Weihnachtsmärchen auf 359 Seiten. Charles Dickens
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vernahm man ein Rasseln tief unten, als ob jemand über die
Fässer in des Weinhändlers Keller eine schwere Kette schleppe.
jetzt erinnerte sich Scrooge gehört zu haben, daß Gespenster
Ketten schleppen.
Die Kellertür flog mit einem dumpfdröhnenden Knall auf, und
dann hörte er das Klirren viel lauter auf dem Hausflur unten,
dann wie es die Treppe herauf und dann wie es gerade auf seine
Tür zukam.
»Es ist ja dummes Zeug«, sagte Scrooge. »Ich glaube nicht
dran.«
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Aber er wechselte doch die Farbe, als es nun ohne zu verweilen,
durch die schwere Tür und in das Zimmer kam. Als es hereintrat,
flammte das sterbende Feuer auf, als riefe es: »Ich kenne ihn,
Marleys Geist!«, und die Glut sank wieder zusammen.
Dasselbe Ges icht, ganz dasselbe. Marley mit seinem Zopf,
seiner gewöhnlichen Weste, den engen Hosen und hohen
Stiefeln, deren Troddeln in die Höhe standen, wie sein Zopf, und
ebenso seine Rockschöße und das Haar auf seinem Kopf. Die
ebenso seine Rockschöße und das Haar auf seinem Kopf. Die
Kette, die er hinter sich herschleppte, war um seinen Leib
geschlungen. Sie war lang, ringelte sich wie ein Schwanz und war
(Scrooge betrachtete sie sehr genau) aus Geldkassen,
Schlüsseln, Schlössern, Hauptbüchern, Kontrakten und
schweren Börsen aus Stahl zusammengesetzt.
Sein Leib war so durchsichtig, daß Scrooge durch die Weste
hindurch die zwei Knöpfe hinten an seinem Rock sehen konnte.
Scrooge hatte oft sagen gehört, Marley habe kein Herz, aber
erst jetzt glaubte er es.
Nein, er glaubte es selbst jetzt noch nicht. Obgleich er das
Gespenst durch und durch und vor sich stehen sah, obgleich er
den erkältenden Schauer seiner totenstarren Augen fühlte und
selbst den Stoff des Tuches erkannte, das ihm um Kopf und
Kinn gebunden war und das er früher nicht bemerkt hatte, war er
dennoch ungläubig und sträubte sich gegen das Zeugnis seiner
Sinne.
»Nun«, sagte Scrooge, scharf und kalt wie gewöhnlich, »was
wol t Ihr?«
»Viel!« Das war Marleys Stimme.
»Wer seid Ihr?«
»Fragt mich, wer ich war.«
»Fragt mich, wer ich war.«
»Nun, wer wart Ihr?« fragte Scrooge lauter. »Für einen Schatten
seid Ihr ja sonderbar.«
»Als ich lebte, war ich Euer Kompagnon, Jacob Marley.«
»Könnt Ihr Euch setzen?« fragte Scrooge und sah ihn zweifelnd
an.
»Ich kann es.«
»So tut's.«
Scrooge fragte nur, weil er nicht wußte, ob sich ein so
durchsichtiger Geist setzen könne, und er fühlte die
Notwendigkeit einer unangenehmen Erklärung, wenn es ihm nicht
möglich wäre. Aber der Geist setzte sich auf der anderen Seite
des Kamins nieder, als sei er so gewohnt.
»Ihr glaubt nicht an mich?« fragte der Geist.
»Nein«, sagte Scrooge.
»Welches Zeugnis, außer dem Eurer Sinne, wollt Ihr von meiner
Wirklichkeit haben?«
»Ich weiß nicht«, sprach Scrooge.
»Warum glaubt Ihr Euren Sinnen nicht?«
»Warum glaubt Ihr Euren Sinnen nicht?«
»Weil sie die geringste Kleinigkeit stört«, entgegnete Scrooge.
»Eine kleine Unpäßlichkeit des Magens macht sie zu Lügnern.
Ihr könnt ein unverdautes Stück Rindfleisch, ein Käserindchen,
ein Stückchen schlechter Kartoffeln sein.
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Wer Ihr auch sein möget, Ihr habt mehr vom Unterleib, als von
der Unterwelt an Euch.«
Es war nicht eben Scrooges Gewohnheit, Witze zu machen, auch
fühlte er eben jetzt keine besondere Lust dazu. Die Wahrheit ist,
daß er sich bestrebte lustig zu sein, um s ich zu erleichtern und
sein Entsetzen niederzuhalten; denn die Stimme des Geistes ließ
ihn bis ins Mark erzittern.
Diesen starren, toten Augen nur einen Augenblick schweigend
gegenüberzusitzen, wäre teuflisch gewesen, das fühlte Scrooge
wohl. Auch daß das Gespenst seine eigene höllische Atmosphäre
hatte, war so grauenerregend.
Scrooge fühlte sie nicht selbst, aber doch mußte es so sein; denn
obgleich das Gespenst ganz regungslos dasaß, bewegten sich
sein Haar, seine Rockschöße und seine Stiefeltroddeln wie von
dem heißen Dunst eines Ofens.
»Ihr seht diesen Zahnstocher«, sprach Scrooge, seinen Angriff
aus dem eben angeführten Grunde sogleich aufs neue beginnend
und von dem Wunsch beseelt, den starren, eisigen Blick des