Eine Studentin. Peter Schmidt

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AUF­GE­FUN­DEN

      Sie konnte sich nicht einmal mehr daran erin­nern, wo sie wohn­te und wie sie hieß.

      Amnesie, das wusste Caro­lin aus dem Stu­dium, konnte durch einen Un­fall, zum Bei­spiel ein Hirn-Schä­del-Trau­ma, aber auch durch Schlag­an­fall oder ver­schie­dene an­dere Krank­hei­ten aus­ge­löst wer­den. Manch­mal blie­ben die Ur­sa­chen auch völ­lig un­be­kannt.

      Das ist Manuela Winter – nein, Win­ters“, be­rich­tigte sie. Sie hat das­selbe Se­minar be­legt wie ich.“

      „Dann solltest du unbe­dingt deine Anga­ben zu Pro­tokoll ge­ben. Bis­her tap­pen wir näm­lich noch völ­lig im Dun­keln. Von Seiten ihrer Uni­ver­sität – kann sein, aus dem Uni­versi­täts­sek­reta­riat – gibt es einen Hin­weis, sie könnte sich mo­mentan ir­gend­wo in den USA aufhal­ten“

      „Heißt das, man hat dir den Fall über­tra­gen, Ro­bert? Gratu­liere …“

      „Nicht mir allein, ein gan­zer Stab ar­beitet daran. Also bitte kei­ne Vor­schuss­lor­bee­ren.“

      „Na, wenn das kein Karrie­re­sprung ist …“

      „Die Presse läuft Sturm we­gen der rät­sel­haf­ten Vor­fälle. Un­se­re Tele­fone klin­geln Tag und Nacht.“

      „Dann zieh einfach den Ste­cker aus der Wand …“

      „Leichter gesagt als getan. Es gibt da ein paar Politi­ker, die uns ge­nau auf die Fin­ger schau­en, schon we­gen des Echos in den Me­dien. Diese Frau­en ha­ben nicht nur ihr Ge­dächt­nis ver­lo­ren. Der Kör­per der einen ist vol­ler blau­er Fle­cke. Eine an­dere war bei der Ver­neh­mung kahl­köp­fig und am gan­zen Kör­per ra­siert.“

      „Rasiert, wozu?“

      „Keine Ahnung. Eine an­dere macht dau­ernd ob­szöne Bemer­kun­gen.“

      „Vielleicht, weil sie etwas Schreckli­ches er­lebt hat?“

      „Eine Vergewaltigung?“

      „Oder so was Ähnliches.“

      „Dafür haben wir bisher keiner­lei Hin­weise ge­fun­den. Wenn man die Frau­en an­spricht, hat man den Ein­druck, sie ver­ste­hen einen gar nicht. Es dau­ert im­mer eine Zeit­lang, bis man eine halb­wegs plau­sible Ant­wort be­kommt.“

      „Aber dann reden sie wie­der nor­mal?“

      „Nein. Sie wirken eher geis­tes­ab­we­send.“

      Woran erinnert mich das aus mei­nen Semi­na­ren?, über­legte Ca­ro­lin. Beim Stu­dium von Kran­ken­be­rich­ten hatte sie schon viel mit selt­sa­mem Ver­hal­ten zu tun ge­habt. Das ge­hör­te zur Aus­bil­dung. Aber was be­deu­te­ten in der Neu­rologie ver­zö­gerte Reak­ti­onen beim Spre­chen?

      „Wir haben jetzt vier Fälle ohne jeden An­halts­punkt“, sagte Ro­bert.

      Sie sah sich noch einmal die Fo­tos in der Zei­tung an.

      „Was ist mit der vierten Frau? Sieht aus, als wenn ihr … ein Auge fehlt?“

      Carolin hob die Zeitung ins Licht, um bes­ser se­hen zu kön­nen. Oder lag es nur am schlech­ten Druck? Nein, es war kein Feh­ler. Es war ein­deu­tig eine leere Au­gen­höhle.

      „Robert …?“

      Keine Antwort.

      „Gibt es etwas, über das du nicht mit mir re­den willst?“

      „Ihr fehlt ein Auge, ja …“

      „Was bedeutet das?“

      „Ich glaube nicht, dass jetzt der rich­tige Zeit­punkt ist, darüber zu reden – so kurz nach dei­ner Rück­kehr.“

      „Heißt das, du willst mich scho­nen? Schon mal was von Resi­lienz ge­hört?“

      „Mentale Abhärtung … oder so ähn­lich.“

      „Resilienz ist in unserem Fach be­son­ders wich­tig, weil stän­dig ziem­lich üble Dinge auf uns zu­kom­men. Einige bre­chen des­we­gen so­gar ihr Stu­dium ab. Und ein ge­öff­ne­tes Ge­hirn, wenn wir im Lim­bi­schen Sys­tem mit dem Skal­pell Teile des Ce­re­brums oder des For­nix cere­bri freile­gen, ist auch nicht ge­ra­de ap­pe­tit­lich.“

      Robert nickte nur unmerklich und schwieg.

      „Irgendwas nicht in Ord­nung?“

      „Ihr rechtes Auge hängt an einer An­gel­schnur – Mi­nia­tur­ha­ken Größe 24, so die Be­zeich­nung im Ka­talog für Zu­be­hör – über einem Kirchenal­tar.“

      „Ihr Auge hängt … wo?“, fragte sie.

      Ihr Bruder gab keine Antwort.

      „Robert …?

      „Spielt es denn eine Rolle, wo?“

      „Ja, wieso nicht …“

      „Es hängt über dem Kru­zi­fix am Altar St. Ma­ria Mag­da­lena, das ist eine Kirche hier in der Nähe. Das Auge darf erst nach der Spu­ren­si­che­rung ab­genom­men wer­den. Die Siche­rung von ge­neti­schem Ma­teri­al erfordert im­mer be­son­dere Vor­keh­run­gen, des­halb ist der Zutritt bis auf Weite­res ge­sperrt.“

      „Aber wer hängt denn ein Auge über einen Kir­chen­al­tar – und wozu?“

      „Keine Ahnung.“

      „Hört sich das nicht nach durch­ge­knall­tem Psy­cho­pa­then an?“

      „Wir haben noch nicht den ge­rings­ten Hin­weis, was da­hin­ter­steckt.“

      Als sie das Café verließen, wink­te Ro­bert ei­nem vor­über­fah­ren­den Wa­gen zu …

      Carolin konnte nicht erken­nen, wer am Steuer saß – viel­leicht eine sei­ner zahllo­sen Freun­din­nen. Ihr Bru­der war trotz seines schwächli­chen Aus­se­hens eine Art Frau­en­held. Was denn auch sonst bei ei­nem Kerl, der jede Nacht mit einer groß­kalibri­gen Waffe ins Bett ging?

      Auf dem Park­platz öff­nete er das Hand­schuh­fach und nahm ein Farb­foto her­aus.

      „Sind deine Nerven stark ge­nug, dir das hier anzu­se­hen?“

      „Was?“, fragte sie argwöh­nisch.

      „Na, das Auge …“

      Sie musste sich übergeben, als sie das Foto sah. Es kam so plötz­lich und war ein so star­ker Re­flex, dass sie nur noch die Wa­gen­tür auf­sto­ßen konn­te und sich auf den Park­plat­z er­brach. Robert reich­te ihr ein Ta­schen­tuch …

      Aber

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