Die Baumeisterin. Barbara Goldstein
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Baumeisterin - Barbara Goldstein страница 25
![Die Baumeisterin - Barbara Goldstein Die Baumeisterin - Barbara Goldstein](/cover_pre1109684.jpg)
Ich fühlte mich im Tempel eingesperrt und fragte mich, ob mir die Weihe zur Priesterin überhaupt Erfüllung geben konnte. Die Initiation zur Gottesdienerin würde bedeuten, dass ich den Tempel nur noch selten verlassen könnte. Also beschloss ich, Schreiber zu werden, und malte mir meine Zukunft in allen Farben aus, die Träume haben können.
Kemet war ein streng zentral geführter Staat, der über eine äußerst effektive Verwaltung in den Tempeln, den Palästen der Gaufürsten und den Ministerien der Hauptstadt verfügte. Die Grundkenntnisse der Schreiberausbildung hatte ich mir in der Tempelschule bereits angeeignet, die Priesterwürde Ersten Grades würde ich in einem Jahr erlangen. Nach der Priesterweihe wollte ich den Tempel verlassen, um mir eine Position zu suchen. Vielleicht würde ich Schreiber bei einer reichen Dame werden mit umfangreicher Korrespondenz im ganzen Land? Oder vielleicht würde mich ein Kaufmann einstellen, der in den Fremdländern Handel trieb.
Als Sethi mich fragte, aus welchem Grund meine Leistungen in der Tempelschule von einem Tag auf den anderen sprunghaft anstiegen, antwortete ich ihm: »Ich will Schreiber werden.«
»Der Beruf des Schreibers wird vom Vater auf den Sohn vererbt«, schüttelte er den Kopf. »Du kannst nicht Schreiber werden.«
»Aber warum denn nicht?«
»Weil du eine Frau bist. Frauen werden nicht Schreiber.«
»Aber es ist doch nicht verboten! Es hat schon Frauen gegeben, die Schreiber waren.«
»Ja, das ist wahr. Ganz besonders privilegierte und begabte Frauen hatten in der Vergangenheit das seltene Glück, die Prüfungen zu bestehen und Schreiber zu werden. Aber es waren nur zwei in den vergangenen hundert Jahren.«
»Dann werde ich die Dritte sein!«, nahm ich mir vor.
Sethi sah mich nachdenklich an. »Wenn es jemand schaffen kann, dann du, Nefrit!«
Noch am gleichen Tag informierte ich die Tempelverwaltung darüber, dass ich meinen Ausbildungsgang ändern wollte. Angesichts der ungläubigen Gesichter zweier Tempelschreiber trug ich mich aus der Liste der Kandidatinnen aus, die Priesterin Fünften Grades werden wollten, und schrieb meinen Namen in eine kürzere Liste von Schülern, die die Ausbildung zum Schreiber absolvierten. Als ich die Namen durchsah, stellte ich fest, dass nur junge Männer den Unterricht besuchten.
Am nächsten Morgen brachte mich Sethi zu Niuser und verabschiedete sich von mir. Sethi war zuständig für den Lehrgang zum Priester Ersten Grades, nicht für den Ausbildungsgang zum Schreiber. Niuser war ein ehemaliger Minister in der Regierung von Huni, der sich nach der Thronbesteigung Seneferus in den Tempel zurückgezogen hatte.
In der letzten Reihe nahm ich auf einer Schilfmatte Platz und legte mein Schreibbrett auf die Knie. Ich war die einzige Frau unter fast dreißig jungen Männern. Ich betrachtete sie, während Niuser über grammatikalische Feinheiten und offizielle Höflichkeitsfloskeln in Briefen an die Verwaltung referierte.
Khai war wie ich fünfzehn Jahre alt. Ramses war sechzehn oder siebzehn, ein sehr attraktiver junger Mann. Neben mir saß Senenmut, der mir von Anfang an sympathisch war: Sein Lächeln konnte verzaubern.
Ramses beugte sich zu mir herüber, als Niuser uns gerade den Rücken zuwandte, um mit Holzkohle etwas an die Tempelwand zu schreiben.
»Was, bei Thot, willst du hier, Nefrit?«, flüsterte er.
»Ich werde Schreiber.«
»Du kannst nicht Schreiber werden! Du bist eine Frau: Verschwinde!«
Ich war entsetzt über seine Worte. Fühlte er sich als Mann mir überlegen?
»Du hast mich nicht verstanden, Ramses!«, klärte ich ihn auf. »Ich sagte nicht: Ich will Schreiber werden. Ich sagte: Ich werde Schreiber!«
In der Mittagspause saß ich allein auf den Stufen, die zum Heiligen See hinunterführten. Die Jungen beratschlagten im Schatten des Tempels, wie sie mich loswerden konnten. Einerseits machte mir ihr Verhalten Angst, denn ich war allein, andererseits war ich stolz auf meinen Mut, es mit neunundzwanzig Jungen aufzunehmen, besonders jetzt, da sie sich offensichtlich gegen mich verbündeten. Als Senenmut zu mir herüberkam, wusste ich, dass sie noch einmal vernünftig mit mir reden wollten.
»Überbringst du mir die Kriegserklärung?«, fragte ich ihn kaltblütig.
»Wir sind der Meinung, dass du nicht Schreiber werden kannst.«
»Und warum nicht?«
»Weil du eine Frau bist.«
Ich setzte die unbewegliche Maske auf, die ich bei Seneferu beobachtet hatte und die ich in den folgenden Jahren bis zur Perfektion beherrschen sollte. »Ja, und?« Ich sah ihm direkt in die Augen, als erwartete ich von ihm eine ausführliche Begründung.
Er konnte meinem Blick nicht standhalten. »Frauen werden nicht Schreiber!«
»Ich schon, Senenmut. Ich werde Schreiber!«
»Das werden wir sehen!«
Am Nachmittag saß ich allein in der letzten Reihe. Senenmut hockte sich auf der anderen Seite des Raumes auf den Boden, um Niusers Unterricht zu folgen. Niuser registrierte diesen Platzwechsel mit einem amüsierten Grinsen und fuhr mit seinem Unterricht fort.
Den späten Nachmittag verbrachten die Schüler in einer Gruppenarbeit damit, ein Konzept zu erarbeiten für die Verteilung von Feldfrüchten und Getreide aus den Magazinen auf die Landbevölkerung im Umkreis von zwei Tagesmärschen. Es bildeten sich fünf Gruppen. Keine von ihnen wollte mich aufnehmen, und so löste ich meine Aufgabe, die meiner früheren Tätigkeit auf der Baustelle meines Vaters ähnelte, allein.
Die Gruppen mussten ihre fertigen Pläne den anderen vorstellen. Die meisten Verteilungspläne dauerten aufgrund nicht organisierter Transportwege über vier Tage. Niuser kritisierte sehr sachlich und wies auf die Schwächen der verschiedenen erarbeiteten Lösungen hin.
Als ich mich erhob und meine Ergebnisse vorstellen wollte, war die Unruhe in der Klasse so groß, dass ich meine eigenen Worte nicht verstehen konnte. Doch dann verschaffte mir Niuser die nötige Ruhe für meinen Vortrag: Meine Lieferungen erreichten die Bevölkerung innerhalb von zweieinhalb Tagen nach Verpackung, und Niuser war zufrieden, weil nicht eine einzige Melone verloren gegangen war.
In der Klasse war es nach seiner abschließenden Bewertung still. Alle Blicke waren auf mich gerichtet, und doch hatte ich das Gefühl, dass mich keiner meiner Mitschüler wirklich ansah. Sie sahen durch mich hindurch, wie man den Feind in der Schlacht ansieht, um seine Fähigkeiten und seine Gefährlichkeit abzuschätzen, ihm aber nicht ins Gesicht sieht, um selbst keine Angst zu bekommen.
»Willst du mir etwas sagen?«, fragte ich ungeduldig. Während der Mahlzeit nach den Abendriten hatte sich Senenmut neben mich gesetzt und aß seinen Braten. Hin und wieder riss er von dem weißen Brot ab und tauchte das Stück in die fettige Sauce.
»Ich bewundere dich, Nefrit«, gestand er leise.
Ich