Vier Jahre für Lincoln. Stillwell Leander

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Vier Jahre für Lincoln - Stillwell Leander страница 16

Vier Jahre für Lincoln - Stillwell Leander Zeitzeugen des Sezessionskrieges

Скачать книгу

ich mich auch hieran gewöhnte. Tatsächlich war die Artillerie zu meiner Zeit weitaus weniger gefährlich als das Gewehrfeuer. Sie war enorm laut, aber sie tötete nur selten, sofern man nicht auf Schrapnell- oder Kartätschenreichweite an sie herankam.

      Wie bereits erwähnt, wurde das Regiment irgendwann am Vormittag zur Unterstützung einer Geschützbatterie abgestellt, wo es auch für einige Stunden verblieb. Es ist in einer Schlacht nichts nervenzehrender als unter mehr oder minder starkem Beschuss flach auf der Erde zu liegen und das Feuer nicht erwidern zu können. Die konstante Anspannung ist schier unerträglich. So war es mit grimmer, aber aufrichtiger Erleichterung, dass wir schließlich den Colonel das Kommando: "Bataillon, Achtung!" ausrufen hörten. Endlich waren wir am Zug. Wir sprangen energisch auf und marschierten bald schräg nach links, von woher schon seit einigen Stunden schwerer Gefechtslärm ertönte. Wir waren noch nicht weit gekommen, als ich etwas sah, das kaum geeignet war, meinen Kampfeseifer zu beflügeln. Wir marschierten über einen alten, grasüberwachsenen Feldweg mit einem Lattenzaun, der eine Art kleinen Weideplatz umschloss zur Rechten und dichtem Wald zur Linken, als ich links von uns einen Soldaten bemerkte, der langsam in die Richtung hinter unseren Linien trottete. Er hatte wohl einen Streifschuss an der linken Gesichtshälfte erhalten und die Haut und das Fleisch seiner Wange hingen in Fetzen an ihm herunter. Sein Gesicht und Hals waren blutverschmiert und er war fürchterlich anzuschauen. Und doch schien er ruhig und gefasst und wehklagte nicht im Geringsten. Als er an unserer Kompanie vorüberkam, sah er zu uns her und rief: "Macht denen die Hölle heiß, Jungs! Die haben mich entstellt!" Es war offensichtlich, dass er nicht übertrieb.

      Als wir uns bei unserer neuen Stellung in Gefechtslinie formierten und das Feuer eröffneten, stand ich in der vordersten Reihe und direkt hinter mir in der zweiten Reihe stand Philip Potter, ein junger Ire, der einige Jahre älter war als ich. Mit seinem ersten Schuss hätte er mich beinahe erledigt. Die Mündung seiner Waffe konnte nicht mehr als fünf bis sieben Zentimeter von meinem rechten Ohr entfernt gewesen sein. Der Knall seines Schusses hätte mich beinahe taub gemacht und mein Hals und meine rechte Wange wurden von Pulverrückständen durchdrungen, die noch jahrelang sichtbar blieben, bis mein Körper sie absorbiert hatte. Ich wirbelte vor Wut tobend herum und schrie Phil an: "In drei Teufels Namen, was soll das?" Just in diesem Augenblick sank der Mann zu meiner Rechten mit einem gellenden Aufschrei zu Boden, gefolgt von dem Mann zu meiner Linken. Beide waren offensichtlich schwer verwundet. Ich wurde mir meines schockierenden Verhaltens, zu fluchen, während um mich herum Menschen starben, bewusst und mir stockte schier der Atem, da ich beinahe mit einer prompten Bestrafung durch den Allmächtigen rechnete. Diese blieb jedoch aus. Zudem möchte ich anmerken, dass gemäß der Geschichtsschreibung selbst Washington während der Schlacht von Monmouth herzhaft fluchte … außerdem hatte es den Effekt, dass Potter danach vorsichtiger war.

      Der arme Phil! Während wir am 7. Dezember 1864 bei Murfreesboro, Tennessee in der Plänklerlinie kämpften, stand er nur wenige Schritte zu meiner Linken, als er durch einen Bauchschuss tödlich verwundet wurde. Er starb wenige Tage später im Lazarett. Da er ein gläubiger Katholik war, war er in seinen letzten Stunden schier verzweifelt vor Kummer, weil kein Priester zugegen war, um ihm die Absolution zu erteilen.

      Wir hatten gerade an unserer oben genannten Position das Feuer eröffnet, als ich direkt vor mir in nicht mehr als 200 Metern Entfernung eine große konföderierte Flagge erspähte, die trotzig im Wind flatterte. Der Rauch war zu dicht, um den Träger zu erkennen, aber seine Fahne war deutlich sichtbar. Ihr Anblick erregte meinen Zorn und ich wollte sie niedersinken sehen, also zielte ich auf sie, ließ meinen Lauf langsam sinken, bis ich dachte, er sei wohl auf Hüfthöhe meines Ziels und drückte ab. Ich spähte eifrig durch den Rauch, um das Resultat meines Schusses zu begutachten, aber das verflixte Ding wehte noch immer. Auf dieselbe Art feuerte ich noch drei bis vier Kugeln ab – ohne sichtbaren Erfolg. Ich schloss hieraus, dass der Träger wohl hinter einem Baumstumpf oder dergleichen kauern müsse und dass es sinnlos sei, weitere Munition auf ihn zu verschwenden. Schräg zu meiner Linken in vielleicht 250 Metern Entfernung war die konföderierte Gefechtslinie deutlich sichtbar. Sie befand sich ungedeckt am Rande eines Feldes, mit dem Wald im Rücken. Diese Linie gab ein hervorragendes Ziel ab. Ich konnte sogar die Ladestöcke der einzelnen Männer in der Sonne blitzen sehen, wenn sie sie aus den Halterungen zogen und nach dem Laden wieder zurücksteckten. Also begann ich, auf den Feind an jenem Abschnitt der Linie zu feuern und den restlichen Inhalt meiner Patronentasche schickte ich in diese Richtung. Es ist unmöglich zu sagen, ob eine meiner Kugeln traf, aber nach der Schlacht machte ich die genaue Stelle ausfindig und besah mir den Boden. Die toten Konföderierten lagen dort dicht an dicht und während ich auf sie hinabsah, drängte sich mir die Frage auf, ob ich wohl einige von diesen armen Kerlen getötet hatte. Natürlich konnte ich es nicht mit Sicherheit wissen und ich bin noch heute froh, dass ich es nicht weiß. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass ich kein gesichertes Wissen habe, während meiner gesamten Dienstzeit überhaupt einen einzigen Menschen getötet oder auch nur verwundet zu haben. Es ist wohl mehr als wahrscheinlich, dass zumindest einige meiner Kugeln tödlich waren, aber ich kann es nicht wissen und für diese Unwissenheit bin ich zutiefst dankbar. Weißt du, objektiv betrachtet waren die Soldaten in den konföderierten Armeen auch nur amerikanische Jungs, genau wie wir und sie waren aufrichtig davon überzeugt, sich im Recht zu befinden. Wären sie Soldaten einer fremden Nation gewesen, beispielsweise Spanier, so würde ich möglicherweise anders empfinden.

      Als wir in der oben genannten Stellung "mitmischten", nahm der alte Captain Reddish seinen Platz in der Linie ein und kämpfte wie ein einfacher Soldat. Er hatte die Muskete eines Toten oder Verwundeten aufgehoben, stopfte sich die Taschen mit Munition und Zündhütchen voll und war somit für ein Feuergefecht gerüstet. Er schnallte sein Schwert ab, legte es in der Scheide zu seinen Füßen ab und widmete dann seine ungeteilte Aufmerksamkeit dem Feind. Noch immer kann ich vor meinem inneren Auge den alten Mann sehen, wie er in der Gefechtslinie steht, lädt und feuert, wobei seine blaugrauen Augen leuchten und sein Gesicht, gepackt vom Schlachtenfieber, förmlich glüht. Zeitweise stand Colonel Fry in unserer Nähe und ich hörte, wie der alte Captain John ihm zurief: "Wie gegen die Indianer, Colonel! Genau wie gegen die Indianer!" Als wir uns schließlich zurückzogen, schulterte der Captain seine Muskete und marschierte mit uns ab. Sein "Käsemesser" (wie er es zu nennen pflegte) hatte er völlig vergessen. Es blieb dort liegen und er sah es niemals wieder.

      An dieser Linie, auf einer sanften Anhöhe etwa 400 Meter zu unserer Rechten, stand eine Batterie der leichten Artillerie. Sie stand zwischen der Infanterie an der vordersten Linie und oh, wie wussten diese Kanoniere ihre Geschütze zu handhaben! Es schien mir, als donnerte jede Sekunde eine ihrer Kanonen. Manchmal warf ich einen Blick in ihre Richtung, während ich eine Kugel in meinen Lauf rammte. Es waren kräftige Burschen mit entblößten Oberkörpern. Ihre weiße Haut glänzte in der Sonne und sie gingen mit einem Eifer zur Sache, wie ich ihn zuvor nur bei Männern gesehen hatte, die verzweifelt einen großen Waldbrand bekämpften. Ihr zerstörerisches Feuer erfüllte mich mit einem wahren Glücksgefühl. "Gebt es ihnen, ihr Götter des Donners!" murmelte ich zu mir selbst, "Hämmert den letzten Funken Bosheit aus ihnen heraus!" Nach der Schlacht konnte ich mich davon überzeugen, dass sie genau dies getan hatten.

      Wenn man bedenkt, dass ich heutzutage (wie du ja weißt) nicht einmal ein Huhn töten kann, mögen meine obigen Ausbrüche seltsam anmuten. Es ist jedoch eine Tatsache, dass der Soldat in der Schlacht vom Dämonen der Zerstörung besessen ist. Es verlangt ihn danach, zu töten und je mehr seiner Feinde er sterben sieht, desto größere Befriedigung empfindet er. General Grant verleiht irgendwo in seinen Memoiren demselben Gedanken Ausdruck (allerdings in gemäßigterer Sprache als der meinen), wenn er schreibt:

      "Im Wüten der Schlacht kann man seinen Feind zu tausenden, gar zehntausenden niedergemäht werden sehen, ohne eine negative Gemütsregung zu verspüren."

      Das Regiment lagerte die Nacht über am Steilufer, unweit des historischen "Blockhauses". Gegen Einbruch der Dunkelheit begann es zu regnen und da ich nicht im Wasser liegen wollte, machte ich mich auf die Suche nach einem Schlafplatz und fand einen kleinen Haufen aufgetürmten Geästes, den wohl vor einiger Zeit (als die Bäume noch Blätter trugen) irgendjemand zurückgelassen hatte,

Скачать книгу