Winnetou Band 1. Karl May

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Winnetou Band 1 - Karl May Winnetou

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style="font-size:15px;">       Savannen und die Felsengebirge reichen.«

       Das klang überschwänglich, war aber, wie ich später erfuhr, gar nicht zu viel gesagt. Rattler lachte

       höhnisch auf und rief aus:

       »So ein junger Kerl und soll schon solche Taten begangen haben? Ich sage mit Absicht "begangen", denn

       was er ausgeführt hat, werden doch nur Diebereien, Spitzbübereien und Räubereien gewesen sein. Man

       kennt das schon. Die Roten stehlen und rauben alle.«

       Dies war eine schwere Beleidigung. Die drei Fremden taten so, als ob sie sie nicht gehört hätten. Sie

       traten zu dem Bären und betrachteten denselben. Klekih-petra bückte sich nieder und untersuchte ihn.

       »Er ist an den Messerstichen und nicht an einer Kugel gestorben,« sagte er, zu mir gewendet.

       Er hatte meinen Streit mit Rattler heimlich angehört und wollte mir nun konstatieren, daß ich recht gehabt

       hatte.

       »Wird sich finden,« sagte Rattler. »Was versteht so ein buckeliger Schulmeister von der Bärenjagd. Wenn

       wir nachher dem Tiere das Fell abgezogen haben, so werden wir ganz deutlich sehen, welche Wunde

       tödlich gewesen ist. Von einem Greenhorn lasse ich mich nicht um mein Recht betrügen.«

       Da bückte sich auch Winnetou zu dem Bären nieder, betastete ihn an den Stellen, wo er blutig war, und

       fragte mich, als er sich wieder aufgerichtet hatte:

       »Wer hat dieses Tier mit dem Messer angegriffen?«

       Er sprach ein sehr reines Englisch.

       »Ich,« antwortete ich.

       »Warum hat mein junger, weißer Bruder nicht auf ihn geschossen?«

       »Weil ich kein Gewehr bei mir hatte.«

       »Hier liegen doch Flinten!«

       »Die gehören nicht mir. Diejenigen, deren Eigentum sie sind, warfen sie weg und kletterten auf die

       Bäume.«

       »Als wir der Spur des Bären folgten, hörten wir in der Ferne ein großes Angstgeschrei. Wo ist das

       gewesen?«

       »Hier.«

       »Uff! Die Eichhörnchen und Stinktiere sind da, um auf die Bäume zu fliehen, wenn ein Feind sich ihnen

       naht. Der Mann aber soll kämpfen, denn wenn er Mut besitzt, so ist ihm die Macht gegeben, selbst das

       stärkste Tier zu überwinden. Mein junger, weißer Bruder hat solchen Mut besessen. Warum wird er da ein

       Greenhorn genannt?«

       »Weil ich zum erstenmal und nur erst kurze Zeit im Westen bin.«

       »Die Bleichgesichter sind sonderbare Menschen. Bei ihnen wird ein Jüngling, welcher sich nur mit dem

       Messer an den schrecklichen Grizzly wagt, Greenhorn geschimpft; diejenigen aber, welche aus Furcht auf

       die Bäume klettern und da oben vor Entsetzen heulen, dürfen sich für tüchtige Westmänner halten. Die

       roten Männer sind gerechter. Bei ihnen kann ein Tapferer nie als Feigling und ein Feigling nie als

       Tapferer gelten.«

       »Mein Sohn hat sehr richtig gesprochen,« stimmte sein Vater in einem etwas weniger guten Englisch bei.

       »Dieses junge Bleichgesicht ist kein Greenhorn mehr. Wer den Grizzly in dieser Weise erlegt, der ist ein

       großer Held zu nennen. Und wer es gar noch tut, um Andere zu retten, die auf die Bäume entwichen sind,

       der kann von ihnen Dank aber nicht Schimpfreden erwarten. Howgh! Gehen wir hinaus ins Freie, um zu

       sehen, warum die Bleichgesichter sich hier in dieser Gegend befinden.«

       Welch ein Unterschied zwischen meinen weißen Begleitern und diesen von ihnen verachteten Indianern!

       Der Gerechtigkeitssinn der Roten trieb sie, ohne daß sie es nötig hatten, sich zu meinen Gunsten

       auszusprechen. Es war sogar ein Wagnis, daß sie dies taten. Sie waren nur zu dreien und wußten nicht,

       wieviel Köpfe wir zählten; sie begaben sich gewiß in eine Gefahr, wenn sie sich unsere Westmänner zu

       Feinden machten. Daran schienen sie aber gar nicht zu denken. Sie gingen langsam und mit stolzen

       Schritten an uns vorüber und dann aus dem Gebüsch hinaus. Wir folgten ihnen. Da sah Intschu tschuna

       die Meßpfähle stecken, blieb stehen, wendete sich zu mir zurück und fragte:

       »Was wird hier getrieben? Wollen die Bleichgesichter etwa dieses Land vermessen?«

       »Ja.«

       »Wozu?«

       »Um einen Weg für das Feuerroß zu bauen.«

       Sein Auge verlor den ruhigen, sinnenden Blick; es leuchtete zornig auf, und fast hastig erkundigte er sich:

       »Du gehörst zu diesen Leuten?«

       »Ja.«

       »Und hast mit vermessen?«

       »Ja.«

       »Du wirst bezahlt dafür?«

       »Ja.«

       Da war es ein verächtlicher Blick, den er über mich hinweggleiten ließ, und ebenso verächtlich klang sein

       Ton, als er zu Klekih-petra sagte:

       »Deine Lehren klingen sehr schön, aber sie treffen nicht oft zu. Da hat man endlich einmal ein junges

       Bleichgesicht gesehen mit einem tapferen Herzen, offenem Gesicht und ehrlichen Augen, und kaum hat

       man gefragt, was es hier tut, so ist es gekommen, um uns gegen Bezahlung unser Land zu stehlen. Die

       Gesichter der Weißen mögen gut sein oder bös, im Innern ist doch Einer wie der Andere!«

       Wenn ich ehrlich sein will, so muß ich sagen, daß ich keine Worte zu meiner Verteidigung hätte finden

       können; ich fühlte mich innerlich beschämt. Der Häuptling hatte recht; es war so, wie er sagte. Konnte ich

       etwa stolz auf meinen Beruf sein, ich streng moralischer, christlicher Landesvermesser?

       Der Oberingenieur hatte sich mit den drei Surveyors in das Zelt versteckt. Sie blickten durch ein Loch

      

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