Vier Jahre für Lincoln. Stillwell Leander
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In der Benton-Kaserne war es auch, wo die Indienststellung des Regiments in die Streitkräfte der Vereinigten Staaten vollzogen wurde. Zu jener Zeit bestand ein Infanterieregiment aus zehn Kompanien, aber unseres verfügte nur über neun. Wir hatten keine Kompanie K und sollten eine solche erst im März 1864 erhalten. Da wir kein vollständiges Regiment darstellten, diente Colonel Fry (wie wir ihn nannten) lediglich als Lieutenant-Colonel und diesen Rang bekleidete er während seiner gesamten Zeit beim Regiment. Captain Simon P. Ohr aus Kompanie A wurde zum Major befördert. Aufgrund unseres Mangels an einer zehnten Kompanie und der Tatsache, dass wir diese erst erhielten, als die übrigen Kompanien bereits beträchtlich geschwächt waren, verfügte das Regiment bis zum Sommer des Jahres 1865 über keinen Offizier im Range eines Colonels. Von den Umständen, unter denen wir endlich einen Colonel bekamen, wird noch die Rede sein.
Kapitel III
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Aufbruch an die Front – Die Schlacht von Shiloh (März und April 1862).
Am 25. März verließen wir die Benton-Kaserne und machten uns auf den Weg an die Front. An jenem Tag marschierten wir durch St. Louis und gingen an Bord eines Dampfers, aber aus irgendeinem mir unbekannten Grunde legte das Schiff erst spät am Abend des folgenden Tages ab. Meine Kompanie war auf dem Oberdeck untergebracht. Der Dampfer war noch nicht lange auf dem Fluss unterwegs, als sich ein Vorfall ereignete, der heute einigermaßen belustigend erscheinen mag, damals jedoch ein durchaus ernstzunehmendes Unglück für mich darstellte und zudem mein Gewissen beträchtlich belastete. Ich hatte meinen Tornister, an dem ich meine Decke festgeschnallt hatte, zusammen mit meiner sonstigen Ausrüstung bei einigen pyramidenförmig zusammengestellten Musketen (darunter auch die meine) abgelegt. Plötzlich bemerkte ich zu meinem Entsetzen, dass meine Decke verschwunden war! In der Tat, meine verehrte Leserschaft, hatte sich irgendein Tunichtgut vorsätzlich und arglistig diesen für eine erholsame Nachtruhe unverzichtbaren Gegenstand angeeignet. Eine lange, raue Märznacht stand bevor und aus dem kalten Fluss stieg nebelgleich eine feuchte und frostige Luft empor. Alle Anzeichen deuteten zudem auf nächtlichen Regen hin. Donner grollte dumpf vom Südwesten her, gelegentliche Blitze erhellten den Himmel und vereinzelte Regentropfen prasselten bereits auf das Oberdeck und kräuselten die Wasseroberfläche des Flusses. Was sollte ich nur tun? Ich musste eine Decke haben, das stand fest. Mein ganzes Leben lang hatte man mich gelehrt, dass Diebstahl so ziemlich das schändlichste aller Verbrechen und Diebe erbärmliche und verachtenswerte Schurken seien. Zudem sagt eines der Zehn Gebote unmissverständlich: "Du sollst nicht stehlen." Und doch musste ich es tun und zwar unverzüglich. Ich überdachte die Angelegenheit und gelangte zu der Erkenntnis, dass ich ja ein Soldat und somit vorübergehend ein Werkzeug von Onkel Sam war. Folglich war ich Regierungseigentum und es war meine Pflicht, dieses Eigentum unbedingt zu schützen. Somit war die Sache entschieden und ich verscheuchte mein schlechtes Gewissen (und meine Integrität). Ich möchte an dieser Stelle nicht in die schändlichen Details gehen und so soll es genügen, wenn ich gestehe, dass ich irgendeinem armen Kerl aus einer anderen Kompanie die Decke stahl und somit die Gesundheit und militärische Verwendbarkeit eines willigen Dieners der Nation bewahrte. Wie der andere Bursche durch die Nacht kam, vermag ich nicht zu sagen. Ich stellte diesbezüglich keine Nachforschungen an und war in der Folgezeit sorgsam darauf bedacht, diese Decke am Tage im Inneren meines Tornisters vor eventuellen neugierigen Blicken zu verbergen. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass dies der einzige Akt von unverhohlenem Diebstahl war, den ich während meiner gesamten Dienstzeit beging (mit Ausnahme einiger Zwiebeln, von denen möglicherweise an späterer Stelle noch die Rede sein wird). Selbstverständlich versorgte ich mich auf dem Marsch oder Postendienst unzählige Male mit Maiskolben, Süßkartoffeln, Äpfeln und dergleichen, aber es waren dies legitime Fälle von Requirierung, die von der militärischen Führung ausdrücklich gestattet waren.
In jener Nacht, als wir St. Louis verließen, erhielt ich meine erste anschauliche Lektion über die unterschiedlichen Lebensbedingungen der Offiziere und der einfachen Soldaten. Ich hatte meine Decke entlang der Wand des sogenannten "Texas" ausgebreitet, einer kleinen Konstruktion, die an die Kabine des Steuermanns anschließt. Am Boden des "Texas" war eine Reihe kleiner Fenster eingelassen, durch die man in das Kabineninnere hinabsehen konnte. Ich musste nur meinen Kopf zur Seite drehen, um zu beobachten, was sich dort drinnen ereignete. Die Offiziere saßen in gepolsterten Sesseln oder schlenderten auf Teppichen in dem hell erleuchteten Raum umher, während ihr Abendessen zubereitet wurde. Farbige Diener in weißen Uniformen trugen das Essen herein und als die Tafel gedeckt war, ertönte ein Gong und die Offiziere begaben sich zu Tische. Was dort alles auf sie wartete! Gebratener Schinken und Beefsteak, frischgebackene Brötchen, Butter, Melasse, dampfend heiße große Pellkartoffeln, duftender Kaffee mit Sahne in feinen Tassen und Untertassen sowie weitere kleine Leckereien in Form von eingemachtem Obst und dergleichen. Wie köstlich diese Dinge dufteten! An meiner Position konnte mir der Geruch nicht entgehen. Dort saßen die Offiziere in der warmen, lichtdurchfluteten Kabine zu Tische, ließen sich von Niggerkellnern bedienen und labten sich an all diesen erlesenen Speisen! Es war dies ein Anblick vollkommenen Komforts und Wohlbehagens! Wenn die Offiziere sich schließlich für die Nacht zurückzogen, warteten warme, gemütliche Kojen auf sie, wo sie auf Matratzen und Daunendecken ihre müden Glieder ausstrecken konnten, ohne auch nur einen Gedanken an die Kälte und Nässe dort draußen zu verschwenden. Ich wandte meinen Kopf zurück und besah mir meinen eigenen Schlafplatz. In der kalten, pechschwarzen Nacht rieselten Asche und Ruß von den Schloten auf uns hernieder und der Nieselregen trommelte auf das Deck. Mein Abendessen hatte aus Hartkeksen und rohem Schweinebauch bestanden, dazu wurde als Getränk Flusswasser von dem exzellenten Jahrgang 1541 gereicht. [Anm. d. Übers.: Der Mississippi River wurde 1541 von Hernando de Soto entdeckt.] Um mein Elend zu vervollständigen, lag ich zudem noch unter einer Decke, die ich aus einer militärischen Notlage heraus hatte stehlen müssen. Ich besann mich jedoch, dass wir nicht alle Offiziere sein konnten; irgendjemand musste schließlich die Musketen abfeuern. Ich tröstete mich weiter mit dem Gedanken, dass die Offiziere zwar etliche Privilegien gegenüber den einfachen Soldaten hatten, im Gegenzug aber auch eine größere Verantwortung schultern mussten und sich über viele Dinge den Kopf zerbrachen, die uns nicht im Geringsten zu kümmern brauchten. So unterdrückte ich nach Kräften meinen Neid, wickelte mich in meine Decke, schloss die Augen und schlief die ganze Nacht hindurch den tiefen, traumlosen Schlaf der kerngesunden Jugend.
In der Nacht klarte das Wetter auf und der folgende Tag war angenehm, was unsere Laune beträchtlich verbesserte. Unsere Umgebung war neu und ungewohnt und wir blickten voller Aufregung und Hoffnung in die Zukunft. Wir waren beinahe alle einfache Jungs vom Lande, die ihr bisheriges Leben in der entlegenen Provinz zugebracht hatten. Ich selbst war vor meiner Soldatenzeit noch nie weiter als 80 Kilometer von meinem Zuhause entfernt gewesen, war niemals auf einem Dampfschiff gefahren und hatte auf meinen gelegentlichen Eisenbahnfahrten kaum mehr als 120 Kilometer zurückgelegt (Hin- und Rückfahrten zusammengezählt). Doch nun hatte sich der beengte Horizont meiner Heimat plötzlich geöffnet und vor meinen Augen entfaltete sich eine große, weite Welt. Hierzu gesellten sich die Gedanken an das kühne, heroische Leben, das uns nun bevorstand. Keiner von uns Jungs rechnete ernsthaft damit, getötet zu werden oder ein anderes ungünstiges Schicksal zu erleiden. Den anderen mochte es übel ergehen, einige von ihnen würden wohl sterben müssen, aber man selbst würde