Homo sapiens movere ~ gejagt. R. R. Alval
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Doch wie sollte ich mit dem Wissen umgehen, dass Leute meinetwegen sterben würden? Menschen, die ich liebte. Meine Familie möglicherweise sogar zuerst. Das hier war erst der Anfang. Es würde schlimmer kommen.
Viel schlimmer.
Ich hatte ehrlich keine Ahnung, was ich dagegen unternehmen sollte. Verflucht, ich mochte es ganz und gar nicht, dermaßen hilflos zu sein!
2
Der Vorfall der vorletzten Nacht schwelte in meinem Kopf wie eine tickende Bombe. Nur mit großer Anstrengung gelang es mir, mich auf das bevorstehende Ritual einzupendeln. Vor einer Stunde war ich auf Alans Anwesen eingetroffen, hatte jedoch ein gemeinsames Essen abgelehnt. Nun lag ich in einer bis zum Rand gefüllten Wanne und wusch mich mit der nach Sandelholz duftenden Seife. Ich brächte beim Essen sowieso keinen Bissen hinunter.
Alan würde sofort wissen, dass etwas nicht stimmte.
Schließlich kannte er meinen gesunden Appetit.
Natürlich musste ich ihn in die Geschehnisse einweihen. Nach dem Ritual. Er sollte einen klaren Kopf behalten. Außerdem fürchtete ich ein wenig seine Reaktion, die nicht vorhersehbar war.
Er könnte wütend sein.
Oder besorgt.
Oder etwas Dummes, Impulsives tun.
Daher war es besser, meine Sorgen noch eine Weile zu verdrängen. In dem warmen Wasser mit dem angenehmen Duft fiel mir das ziemlich leicht.
Verdammt!
Was, wenn Humphrey während des Rituals angriff? Das käme einer Katastrophe gleich. Zutiefst beunruhigt tauchte ich in dem warmen Wasser unter und sofort wieder auf. Bunte Kringel tanzten vor meinen Augen, die ich weg blinzelte. Ich durfte nicht in Panik geraten. Noch viel weniger durfte ich darauf vertrauen, dass Humphrey in seiner Rachsucht klar dachte. Wäre es ihm egal, wenn die Wandler freikämen? Verzweifelt schüttelte ich meinen Kopf, in dem sämtliche Bedenken gegeneinanderprallten und eine Massenkarambolage verursachten.
Was sollte ich bloß tun?
Das Badewasser wurde allmählich kalt. Und ich fühlte mich immer mehr wie ein klitzekleiner Fisch, der im trüben Gewässer die Orientierung verloren hatte und sich nun vor dem Angriff eines Raubfischs fürchtete. Nach einem kurzen Klopfen an der Tür trat Alan in das Bad; ohne auch nur ansatzweise meine Antwort abzuwarten.
Scheiße, ich hätte nackt… oh verflucht, ich war nackt!
„Ich dachte, du bist in der Wanne eingeschlafen.“, meinte Alan mit einem Lächeln, was mich an dem Wahrheitsgehalt seiner Aussage zweifeln ließ. „Wie du siehst, bin ich es nicht.“ Er trat näher. Mein Herz hüpfte ihm fröhlich trällernd entgegen. Oder wohl eher meine verräterischen Hormone.
Mistviecher!
„Soll ich dir den Rücken schrubben?“ Lässig zog ich meine Augenbraue in die Höhe. „Danke, nein. Ich wollte eben das Wasser ablassen.“ Er nickte. Anstatt zu gehen, griff er nach der Handbrause und drehte diese auf; kurz nachdem er den Knopf betätigt hatte, der den Stöpsel anhob, um das Wasser abfließen zu lassen. „Ich kann das allein.“ Wieder nickte er. „Ich weiß.“ Nonchalant stand er da, während das abfließende Wasser immer mehr meines Körpers freilegte.
Schön.
Wie er wollte.
Augen rollend erhob ich mich und ließ mich von Alan abduschen. Dabei sah ich ihm direkt in die Augen und erkannte mit Genugtuung, dass er mich mit Blicken verschlang.
Kurz darauf drehte er die Brause ab und griff nach einem großen Handtuch, in das er mich einwickelte und aus der Wanne hob. Keinerlei Kraftanstrengung für ihn. Als wöge ich nicht mehr als ein Wollknäuel. Er hielt mich eine Spur zu lang fest, ehe er begann, mich mit kreisenden, sanften Bewegungen trocken zu rubbeln. Daran könnte ich mich durchaus gewöhnen.
Ein zufriedenes Seufzen kroch aus meinem Mund.
Dann erinnerte ich mich jedoch, wo ich war, wer hinter mir stand und was ich ihm zu sagen hatte. „In einer halben Stunde ist es soweit.“ Ich nickte und griff nach dem kleinen Handtuch, das er wie einen Turban um meinen Kopf geschlungen hatte. Alan drehte mich zu sich herum, wobei er das große Handtuch von meinen Schultern gleiten ließ. Er streichelte meine Schultern und meine Arme, über die sofort eine Gänsehaut krabbelte.
Begleitet von winzigen Funken meiner Energie.
Schließlich umfing er meinen Nacken. Ganz langsam beugte er sich vor, strich sanft mit den Lippen über meine, und ich gab mich für den Moment dieser Zärtlichkeit hin. Wer weiß, wie viel Zeit uns noch blieb.
Warum sollte ich mich länger gegen diese Anziehungskraft wehren?
Ich mochte ihn.
Ein wenig.
Was er für mich empfand, wusste ich nicht.
Noch nicht.
Ich hoffte, dass mir genug Zeit blieb, es herauszufinden. Ziemlich schwachsinnig, oder?
Ich öffnete meine Lippen, die er mit seiner Zunge um Einlass bat und gab mich völlig dem Gefühl hin, welches mich dabei durchströmte. Alan küsste verdammt gut. Bisher hatte er mich jedes Mal verschlungen. Doch diesmal lag eine sanfte Intensität darin, die ich von ihm nicht gewohnt war. Schwer atmend löste er seine Lippen von meinem, zog mich enger an sich, so dass ich seine pulsierende Erregung deutlich spürte, vergrub sein Gesicht an meinem Hals, atmete tief meinen Duft ein und schob mich schließlich langsam von sich.
Sein Blick war vor Begierde verschleiert.
Seine Augen dunkel vor Verlangen.
„Du solltest dich anziehen.“, sagte er mit einer Stimme, die einige Nuancen tiefer als gewöhnlich war. Zögernd trat Alan einen Schritt zurück, schloss kurz die Augen, atmete angespannt aus, drehte sich um und verließ das Bad.
Ich fragte mich, ob er unter anderen Umständen diese Chance genutzt hätte. Wahrscheinlich. Das Ritual war jedoch wichtiger als sein Verlangen.
Oder meines.
Dass ich ihn ebenso wollte, konnte ich nicht abstreiten. Leider passte dieses Begehren überhaupt nicht in mein Konzept. Besonders nicht, weil er gedachte, mich zu heiraten. Dabei hatte er mir nicht mal einen Antrag gemacht, sondern holterdiepolter meinen Vater um meine Hand gebeten.
Sehr, sehr altmodisch.
Als hätte ich kein Wörtchen mitzureden.
Vermutlich hatte ich das in seinen Augen auch nicht. Tja, ich würde ihn eines Besseren belehren. Ich wollte meinen Spaß haben, mich aber keinesfalls binden.
Nicht sofort.
Und nicht an ihn.
Denn falls ich jemals heiratete, dann nur einen Mann, der mich nicht nur vor Leidenschaft glühen ließ, sondern dem ich vertrauen konnte.
Den ich liebte.
Der