Mondschein-Serenade. Albert Morava
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Die Hoffnung, geheilt werden zu können, wollte er nicht als Hoffnung verstehen, sondern als sichere Tatsache. Tamara, eine Kranke ohne greifbares Krankheitsbild, war für ihn nicht krank.
Er selbst hielt sich für kerngesund und war es auch. Sein Körper war jung und durchtrainiert, obwohl er – außer den Sportpflichtstunden an der Universität - wenig Sport trieb.
Dem Spruch der alten Römer - mens sana in corpore sano - zum Trotz, war ihm der Geist und die Seele wichtiger als pure Körperertüchtigung, die ihm zu langweilig war.
Tamara hingegen nahm bereits als fünfjähriges Mädchen, noch bevor ihr das weiße Blut diagnostiziert wurde, Ballettstunden.
Die Spagatstellung war ihr Glanzstück. Der Körper einer Balletttänzerin hat schön zu sein; der Körper war ihr wichtiger als die Seele.
Es kam auch vor, dass sie sorgfältig überlegte und von langer Hand geplante Entscheidungen aus scheinbar nichtigen Gründen oder ganz ohne Grund plötzlich verwarf. Manchmal war sie sich selbst ein Rätsel, doch kann man über den eigenen Schatten springen?
Wenn es stimmt, dass man eine Frau nie ganz kennt, so traf dies auf Tamara zu; sie war ständig auf der Suche nach sich selbst, ohne sich je zu finden.
Das Herz einer Frau und der Himmel im Herbst, verändern sich schnell, sagt ein japanisches Sprichwort.
6 Fiesta cubana
Weihnachten stand jetzt unmittelbar vor der Tür und Jan hatte seitdem Tamara nicht mehr gesehen. Ins Klementinum kam sie nicht mehr. Die Studentenkolonie leerte sich; viele Einheimische waren nach Hause verreist.. So auch Martin, Jans Zimmergenosse und Milan, der Bauernsohn, der ohnehin nur selten da war. Geblieben waren Ausländer, die meisten aus Südamerika.
( Die Sowjetunion unter Nikita Chruschtschow hatte sich nicht nur die Eroberung des Weltalls zum erklärten Ziel gemacht – nach der Hündin Laika war der Kosmonaut Juri Gagarin bereits als erster Russe erfolgreich um den Erdball geflogen - sondern auch die Eroberung Lateinamerikas. Kuba war nur der erste Schritt auf diesem Weg.)
Eines Abends kam Manuel vorbei, der schwarze, ehemalige Varieté -Tänzer aus Havanna.
In den Pflichtsportstunden glänzte er mit perfekt koordinierten Turnübungen auf dem Schwebebaum. Unglaublich elastisch und sicher war er sogar in den schwierigsten Positionen; selbst der immer schlecht gelaunte, arrogante Sportlehrer, dem selten eine Leistung gut genug war, konnte seine Bewunderung kaum verbergen.
Jan war allein im Zimmer und unterhielt sich mit Manuel im Stehen, da im Zimmer keine zwei Stühle waren.
"Kommst du Samstagabend vorbei?" fragte Manuel. "Wir aus Kuba veranstalten ein Weihnachtsfest dort drüben in der alten Fabrik. Eine fiesta cubana!"
Manuel setzte sich unauffordert auf Jans Bett.
"Es wird getanzt, Musik aus Kuba haben wir auf dem Tonbandgerät -"cuando salí de Cuba", trällerte er plötzlich los, " he cerrado mi corazón!" Bei uns ist Weihnachten ein lustiges Fest."
"Schöne Sprache habt ihr, klangvoll und melodisch, Spanisch!"
"Kubanisch", sagte Manuel. " Für uns ist Spanisch eine andere Sprache!"
"Wir stellen dort ein paar Tische auf und die Mädchen mit Gisela", kicherte er, "werden Häppchen mitbringen. Selbstgemachte kubanische tostados ! Weißt du, was tostados sind?“
Jan hatte keine blasse Ahnung.
"Frittierte Kleinigkeiten zum Essen. Nicht fette Bratwurst wie hier!"
“Claro..ich bin dabei. Und wann geht es los?"
Manuel fasste plötzlich Jans Hand an, zog ihn zu sich aufs Bett und legte einen seiner dunklen Arme um seine Schulter.
"Du bist nicht aus Prag", sagte er."Woher kommst du genau?"
"Kennst du nicht! Eine kleinere Stadt im Osten." Jan nannte ihm den für kubanische Zungen schier unaussprechlichen Namen seiner Geburtsstadt. "Und du ?"
"Kennst du auch nicht! Eine kleine Stadt in der Mitte Kubas. Sind wir Freunde?"
Er schwenkte den anderen Arm in unklarer Richtung aus, um die Bedeutungslosigkeit dieser Stadt zu unterstreichen. Seine Hand berührte dabei wie zufällig Jans Brust. Er zog sie nicht zurück, die Geste war eindeutig.
"Aber getanzt habe ich in einem Varieté in Havanna."
"Was du nicht sagst?"
Bei so viel freundschaftlicher Nähe fühlte Jan sich plötzlich nicht mehr wohl, stand auf und sagte forsch: " Eure Musik gefällt mir, guter Tänzer bin ich aber nicht!"
"Wusste ich doch", sagte Manuel deutlich enttäuscht und stand auch auf, "dass du aus einer spießigen Kleinstadt kommst!"
Die Zimmertür, deren Schloss und Klinke im äußerst schlechten Zustand und reparaturbedürftig waren - um die Tür richtig zu schließen bedarf es einer besonderen Anstrengung, gepaart mit technischer Kunstfertigkeit - ging wie von selbst auf.
Vom Korridor her zischte ein kalten Luftzug, man hörte Husten und rauhe Stimmen, die auf spanisch fluchten.
"Cojones..das sind sie!",sagte Manuel.
"Wer?"
"Dionisio und Roberto"
"Habt ihr euch in meinem Zimmer verabredet?"
"Nein, hier zieht es doch wie Hechtsuppe".
"Suchen Sie etwa dich?"
"Vermutlich", grinste Manuel. Er hatte auffallend weiße Zähne. "Ich habe ihnen einen Pantomimentanz für die Fiesta versprochen."
Die beiden Kubaner betraten das Zimmer. Dionisio, der kräftige Hände hatte, befleißigte sich, die Zimmertür wieder zu schließen. Roberto, blass, erschöpft, schaute ihm mutlos zu.
Die kubanischen Amtsträger, die die muchachos nach Prag geschickt hatten, kannten die Tücken des tschechischen Winters nicht oder sie wollten sie nicht kennen. Sie gaben ihnen keine Wintermäntel auf die Reise mit.
Zu jener Zeit entsprach der Preis eines Wintermantels etwa der Hälfte des Monatslohns eines tschechischen Durchschnittsverdieners. Die Kubaner verfügten nur über schmale Stipendien: der Kauf eines Wintermantels bedeutete für sie, für die nächsten zwei Monate gänzlich Pleite zu sein.
"Sucht ihr euren compañero Manuel oder kommt ihr zu mir?" staunte Jan. Es war der erste Besuch, den er je in diesem Zimmer hatte.
"Roberto ist erkältet und braucht einen Wintermantel", sagte Dionisio. Seine tiefe, ein wenig heisere Stimme klang ruhig, zu ruhig für einen temperantvollen Nachkommen der spanischen conquistadores. Doch in der Ruhe liegt Kraft. Er selbst hatte einen Wintermantel, unklar war jedoch auf welchen Wegen er zu diesem gekommen war. Immerhin konnten