Homo sapiens movere ~ gezähmt. R. R. Alval

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Homo sapiens movere ~ gezähmt - R. R. Alval

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Bluse richtend und meine müden Glieder streckend, gähnte ich herzhaft und wischte mir die Müdigkeit aus dem Gesicht.

      Halbwegs.

      Erneut schielte ich an die Uhr. Wow, es waren schon elf Minuten vergangen. Trotzdem waren es immer noch 19 Minuten bis zum Frühstück. Bis dahin musste ich einfach meine Beine zusammenkneifen. Seufzend lugte ich auf die kopierten Papiere, die wie ein mahnendes Chaos auf meinem Schreibtisch thronten. Obwohl ich mir sicher war, dass niemand bei mir vorbeischauen würde, verstaute ich sie vorsichtshalber in der unteren Schublade des Schreibtischs. Man konnte nie wissen! Vielleicht käme ja ausgerechnet heute mein Chef auf die Idee, mir einen Besuch abzustatten.

      Wie schon gestern griff ich nach dem Magazin, dass ich bereits in und auswendig kannte und blätterte lustlos darin herum. Nächste Woche sollte ich mir vielleicht ein Buch mitbringen, hm? Oder mir den Kopf zerbrechen, wie ich meinen Umzug auf die Reihe bekam, ohne dabei großartig die Nerven zu verlieren. Vielleicht könnte mir mein Vater ein paar der kleineren Dinge zur Wohnung transportieren? Dann müsste ich nicht so oft fahren. Natürlich klappte das nur, wenn ihm seine Freundin das nicht ausredete. Ich könnte auch meine Mutter fragen, sollte es jedoch tunlichst vermeiden, dass die beiden sich aus Versehen über den Weg liefen. Aber auch bei ihr musste ich davon ausgehen, dass sie irgendetwas mit ihrem neuen Lover erledigen wollte. In solchen Momenten hasste ich es, ein Einzelkind zu sein!

      Nun ja, ganz stimmte das nicht. Meine Mutter hatte noch einen kleinen Nachzügler in die Welt gesetzt. Doch mit seinen elf Jahren konnte er mir ganz schlecht beim Umzug helfen. Zumindest nicht mit den Dingen, die ich unter helfen verstand. Und mein Paps hatte noch vier oder acht Kinder in der Umlaufbahn schweben, die ich aber weder kannte noch wusste, ob mein Vater überhaupt die Übersicht behielt. Zumindest seine neue Freundin schien mit der Familienplanung vorsichtiger zu sein. Schließlich war die erst 21.

      Wie lange war es eigentlich her, dass meine Eltern sich getrennt hatten? Neun Jahre? Oder waren es bereits zehn? Ich wusste es nicht mehr. Die Hauptsache war für mich, dass ich zu beiden Kontakt hatte. Manchmal mehr, manchmal weniger. Das Weniger bevorzugte ich allerdings mehr.

      Trotz meiner Panik, was den Umzug betraf, entschied ich mich vorsichtshalber keinen der beiden anzurufen. So gern ich meine Eltern auch hatte, sie konnten doch furchtbar anstrengend sein. Wenn es nach ihnen ginge, müsste ich bis zu meiner Hochzeit Jungfrau bleiben und in ihrem Haus wohnen. Ganz zu schweigen davon, dass es vernünftig und zumutbar wäre einen Anstandswauwau dabei zu haben, sollte ich doch einmal in die Verlegenheit kommen und ein Date haben.

      Ich hasste ihre Doppelmoral!

      Es mochte sein, dass sie es gut meinten, doch ich fand es zum Kotzen. Freilich hatte ich mein erstes Mal schon hinter mir. Nicht, dass es etwas Besonders oder Supertolles gewesen wäre. Es war so kurz gewesen, dass ich mich nach den zwei Minuten fragte, warum die Erwachsenen deswegen solch einen Aufruhr veranstalteten. Vielleicht wäre es mit der Zeit besser geworden, intensiver oder wenigstens etwas andauernder, aber mein damaliger Freund musste am nächsten Tag in ein anderes Bundesland, um dort sein Studium zu beginnen.

      Aber auch so hätte ich mich zu diesem Zeitpunkt zu so ziemlich allem überreden lassen. Solange ich nur etwas fühlte. Freilich hatte er versprochen, sich jeden Tag zu melden und mich zu besuchen, doch die Anrufe kamen immer seltener und die Besuche blieben ganz aus. Es hatte mir weitaus weniger ausgemacht, als ich angenommen hatte. Ich wusste auch warum: Alex war nicht meine große Liebe gewesen. Eher eine Art Zweckbeziehung, damit ich mich lebendig fühlte. Alex hatte es vermutlich ebenso gesehen. Und dank meines – durch diese Erkenntnis geschürten – eher schüchternen Auftretens gegenüber anderen, war es auch das erste und gleichzeitig einzige Mal geblieben, was ich meinen Eltern nicht auf die Nase band.

      Meine Erfahrung in Sachen Sex beschränkte sich also auf grob geschätzt zwei Minuten, plus minus ein paar Sekunden. Und die letzten 17 Jahre hatte ich keinerlei Verlangen danach gehabt. Klar hatte ich von viel Romantik und dem einen Mann geschwärmt, den es wohl nie gäbe. Männer ritten nämlich selten auf weißen Rössern an mir vorbei. Hey, ich war eine moderne Frau: Wer brauchte schon ein Pferd? Der Mann meiner Träume durfte auch einen richtig schnittigen Wagen fahren.

      Himmel, jetzt war ich in meinen Gedanken aber mächtig abgeschweift!

      Ich sah auf die Uhr und entschied, dass ich die fünf Minuten bis zur Frühstückspause getrost ignorieren konnte. Denn wenn ich nicht schleunigst auf Toilette käme, passierte ein Malheur. Falls nicht hier, dann spätestens im Aufzug.

      Fünfundzwanzig Minuten später betrat ich grinsend mein Büro. Ich hatte die Pause zwar ein wenig überzogen, aber das war es wert gewesen. Nicht nur hatte ich mich in Windeseile frisch gemacht, meine Notdurft verrichtet, mein Make-up neu aufgetragen und mir einen Kaffee geholt, sondern war auch noch in dem kleinen Kiosk gegenüber gewesen, hatte mir ein neues Magazin und – tadaa – einen großen Rucksack besorgt, in dem ich die Kopien mühelos wegschafften konnte. Keiner würde sich etwas dabei denken, wenn ich zum Freitagnachmittag mit einem Rucksack das Gebäude verließ.

      Dessen war ich mir sicher.

      Oder sagen wir lieber: Es musste einfach klappen!

      Trotz meiner Nervosität, was meine heiklen Beweisstücke anging, verlief der Vormittag schleppend wie eh und je. Bis zum frühen Nachmittag, als die Behörde in ihr wohlverdientes Wochenende ging, erreichte mich nur eine weitere Rohrpost. Ermüdend. Besonders, da ich in der Nacht kaum ein Auge zugetan hatte. Meine Bedenken, was das Schmuggeln der Kopien betraf, wurden schnell zerstreut. Niemand kam mir auf dem Weg nach draußen entgegen. In der Tiefgarage achtete niemand auf mich. Alle wollten nur schnellstmöglich nach Hause. Trotzdem klopfte mein Herz wie ein wild gewordenes Rhinozeros und beruhigte sich erst, als ich meine Wohnungstür hinter mir schloss. Vorsichtshalber lugte ich noch etwa zehn Minuten durch den Spion, aber meine Paranoia war völlig unbegründet.

      Ich hatte außerdem Wichtigeres zu tun.

      Ich musste eine Verschwörung aufdecken. Oder einen Skandal. Zumindest aber einen Betrug an den Familien der Verstorbenen.

      Das Ausmaß meiner verrückten Aktion wurde mir jedoch erst am späten Nachmittag bewusst, nachdem ich mir die Akten stundenlang angesehen hatte. Vorsorglich hatte ich auf Kaffee und Essen verzichtet, denn ich wusste, welche Bilder mich erwarteten. Auch wenn meine Augen sie sahen, konnte mein Gehirn sie nicht begreifen. Fakt war, dass ich nie zuvor etwas auch nur annähernd Grausameres gesehen hatte. Es gab jedoch einen gravierenden Unterschied zwischen den Bildern auf den ersten zwei Seiten und den darauf folgenden. Die auf den ersten Seiten unterschieden sich kaum voneinander, während die auf den folgenden Seiten bei jeder Akte unterschiedliche Grade der Zerstörung aufwiesen, die unweigerlich zum Tod führten. Warum hatte man die movere erst derart grausam gefoltert – alle mit den gleichen Methoden – um sie dann mit so vielen ungleichen Praktiken zu töten. Wozu diese eigenartigen Experimente und wie lange hatten sie am Leben bleiben müssen, bevor ihnen endlich der Tod gewährt wurde?

      Erst bei der ungefähr dreißigsten Akte wurde ich stutzig. Vermutlich, weil mich eine handgeschriebene Randnotiz darauf hinwies: ‚Zielobjekt konnte trotz Einwirkung von Wagner nicht eliminiert werden.’ Irritiert blätterte ich nach vorn. Doch es änderte nichts daran, dass ich die Akte eines Jonas Wagner in der Hand hielt, der ganz offensichtlich nicht das ‚Zielobjekt’ gewesen war. Aber wer dann, und warum stand es in seiner Akte? Beunruhigt begann ich alle Akten nach handschriftlichen Randbemerkungen durchzublättern und siehe da, bei achtzehn wurde ich fündig. Dass es sich jedes Mal um dieselbe Anmerkung handelte, abgesehen vom Namen, war wirklich blöd. Ein kleiner Hinweis wäre sehr hilfreich gewesen.

      Das Unterfangen erinnerte mich an ein Puzzlespiel, von dem ich nicht wusste, wie es auszusehen hatte.

      Also begann ich, mir selbst Notizen zu

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