Homo sapiens movere ~ gezähmt. R. R. Alval
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Immerhin etwas.
Doch es war besser, alles weitere nur schriftlich zu klären, ohne mit Alisa oder Briony Kontakt aufzunehmen. Trotzdem! Was war an Weller-Opt dran, dass schon allein die Suche nach seiner Akte mich in eine derartige Lage gebracht hatte? Nun, hier unten war ich ganz allein. Niemand kam vorbei oder beobachtete mich. Es war so still, dass ich – abgesehen von dem leisen Rascheln, wenn ich eine Seite umblätterte – nur meine eigenen Atemzüge hörte. Draußen auf dem leeren Gang war das nicht anders. Und ein weiteres Büro gab es hier unten nicht. Selbst um zur Toilette zu gehen, musste ich erst drei Etagen nach oben fahren.
Was es hier unten allerdings gab, war das Archiv.
Zwar noch eine Etage tiefer und sich über mehrere Etagen erstreckend, doch offiziell hatte ich dort nichts mehr zu suchen. Im Archiv befanden sich sämtliche Unterlagen, die sich nach den Revolutionen und teilweise auch schon davor angehäuft hatten. Für den Fall, dass die Technik einmal versagte.
Wenn Weller-Opt schon in unserem System auftauchte, hieß das, dass ich im Archiv Unterlagen über ihn finden müsste. Selbst wenn er woanders gelebt hatte, was jedoch nur zuträfe, wenn er ein movere war. Nur aus diesem Grund, weil jeder movere verzeichnet wurde, egal wo in Deutschland er lebte, war das Archiv so verdammt riesig. Und zwar nicht nur in dieser Stadt. Die Akten enthielten nämlich höchstens ein oder zwei Seiten. Hauptsächlich Adressen, Fähigkeit, Namen, Geburtsdatum, eventuell das Sterbedatum, Familienstand und Nachkommen beziehungsweise angenommene Kinder. Aber es gab viele movere. Und alle mussten ihre Fähigkeiten offenbaren, was ich nicht unbedingt für richtig hielt.
In meinen Augen waren movere nicht zwingend gefährlicher oder krimineller als ein normaler Mensch. Dabei fiel mir ein, dass ich Alisas Namen nicht angezeigt bekommen hatte, als ich nach Weller-Opt suchte. Sie war demzufolge ein gewöhnlicher Mensch und hatte ihren Wohnsitz nicht in unserer Stadt oder war zumindest noch nicht gemeldet. Ansonsten wäre sie vermutlich schon längst von jemandem befragt worden. So wie auch ich befragt worden war.
Immerhin könnte es einen Zusammenhang zwischen ihr und dem mysteriösen Mann geben, auch wenn ich es selbst nicht so recht glaubte. Die Frage war nur, wie kam ich ins Archiv? Stimmte der Nummerncode noch, den ich bis vor kurzem nutzen konnte? Und rechtfertigte meine Neugier den Umstand, dass ich dafür definitiv in die Bredouille geriet, wenn ich entdeckt wurde?
Nein.
War mir egal!
Ich wollte wissen, warum ich versetzt worden war, wenn ich den Inhalt der Akte doch gar nicht kannte und nach der Befragung mit dem Scanner offensichtlich war, dass ich in keinem Auftrag gehandelt hatte.
Zwar würde das an meiner Situation nichts ändern und es entsprach auch nicht wirklich meinem Wesen, doch ich konnte meine innere Unruhe, dass irgendetwas nicht stimmte, nicht weiter verleumden. Allerdings musste mein Aufsuchen des Archivs gut geplant sein. Während meiner Arbeitszeit kam es überhaupt nicht in Frage. Nicht, weil ich soviel zu tun hatte, sondern weil eher das Gegenteil zutraf. Sobald eine Anfrage per Rohrpost bei mir ankam, musste ich diese umgehend bearbeiten, wofür mir etwa zehn Minuten zustanden. Ich müsste also nach dem Feierabend hier bleiben. Unbemerkt. Da hier unten niemand nach mir sah, dürfte das kein Problem sein.
Wer sollte auch auf die Idee kommen, dass ich länger als nötig in diesem Kabuff versauerte?
Blieb zu hoffen, dass das Büro nach Feierabend nicht kontrolliert wurde. Ich würde es einfach probieren und die erste Stunde nach Feierabend sitzen bleiben und abwarten, ob jemand nachsehen kam. Notfalls konnte ich immer noch behaupten eingeschlafen zu sein. Soweit hergeholt war das nicht.
Denn ehrlich?
Hier unten husteten noch nicht einmal die Flöhe.
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Den Plan setzte ich Donnerstag, vier Tage später, um. Den Tag zuvor hatte ich in der Mittagspause getestet, ob das Archiv für mich noch zugänglich war. Ich war nicht weiter überrascht, dass der mir bekannte Nummerncode noch funktionierte. Schließlich hatte er sich die ganze Zeit, die ich hier arbeitete, noch nie geändert. Außerdem machte sich selten jemand die Mühe, das Archiv überhaupt aufzusuchen – es stand alles per Mausklick zur Verfügung.
Für jeden; außer für mich.
Ich schaute auf die Uhr. Es war doch tatsächlich schon zehn Minuten nach Torschluss. Ein wenig wollte ich jedoch noch warten, ehe ich mich nach unten begab. Nach noch weiter unten, um genau zu sein. Ich war mir des Umstandes, dass ich die gesamte Nacht im Gebäude der Stadtverwaltung verbringen würde, durchaus bewusst. Nach Dienstschluss wurde das Gebäude verschlossen. Jeder der hinaus wollte, musste seine Karte benutzen und wurde registriert. Freilich konnte man auch mit jemand anderem hinaus schlüpfen, was kein Problem darstellte. Wieder hinein zu kommen, war ebenfalls möglich, ohne dass man extra registriert wurde. Aber es fiele mit Sicherheit auf, wenn ich ein oder zwei Stunden später das Gebäude erneut verließ. Demzufolge blieb mir gar keine andere Wahl – ich würde, sofern alles gut ging, die gesamte Nacht hier sein.
Die Zeit verlief bisher nur langsam.
Doch endlich war die Stunde vorbei und – Wunder über Wunder – niemand hatte sich die Mühe gemacht, in meinem Büro vorbei zu sehen. Vorsichtig öffnete ich die Tür und lugte auf den Gang. Totenstille. Keine Schritte, keine Stimmen, keine Geräusche, kein Rattern des Paternosters. Außer meinem aufgeregten Herzklopfen, dass man bestimmt bis in die oberen Etagen vernahm. Leise tappte ich den Gang entlang, ließ den Aufzug links liegen – womöglich wurde dadurch nur der Sicherheitsdienst auf mich aufmerksam – und lief mit meiner Gänsehaut als Begleitung die Treppen hinunter. Nur die Notbeleuchtung brannte, was die ganze Sache noch gruseliger machte.
Endlich stand ich mit wild klopfendem Herzen vor der Tür zum Archiv. Würde jemand mein außerplanmäßiges Eintreten bemerken? Falls ja, würde ich das umgehend wissen, denn das Archiv ließ sich im Notfall hermetisch abriegeln. Ein Eindringling galt mit Sicherheit als Notfall, oder? Verdammt, ich war mir nicht mehr sicher, ob ich das wirklich riskieren wollte! Wie lange würde meine Luft reichen? Was, wenn ich aufs Klo musste? Verflixt! Meine Angst würde mich eher umbringen als der eine Schritt ins Archiv, der alles entschied.
Zitternd flogen meine Finger über das Nummernfeld an der Tür, bis sechs grüne Lämpchen aufleuchteten und die Tür lautlos entriegelt wurde. Tief Luft holend trat ich ein und… nichts passierte. Kein Knall, kein Zischen, nichts. Nur das Licht ging an. Vollautomatisch. Ein Bewegungsmelder, der – soweit ich wusste – nirgendwo aufgezeichnet wurde. Falls doch – tja, das würde ich bald wissen.
Ich bekreuzigte mich und begann meine Suche.
Erleichtert stellte ich fest, dass die Akten nicht nach Jahreszahlen, sondern alphabetisch geordnet waren. Also auf zum Gang mit dem W. Der lag am hinteren Ende, so dass nun dort die Lichter aufflammten und die am Eingang allmählich erloschen. Praktisch. Allerdings auch heikel, sollte noch jemand das Archiv betreten. Besonders wenn es der Sicherheitsdienst wäre. Ach was, du machst dir zu viele Gedanken! Das sagte ich mir zwar, aber meine Nervosität blieb. Besonders, weil ich die besagte Akte nicht finden konnte.
Was seltsam war.
Schließlich war Weller-Opt im System und demzufolge