Mondschein-Serenade. Albert Morava
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Man munkelte, er käme von einer Stadt aus dem Kaukasus nahe der persischen Grenze. und daher kamen wohl auch Tamaras schwarze Augen.
Sie hatte ihren Vater nie kennengelernt. Ihre Mutter sprach selten von ihm und ihr Lebensgefährte Marek - ein tüchtiger und gut verdienender Mineur, der das kostbare und Kernenergie spendende Mineral Uran in einer der im nahen Joachimstal gelegenen Zechen abbaute - kümmerte sich mehr um seine eigene Tochter. Tamara war für ihn ein Kukucksei. Außerdem war Tamara ihm bereits als Kind intelligenzmässig haushoch überlegen.
Einmal hatte sie - noch im Kindergartenalter - ein Gespräch zwischen ihrer Mutter und einer anderen Mutter mitbekommen, es ging dabei um Marek.
"Ich weiß nicht, was du an ihm hast", sagte die andere Mutter. "Er ist doch wohl nicht besonders intelligent und auch nicht besonders erotisch."
"Mama", unterbrach die kleine Tamara das Gespräch, "was heißt erotisch?"
"Für mich ist der Mann erotisch, der Geld hat", sagte ihre Mutter zu der anderen Mutter, ohne auf Tamaras Frage einzugehen.
Es war bekannt, dass die Arbeit im Uranabbau krebsfördernd war und dass die durchschnittliche Lebenserwartung eines Bergmanns hier viel kürzer war als in anderen Berufen.
"Hat er eine Lebensversicherung?" fragte die andere.
Marek hatte eine Lebensversicherung. Tot war er eine Million tschechischer Kronen wert. Damit war er eine Goldgrube und eine der guten bis sehr guten Partien der damaligen Zeit.
Erotisch heisst reich, dachte das Kind. Doch Marek blieb kerngesund, Leukämie traf Tamara.
Nichtsdestotrotz war sie kein Kind von Traurigkeit, vielleicht gerade auch wegen diesem für andere unsichtbarem Nachteil. Man sagt solchen Menschen auch eine ausgeprägte Neigung zur Lebenslust und besondere Sinnlichkeit nach. Wie weit sind sie noch von ihrer letzten Meile entfernt, die sie irgendwann einmal im Leben werden gehen müssen? Ist sie schon nah oder ist sie noch fern?
Darüber sinnierte Tamara nicht viel, da sie mit dieser Krankheit, die sie seit zarter Kindheit begleitete, bestens vertraut war. Die Krankheit sowie die regelmäßigen therapeutischen Behandlungsermine waren zum festen Bestandteil ihres Lebens geworden und waren somit selbstverständlich.
An Leukämie kann man sterben, aber mit Leukämie kann man auch lange leben. Tamara wollte leben - lange leben - und dieser Wunsch setzte sich wie von selbst in eine innere Energie um, die ihr Kraft und Entschlossenheit bei der Bewältigung der Dinge des Alltags gab.
In ihrem Freundeskreis sprach sie selten über ihre Krankheit, es gab daher nur wenige nahe Freunde oder Freundinnen, die um dieses Leiden wussten.
*********
Istvan hieß der Mann, mit dem sie ihre erste intime Liebeserfahrung gemacht hatte, jedoch nicht hier in der romantischen Stadt der Hundert Türme. Eine Geschichte, die schon über zwei Jahre alt war, zwei Sommer waren seitdem verflossen. Wer war er und wie hatte sie ihn kennengelernt?
Budapest - eine Perle an der Donau! Der traditionsreiche Gellertsberg mit dem nostalgischen Spabetrieb, das imposante Parlamentsgebäudewurde, welches nach englischem Vorbild erbaut wurde, das linke Donauufer mit seinen kleinen Bars und Cafés, die Margareteninsel mit ihren nostalgischen Pferdekutschen und Zigeunermusik!
Es war anlässlich einer Osterreise nach Budapest, wo Tamara Istvan begegnet war und es war, wie sie meinte, die Liebe auf den ersten Blick. Die Studentengruppe, zu der Tamara gehörte, wurde in einem alten, nostalgisch anmutenden Hotel auf der grünen Margaretennsel mitten in der Donau untergebracht. Istvan, ein gut aussehender, dunkelhaariger junger Mann mit dem Flair eines Italieners - einer von der kultivierten Zigeunerminderheit Osteuropas, die das lustige Landfahrerleben gegen eine sesshafte - wenn auch langweilige und schlechtbezahlte - Existenz eingetauscht hatte - arbeitete in diesem Hotel als Nachtportier. Außerdem stand er auch an der Coctailbar des Hotels spät heimkehrenden Gästen für einen Drink als Barmixer zur Verfügung: In dieser Eigenschaft trug er ein weißes Kellnerjackett mit roter Fliege.
Tamara muss wohl nach Budapest gereist sein schon mit dem unterschwelligen Wunsch, ihre Jungfräulichkeit aufzugeben. Ein Wunschdenken ohne klare Absicht, doch begleitet von undefinierter Sehnsucht nach der richtigen Gelegenheit. Diese bot sich am Abend vor der Abreise. Sie blieb bis spät an der Cocktailbar sitzen und plauderte mit Istvan in allen Sprachen deren sie beide mächtig waren - außer Ungarisch.
Somit lernte sie, dass Istvans Vorfahren im späten Mittelalter aus Süditalien nach Ungarn gekommen waren, als Ungarn noch Panonnien hieß und die Amtssprache Latein war.
Durch diverse - der Landesförderung dienende - Taten wurden sie adelig und nahmen den ungarischen Fürstennamen Eszterhazi an. Später kämpften sie zusammen mit dem österreichisch-burgundisch-polnischen Heer als Hulanenreiter gegen die türkischen Besatzer und hatten den Türke viele Köpfe abgeschlagen. Und er, Istvan Eszterhazi als letztes Glied seiner Familie, so sagte er, arbeite hier nur zur Aushilfe und um seine Sprachkenntnisse zu verbessern. Nach dem Abschluss der Eliteschule für Diplomaten würde er eine Diplomatenlaufbahn anpeilen, mit dem Ziel, ungarischer Botschafter in Paris zu werden.
Seine Geschichten waren so unglaublich spannend, dass Tamara - später schon in ihrem Zimmer und in ihrem Bett liegend -, nicht einschlafen konnte. Sie verspürte Durst, rief den Zimmerservice an und bestellte enen Apfelsaft. Istvan brachte ihr den Apfelsaft aufs Zimmer, wo sie ihn nur in durchsichtiger, schwarzer Nachtwäsche empfing. Sie trank gierig und schnell den Saft, - wobei Istvan wie durch Zufall ihre Brüste berührte - und ließ sich dann mit Tränen, allerdings in einladender Pose, aufs Bett fallen.
“Nimm mich doch“, sagte sie leise und unsicher, nicht wissend, was passieren wird.
Und das tat er dann mit der Finesse eines Hulanenreiters.
Nachdem der Philosoph den Seminarrraum in Begleitung des Lehrstuhlinhabers verließ, blieb Tamara zusammen mit der Dolmetscherin am Rednerpult stehen. Einige andere Typen – von angepasst bis schräg - kamen hinzu. Sie redeten über den Erfolg der Veranstaltung. Auch Ryba gesellte sich dazu und – da er dem großen Sartre eins ausgewischt hatte - führte er als Meinungsmacher das Wort und fachsimpelte mit den anderen über unüberschaubare und schier .endlose Themen der Philosophie und der Religion.
Jan, dessen Augen an Tamara hingen, bemerkte, dass sie sich an weiterem Gesprächsverlauf kaum beteiligte. Sie schaute verträumt ins Leere und nur gelegentlich streifte sie ihn mit dem Blick, ohne ihn wirklich zu sehen.
5 Das weiße Blut
Tamara ging ihm nicht aus dem Kopf, seine Gedanken drehten sie jetzt noch mehr um sie als vorher.Ihr Gesicht, Augen, Haar, Hände, ihre Stimme. Obwohl sie an dem Abend wenig sprach, hatte ihn auch durch ihre Stimme beeindruckt; eine angenehme Alt-Stimme, die er als "dunkel" empfand. Nie zu laut, nie drängend - und was sie sagte, war natürlich charmant, gut überlegt und gewürzt mit einem Quentchen Humor. Sie war feiner als all die anderen Mädchen, die er um sich sah, egal wo und wann.
Und wie fand sie wohl ihn? Seit Wochen hatte er sich nicht mehr rasiert, sein Vollbart war buschig und seine Haare lang. Möglicherweise verliehen ihm seine nach Maß geschneiderten Jacken und Hosen trotzdem einen gewissen Hauch von Eleganz; anders als seine Altersgenossen trug er auf den Wunsch seiner Mutter keine Kleidung von der Stange.
Doch nicht deswegen fand sie ihn