Die Baumeisterin. Barbara Goldstein
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»Kannst du mich heute Abend begleiten, Nefrit?«
»Wozu?«, fragte ich kauend.
»Ich habe … ich bin ein wenig …«
»Aufgeregt?«, legte ich ihm das richtige Wort in den Mund.
»Ja«, gestand er mit entwaffnender Ehrlichkeit ein. Wie konnte ich seinem Wunsch nicht entsprechen?
Ich begleitete Senenmut zur verabredeten Stelle. Doch anstatt in meine Kammer zurückzukehren, versteckte ich mich zwischen den Säulen.
Sethi trat aus dem Schatten hinter der Sekhmet-Statue, als Senenmut sich näherte. Ich konnte nicht verstehen, was sie sich sagten. Aber Sethis Gestik entnahm ich, dass er Senenmut über die Konsequenzen einer Beziehung mit einem Gottesdiener aufklärte. Senenmut stand wie eine Statue vor ihm, bis Sethi fertig war. Dann sagte er ein paar Worte, auf die Sethi wiederum antwortete. Senenmut näherte sich dem Priester und nahm seine Hand, die er im Verlauf des Wortwechsels nicht mehr losließ. Sethis Gestik wurde immer weniger ablehnend, und schließlich sah ich die beiden ihre Nasen aneinander reiben. Senenmut schlang seine Arme um die Schultern des Priesters und küsste ihn auf die Lippen. Sethi antwortete ihm mit aller Leidenschaft. Dann gingen sie zusammen weg.
Nach den Morgenriten sah ich Senenmut wieder. Er war übermüdet und konnte kaum die Augen offen halten, aber er lächelte, als sei er von Hathor selbst geliebt worden. Den ganzen Vormittag träumte er neben mir in Niusers Unterricht. Ramses und Mektire tuschelten während des Vortrages und machten sich über ihn lustig.
In der Mittagspause setzte sich Senenmut neben mich und steckte mir eine Tonscherbe zu. »Danke wegen gestern Abend, Nefrit. Kannst du diesen Brief Sethi geben?«
Ich zog die Tonscherbe aus dem Ausschnitt meines Kleides und las sie in seiner Gegenwart. »Du bist verrückt, Senenmut! Das wird er niemals tun!«, sagte ich voller Überzeugung.
»Er hat es bereits getan. Gestern Nacht.«
Gegen Mitternacht stahl ich mich an der schlafenden Iya vorbei aus meiner Kammer und machte mich auf den Weg zu Sethi. Er war nicht überrascht, als ich den Vorhang seiner Kammer zurückschlug und eintrat. Wortlos reichte ich ihm Senenmuts Nachricht.
Sethi las die Scherbe und ging unruhig in seiner Kammer auf und ab, wie ein Löwe, der nach einem Ausweg aus seinem Käfig sucht. Dann setzte er sich, zog die Schreibplatte auf seine Knie und verfasste innerhalb von wenigen Augenblicken eine nicht minder poetische Antwort an seinen Geliebten.
Sethis und Senenmuts Affäre blieb mehr als sieben Monde unentdeckt, bis eines Nachts Ramses, der die Kammer mit Senenmut teilte, seinem Mitschüler durch den nächtlichen Tempel zu einem Treffen mit seinem Geliebten folgte.
Ramses konnte diese Neuigkeit nicht für sich behalten, und um seine eigenen schwachen Leistungen aufzubessern, erzählte er der Tempelverwaltung von seinen Beobachtungen. Am nächsten Tag fehlte Senenmut im Unterricht, und auch Sethi konnte ich nirgendwo finden.
Am selben Abend zog Sethi seine priesterliche Kleidung aus. Ich half Senenmut beim Packen. »Wohin wollt ihr gehen?«
»Wir wissen es noch nicht. Sethi hat eine Ausbildung als Schreiber, und ich stehe auch kurz vor meiner Abschlussprüfung.«
»Deine Karriere ist beendet.« Meine Worte waren taktlos, entsprachen aber der Wirklichkeit.
»Das weiß ich, Nefrit. Ich werde mich schon durchschlagen. Mein Geliebter ist mir wichtiger als meine Karriere.«
Zum Abschied küsste mich Senenmut, und ich erkannte, was Liebe bedeuten konnte. Ich dachte an meine eigene erste Beziehung zu Sekhem zurück. Wie lange war das her? Beinahe drei Jahre!
An jenem Abend verschwand Iya. Sie ging, als sie vermutete, dass ich eingeschlafen war. Als ich das Rascheln ihrer Schlafmatte hörte, horchte ich auf. Iya, die gewöhnlich nicht vor dem Morgengrauen aufwachte, erhob sich von ihrem Lager und beugte sich über mich, um sich zu vergewissern, dass ich schlief. Ich hielt die Augen geschlossen und atmete tief und ruhig. Iya verließ unsere Kammer und kehrte erst in der Morgendämmerung zurück.
Als sie sich auf ihre Schlafmatte gelegt hatte, drehte ich mich zu ihr um: »Wo warst du?«
»Das geht dich nichts an.«
»Hast du dich mit einem Mann getroffen?«
Meine Vermutung schien nicht so abwegig, denn im fahlen Schein des Morgenlichts sah ich sie erröten. »Das kann ich dir nicht sagen, Nefrit.«
Ich war gnadenlos. »Du weißt, was passiert, wenn ich deinen nächtlichen Ausflug der Tempelverwaltung melde?«
»Das wirst du nicht tun!«
»Traust du mir das nicht zu?«
Iya überlegte kurz. »Doch, das traue ich dir zu. Schließlich hast du auch Sethi und seinen Geliebten auf dem Gewissen.«
Sie konnte mein Gesicht nicht sehen, und ich war froh darüber. Hatte sich herumgesprochen, dass ich die Liebesbriefe befördert hatte? Wer war auf die Idee gekommen, ich hätte die beiden bei der Tempelverwaltung angezeigt? »Wer hat dir das erzählt?«
»Ramses.«
Ich hatte zwei Möglichkeiten: Ich konnte meine Beteiligung an dieser Affäre leugnen, aber Iya würde mir nicht glauben. Oder ich könnte meinen Ruf riskieren und ihr das Geheimnis ihrer nächtlichen Eskapaden abtrotzen. Ich entschied mich für Letzteres. Was hatte ich zu verlieren? »Du triffst dich mit Ramses?«
Sie zögerte, aber ihre Angst vor meiner Anzeige bei der Tempelverwaltung überwog. »Ich treffe mich nicht mit Ramses. Ich war heute Nacht draußen.«
»Wo warst du?«, fragte ich, fasziniert von dem Gedanken, den Tempel verlassen zu können.
»Ich war im Haus der Krieger. Ich habe meinen Verlobten getroffen. Bitte erzähle es niemandem, Nefrit!«
»Nein, nein, natürlich nicht. Unter einer Bedingung.«
Iya sah mich unruhig an. »Welche Bedingung?«
»Du nimmst mich das nächste Mal mit.«
2
Acht Wochen vor der Priesterweihe verschwanden Iya und ich nach Mitternacht aus dem Tempel. Sie war nicht glücklich, mich mitnehmen zu müssen, aber ich ließ ihr keine Wahl: entweder mit mir oder nie mehr.
Noch nie hatte ich Mempi bei Nacht gesehen! Die Stadt war mit Fackeln und Öllampen hell erleuchtet. Selbst nach Mitternacht waren die Straßen nicht verlassen, sodass wir uns in einiger Entfernung vom Tempel nicht mehr verstecken mussten.
Wir gingen eine Weile, bis wir das Haus der Krieger erreichten. Vor dem Tor der Kaserne standen zwei Wachen, die uns widerstandslos durchließen. Mädchenbesuche nach Mitternacht schienen nicht ungewöhnlich zu sein.
»Bleib ganz dicht bei mir!«, befahl Iya. »Dann wird dir nichts geschehen.« Ich fragte mich, was mir allein geschehen sollte, was nicht uns beiden widerfahren konnte.
Hinter dem hohen Pylon lagen