe man den Arm abgeschossen, zudem sollten verwundet sein: Enoch Wallace …" Es folgte eine Liste von Namen, die jedoch (ebenso wie Reddish und Wallace) tatsächlich keine Schramme davongetragen hatten. Mein vorheriger, oben genannter, Brief an meinen Vater datierte vom 10. April und erreichte ihn am 18. Er war kurz, nur etwa vier jener kleinen, fleckigen Papierseiten lang, die man damals bei den Marketendern kaufen konnte. Ich kann mich nicht mehr entsinnen, warum ich nicht bereits früher schrieb, aber das hing wohl damit zusammen, dass zuvor kein Postschiff von der Anlegestelle ablegte. Der kleine, alte Wagen, der die Post aus der weiten Welt nach Otter Creek brachte, erreichte das dortige Postamt für gewöhnlich etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang und an jenem Abend, als er meinen Brief beförderte, war das winzige Postamt (das zugleich auch als Kramladen fungierte) mit Leuten vollgestopft, die begierig auf Neuigkeiten von ihren Söhnen oder sonstigen Verwandten im 61st Illinois warteten. Die Verteilung der Post war damals in dieser kleinen Stube eine sehr einfache Prozedur. Der alte Postler, der sich darum kümmerte, rief mit dröhnender Stimme den Namen eines jeden Adressaten aus und wenn dieser anwesend war und "Hier!" rief, wirbelte ein geübter Schwung aus dem Handgelenk den Brief durch das Zimmer in Richtung des Empfängers, der ihn fangen musste. An jenem Tage befand sich jedoch scheinbar kein einziger Brief aus dem Regiment in der Post, bis der Postler schließlich den Namen meines Vaters ausrief: "J. O. Stillwell!" Er rief ihn noch lauter ein zweites Mal, aber es kam noch immer keine Antwort. Hierauf hielt er den Brief auf Armeslänge von sich und unterzog die Adresse einer genauen Prüfung. "Hmm" sagte er schließlich, "Der ist von Jerry Stillwells Jungen vom 61st, also gehe ich mal davon aus, dass er zumindest nicht gefallen ist." Diese Neuigkeit sorgte für aufgeregtes Raunen im Raum und die Leute drängten sich nach vorne, um einen Blick auf die Handschrift auf dem Umschlag zu werfen. "Ja, das ist die Handschrift von Jerrys Jungen, keine Frage" bestätigten mehrere. Hierauf flehten William Noble und Joseph Beeman, zwei alte Freunde meines Vaters, den Postler an, ihnen bitte den Brief auszuhändigen, sie würden ihn sofort zu den Stillwells bringen, ihn sich vorlesen lassen und dann unverzüglich mit den Neuigkeiten zurückkommen. Alle Anwesenden unterstützten diese Idee, also willigte der Postler ein und händigte den Brief aus. Die beiden Herren stürmten nach draußen, banden ihre Pferde los und galoppierten drei Kilometer zur Stillwell Farm, die auf der Südseite des Otter Creek in einer bewaldeten Gegend lag. Als sie sich dem kleinen, alten Blockhaus näherten, sahen sie meinen Vater unweit der Scheune stehen. Der Träger des Briefes schwenkte ihn über dem Kopf und brüllte: "Brief von deinem Jungen, Jerry!" Dies hörte meine Mutter und sie kam zitternd vor Aufregung aus dem Haus gelaufen. Der Brief wurde sogleich geöffnet und gelesen und rasch lösten sich all die fürchterlichen Gerüchte über das angebliche Schicksal von Frys Regiment in Luft auf. Natürlich beinhaltete der Brief auch traurige Neuigkeiten, aber diese verblassten im Vergleich zu den Schauermärchen, welche man sich in der Nachbarschaft erzählt hatte. Dieser alte Brief befindet sich noch immer in meinem Besitz.
Einige Tage nach der Schlacht kamen Gouverneur Richard Yates aus Illinois, Gouverneur Louis P. Harvey aus Wisconsin und viele weitere Zivilisten aus dem Norden angereist, um nach dem Wohlergehen der Verwundeten und Kranken aus ihren jeweiligen Heimatstaaten zu sehen. Die 16th Wisconsin Infantry lagerte direkt neben uns und eines Nachmittags erfuhr ich, dass Gouverneur Harvey beabsichtigte, am Abend nach der Parade eine Rede zu halten. Ich suchte ihr Lager auf, um mir die Sache anzusehen. Das Wisconsin-Regiment nahm keine militärische Formation ein, sondern versammelte sich einfach formlos um den Gouverneur, der mit seinem Pferd unter einer kleinen Baumgruppe stand, um seine Rede aus dem Sattel zu halten. Er trug einen immensen, breitkrempigen Hut, hatte seinen Mantel bis unters Kinn zugeknöpft und seine Hände staken in enormen Wildlederhandschuhen. Er war ein imposant aussehender Mann von stämmiger Gestalt und einem Alter von etwa 42 Jahren. Seine Ansprache war nicht lang, aber patriotisch und wohlformuliert. Ich erinnere mich noch besonders deutlich daran, wie er die Soldaten aus Wisconsin für ihr tapferes Betragen in der Schlacht lobte und beteuerte, dass ihr Staat stolz auf sie sei und er selbst in seiner Eigenschaft als Gouverneur entschlossen sei, für die Dauer seiner Amtszeit nach Kräften für ihr Wohlergehen zu sorgen. Zudem wolle er ihrer auch nach dem Ende seiner politischen Laufbahn stets mit Dankbarkeit und der innigsten Zuneigung gedenken. Sein massiver Leib erbebte unter der Intensität seiner Emotionen, während er sprach und ich hatte den Eindruck, dass seine Worte und Gefühle aufrichtig waren. Zu diesem Zeitpunkt ahnte er ja noch nicht, dass ein tragisches und beklagenswertes Schicksal bereits die Hand nach ihm ausstreckte. Nur wenige Abende später stürzte er beim Überqueren einer Laufplanke zwischen zwei Dampfschiffen bei der Anlegestelle ins Wasser. Die Strömung zog ihn sogleich unter die Schiffe und er ertrank. Einige Tage später fand ein Neger seinen Leichnam, der vom Wasser gegen einige Steine auf unserer Uferseite gepresst wurde und brachte ihn auf seinem alten Karren zu uns. Der Tote wurde anhand einiger Papiere in seinen Taschen und weiterer Indizien zweifelsfrei als Gouverneur Harvey identifiziert. Seine sterblichen Überreste wurden per Schiff zurück nach Wisconsin überführt, wo er ein großes und prächtiges Begräbnis erhielt.
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