Die Baumeisterin. Barbara Goldstein

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Die Baumeisterin - Barbara Goldstein

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Ein Diadem und Armreifen aus Gold vervollständigten ihre elegante Garderobe.

      Ich war so erstaunt über die Anwesenheit des Lebendigen Gottes in der Alten Hauptstadt, dass ich vergaß, die traditionelle Schrittfolge einzuhalten. Die hinter mir schreitenden Gottesdiener stießen beinahe mit mir zusammen, weil ich zu langsam ging. Ein Priester Ersten Grades eilte herbei und schlug mich mit einem kurzen Stock, um mich zu ermuntern, die Schrittfolge einzuhalten. Die Schläge brannten wie Feuer auf meiner nackten Haut. Aber ich war mir der Aufmerksamkeit der königlichen Familie sicher. Prinz Rahotep war aufgesprungen, als wollte er mir zu Hilfe kommen. Prinz Khufu sah mir in die Augen, als bereiteten ihm die Schläge Vergnügen.

      Der König sah mich an. Die wenigen Augenblicke, in denen unsere Blicke ineinander versanken, erschienen mir wie die Ewigkeit. Dann wandte er seinen Blick wieder in die Unendlichkeit seiner Gedanken und schloss die Welt aus. Das Lächeln blieb auf seinen Lippen.

      Wie ich in den Tempel zurückgekommen bin, weiß ich nicht mehr. Ein Priester empfing mich am Tempeltor und brachte mich in eine Zelle, in der ich stundenlang ausharren musste. Sethi erschien, um mich zu bestrafen. Er führte die Schläge nur mit halber Kraft aus: Er hatte den Blickwechsel zwischen dem König und mir bemerkt. Dann schickte Sethi mich in meine Zelle, die Kleidung für die Abendriten anzulegen.

      In unserer Kammer traf ich Iya, die sich bereits umgezogen hatte. »Das ist ein aufregender Tag heute!« Ruhelos flatterte sie durch unsere Zelle. »Erst die Prozession und jetzt noch das!«

      Ich dachte, sie meinte meine Bestrafung wegen der Majestätsbeleidigung.

      Gemeinsam führten wir die Waschungen im Heiligen See durch, dann formierten wir uns am Tempeltor. Trotz meiner Strafe hatte Sethi mir die Aufgabe, den Gott zu waschen und zu kleiden, nicht entzogen.

      Hinter mir standen die Tempeldienerinnen und Tempeldiener mit der Mahlzeit für den Gott: weißes Brot, Gänsebraten, Gemüse, Früchte, Bier und Wein. Dahinter warteten die Träger der neuen Kleidung und die Mädchen und Jungen, die die Schüsseln mit dem geweihten Wasser zur Waschung des Gottes trugen. Ich hatte in den letzten Wochen jede dieser Aufgaben durchgeführt, doch heute sollte ich die Prozession der Abendriten anführen.

      »Der Tempel ist heute Abend hell erleuchtet!«, flüsterte ich Iya zu. Das Licht von Fackeln in der Großen Halle tauchte das Allerheiligste in tiefe Dunkelheit. Der Vorhang war beiseite geschoben, und der Gott stand im Licht. Vor ihm sah ich einen Mann auf dem Boden knien. Der Hohepriester? In der Dunkelheit vor der Statue des Ptah konnte ich weder die Statur noch das Gesicht erkennen.

      Mit welcher Konzentration die Priester die Sistren schlugen und die rituellen Schritte durchführten! Die Tempeldiener standen in einer geraden Reihe, wie mit dem Lineal gezogen. Sie bewegten sich wie eine Person. Noch nie hatte ich eine solche Aufregung hier im Tempel erlebt.

      Im Halbdunkel erkannte ich Männer und Frauen, die keine Priesterkleidung trugen. Als ich an ihnen vorbeiging, sah ich Nefermaat und Amenemhet sowie die Königin Hotephores und die Prinzen Rahotep, Khufu und Aserkaf. Die königliche Familie nahm an den Feierlichkeiten der Abendriten anlässlich des Neujahrsfestes teil!

      Ich ging auf die Statue des Ptah zu und begann mit meinen rituellen Handlungen. Ich nahm die Schüsseln und Schalen mit der Götternahrung und setzte sie vor Ptah ab. Die Krüge mit Bier und Wein stellte ich etwas abseits neben die Kohlebecken mit den Weihrauchkegeln. Es war ganz still in dem kleinen Raum, als die Priester sich zurückgezogen hatten und abwarteten, dass ich die Figur waschen, salben und kleiden würde.

      In diesem Augenblick erhob sich der Mann hinter mir. Im Schein der Öllampen konnte ich sehen, dass er keine priesterliche Kleidung trug.

      Der König hatte seinen Blick auf das goldene Antlitz des Gottes gerichtet und beachtete mich nicht. Dann nahm er mir die Schüssel mit geweihtem Wasser aus der Hand, ohne mich zu berühren. Beinahe hätte ich das Gefäß fallen gelassen. Er ergriff den Rand, bevor das Wasser überschwappen oder die Schüssel zu Boden fallen konnte. Ohne ein Wort und einen Blick wandte er sich von mir ab und konzentrierte sich auf Ptah.

      Er wusch den Gott mit einem weißen Leintuch, das er nach Benutzung zusammenfaltete und in die Schüssel mit dem Waschwasser legte. Das Tuch würde in Stücke geschnitten und am nächsten Morgen im Tempelhof verkauft werden. Das Waschwasser würde in kleine Phiolen abgefüllt und ebenfalls als Heilmittel gegen Krankheiten verkauft werden. Ich nahm die Schüssel aus seinen Händen entgegen.

      Dann reichte ich ihm die Kleidung für den Gott, einen neuen Schurz, Sandalen und einen Halskragen sowie eine neue Kappe aus blauem Stoff. Als der Lebendige Gott die Zeremonie beendet hatte, nahm er einen Weihrauchkegel aus dem Kohlebecken und räucherte den Raum des Allerheiligsten, um den Gott für die Nacht vorzubereiten. Dann war die Zeremonie beendet, und ich zog mich vor dem König aus dem Raum zurück, um den Gott ruhen zu lassen. Als ich an ihm vorbeiging, berührten sich unsere Körper leicht und er flüsterte:

      »Ich danke dir, dass du mich nicht wieder angestarrt hast.«

      Ich wagte nicht, den Blick in das Antlitz des Herrschers zu richten und verneigte mich schweigend.

      »Was hat er dir gesagt?«, wollte Iya wissen, als wir später nebeneinander auf unseren Schlafmatten in unserer Zelle lagen.

      »Ach nichts«, sagte ich. »Weißt du, warum der König in Mempi ist?«

      »Nein, das weiß ich nicht. Aber ich habe doch gesehen, dass er dir etwas zugeflüstert hat«, beharrte Iya. »Und Sethi hat dich nicht geschlagen.«

      »Lass mich in Ruhe, Iya. Ich bin müde«, murmelte ich. Schlafen wollte ich nicht. Ich wollte das Gefühl seines Körpers an meinem immer wieder spüren.

      Am zweiten Tag des Neujahrsfestes hatte das Volk Zutritt zum großen Sonnenhof. Die Tempeltore öffneten sich und ließen Hunderte von Betenden ein, die bei den Priestern eine Spende abgaben. Ich stand mit Sethi im Sonnenhof und hielt für ihn die Schale, in der sich die Kupferbarren und Goldringe häuften.

      Die Gläubigen näherten sich ehrfürchtig dem im Sonnenhof aufgestellten Schrein mit der Barke des Ptah, die am Vortag durch die Straßen von Mempi getragen worden war. Viele hatten an diesem Tag kleine Ptah-Statuen bei sich, die sie durch die Gottesdiener weihen ließen. Gegen ein geringes Entgelt nahmen die Priester die Statuen entgegen und brachten sie ins Allerheiligste, wo sie diese weihten und dann zu ihren wartenden Besitzern zurückbrachten.

      Immer wieder verschwand Sethi mit einer oder zwei kleinen Figuren aus Holz oder Ton im Allerheiligsten und kam zurück. Die Statuen waren dann in weiße Leinentücher gewickelt.

      »Sethi, was hat der König gestern Abend im Allerheiligsten getan?«

      »Er hat Atum-Re zum Obersten Gott des Reiches erkoren, und das hat er gestern Abend Ptah im Gebet mitgeteilt. Ptah scheint die Oberherrschaft des neuen Gottes anerkannt zu haben, denn er akzeptierte die rituellen Handlungen durch den König, den Hohepriester des Atum.«

      »Seneferu ist Hohepriester des neuen Gottes?«, fragte ich überrascht.

      »Er hat sich selbst dazu ernannt.«

      »Wann wird der Tempel des Atum fertig gestellt sein?«

      Sethi zuckte mit den Schultern. »Die Fundamente sind gelegt, glaube ich. Ich war lange nicht draußen.« Mit draußen meinte er die Welt außerhalb des Tempels.

      »Gehst du nie nach draußen, Sethi?«

      »Nein, was soll ich da?«

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