Liebesleben und Geschlechterkampf. Tekla Reimers
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Zuverlässig belegt sind junge Frauen als königliche Garde-Soldatinnen in einigen vorkolonialen Reichen Afrikas. Wobei überlegene Waffen, frei zu sein von Kindern und Loyalität gegenüber dem Herrscher eine größere Rolle spielten, als Körperkraft. Weil es immer schmeichelhafter ist, einem übermächtigen Gegner zu unterliegen, haben männliche Berichte hinterher, aus solchen feindlichen Kriegerinnen, Riesinnen und Überfrauen gemacht.
Realistischer sind die Berichte und Legenden über einzelne Frauen, die in Männerkleidern durch die Geschichte ritten und fochten:
Das Märchen ‘die Königstochter von Frankreich’ erzählt, wie die dritte Tochter für ihren Vater in den Krieg zieht. Sie schneidet sich die Haare ab, zieht Männerkleider an und reitet an der Spitze seines Heeres, an Stelle des nicht vorhandenen Sohnes.
Der Ritter Dietleib, aus dem Sagenkreis um Dietrich von Bern, war ein Mädel. Sie wurde als Junge erzogen, weil der Vater ihr falsches Geschlecht erst bemerkte, nachdem sie bereits zum Ritter geschlagen war. Er empfahl ihr Dienste als Schildmaid zu suchen. Zuerst verdingte sie sich als Kriegerin und Gefolgsmann beim Zwergenkönig Laurin.
- Die Erzählung aus 1001 Nacht, vom ‘König Hamed bin Bathara und dem jungen Mädchen, das keine Furcht kannte’, berichtet, wie sich eine Prinzessin, aus Abenteuerlust, in Männerkleidern am Hofe des Nachbarkönigs einschleicht. Trotz ausgeklügelter Verhaltenstests mit der Wahl zwischen Blumen und Kanonen, gesalzenem Fleisch und Kuchen, Mitleid und Gerechtigkeit, gelingt es diesem König nicht, sie als weiblich zu entlarven. Nichts hilft - außer einem gemeinsamen Bad!
- Die Exil-Russin Isabelle Eberhardt durchstreifte zu Pferd die Sahara. Als Mann verkleidet reiste sie mit den Anfang des 20.Jahrhunderts noch üblichen Handelskarawanen, in der Region von Algerien, Tunesien und Marokko. Sie wählte die Identität eines islamischen Kaufmanns-Sohnes auf Bildungsreise. Oft ritt sie wochenlang alleine, verkehrte in Karawansereien und abgelegenen Araber-Siedlungen. Sie schrieb Novellen und Berichte für französische Zeitungen, worin so ungeheure Strapazen und so hoher persönlicher Mut zum Ausdruck kommen, wie kaum jemand damals einer bürgerlichen Frau zugetraut hätte. Isabelle heiratete spät, einen arabischen Offizier, ohne Vermögen wie sie selbst. Kinder bekam sie nicht, soweit bekannt ist.
Der Dokumentar-Film ‘Tour-Kontur’ von Kellner und Niemeyer (1983) präsentiert eine US-amerikanische Boxerin, die es mit männlichen Gegnern aufnimmt. Sie bemerkte ihre ungewöhnlichen Körperkräfte erst, als sie, auf den Straßen New Yorks, von zwei Männern sexuell belästigt wurde: Sie schlug zu und blieb auf der ganzen Linie siegreich. Einer der beiden verprügelten Männer brachte sie später auf die Idee, eine Box-Ausbildung zu beginnen. Hoch gewachsen, mit nunmehr durchtrainierter Muskulatur ist ihre körperliche Stärke augenfällig. Allerdings war ihre berufliche Karriere als Fotomodell infolgedessen bald beendet.
4. Erzählung II: Alix‘ Schwestern suchen den Mann fürs Leben
Liebe herrschte in den Köpfen der drei Schwestern als eine Form von Platons Ideal: Weib und Mann als zwei Hälften eines Ganzen. Vielleicht sogar individuell füreinander geschaffen? Zusammen erst ein vollständiger Mensch. Sie stellten sich das ungefähr so vor, wie Friedrich Schiller:„...und plötzlich fühlt ich klar es in mir werden, die ist es oder keine sonst auf Erden!“
Demnach konnten sie ganz unbesorgt warten auf dieses Zusammen-gefügt-werden mit dem extra angefertigten Vorherbestimmten. Bis es so weit war, verliebten sie sich häufig, heftig und am besten auf Blickentfernung. Jahrelang umspannen sie interessante Schulkameraden, Tennispartner oder schöne Bauarbeiter mit erotischen Fantasien, sehnten sie herbei und schlugen sie beim geringsten realen Annäherungsversuch mit bösen Scherzen in die Flucht.
Dies widersprüchliche Verhalten hatte seine Gründe: In ihrer kleinen Stadt konnte nichts passieren, ohne dass jeder davon erfuhr: Spazieren gehen mit einem Verehrer, gar herum knutschen - nichts entging der strengen Aufmerksamkeit ihrer Eltern. Was sie nicht selber sahen, wurde ihnen sicher zugetragen. Sex gab es erst nach der Heirat und auch darüber wurde nicht gesprochen.
Als doch einmal ein verliebter Klassenkamerad die älteste Schwester von der Schule nach hause begleitete, drohte ihr Vater seinen Schäferhund loszulassen: „So was kommt mir nicht auf den Hof“. Das sollte allen anderen eine Lehre sein, zogen doch bereits die Leute über ihn her: „Lieber einen Sack Flöhe hüten, als drei hübsche Töchter!“
Was blieb den Mädels übrig als warten? - Auf den Schulabschluss, nicht mehr die Füße unter Vaters Tisch stellen zu müssen; wegziehen können aus der Kleinstadt, studieren, eine eigene Bude haben, endlich 21 werden und mündige freie Bürger. Das schien ein unabsehbar langer Weg für Eine, die siebzehn ist und heiß.
Die Mittlere der Schwestern, Clariss - wie sie sich nun nannte, weil es französisch klang - setzte sich prinzipiell über alle Regeln hinweg, auch die sexuellen Tabus ihres Vaters. Sie trug kilometerlange Fingernägel in schreiendem Rot und klimperte mit den grün getuschten Wimpern ihrer Lidstrich gesäumten Augen, ließ weiße Spitzenunterröcke blitzen und schwere Silberarmbänder klirren. Das nachtschwarze Haar zu einem Berg von Löckchen und Fransen kunstvoll aufgetürmt - da der viel schickere Bubikopf ihr strikt verboten war - wirkte sie im Kleinstadtmief wie ein schwarzer Stern. Exotisch, extravagant, das dunkle Mädchen: Stundenlang schwamm sie in kochend heißem Badewasser herum, lief splitternackt durchs Haus, schleppte Katzen und Hunde zum Kuscheln ins Bett, später auch ihre Schwestern,.
Der Vater wollte sein sauer verdientes Geld nicht für Klamotten rauswerfen. Deshalb befasste sich Clariss mit Mode und lernte, unterstützt von der Mutter, nähen. Bald machte sie ihre Kleider so eng wie sie wollte, ihre Ausschnitte tief, ihre Röcke aufreizend kurz.
Und es funktionierte: Ein fertiger Ingenieur mit Auto und gehobenem Einkommen, stellte sich auf einem Familienfest ihren Eltern als ernsthafter Bewerber vor. Seine Frau würde einmal Köchin und Putzfrau haben. Nicht dass er Clariss sonderlich gefallen hätte, aber er durfte sie, mit elterlicher Erlaubnis, am Wochenende ausführen, dafür nahm sie wenig körperliche Attraktivität und seine bornierte Langeweile in kauf.
Während ihrer letzten Schulferien reiste Clarissa ans Meer. Am Strand jobbte ein Holländer als Aufsicht: Adrian van Leuwen, dem sämtliche Frauenaugen folgten, wenn er Strandkörbe aufstellte, Signalflaggen hisste, das Rettungsboot zu Wasser ließ. Sein Körper glich einer klassischen Statue, sein Gesicht einem Erzengel, trotz oder auch gerade wegen der wilden Locken drum herum. Clariss war hingerissen von der hoch gewachsenen Gestalt. Seine wunderbar langen Beine, die schmalen Hüften und starken Schultern fand sie einfach unwiderstehlich.
Im Abendrot trug er sie den Strand entlang zu seiner Hütte zwischen den Dünen. Beim Schein der Petroleumlampe erzählte er von seinem Traum: Er wollte ein Segelschiff bauen, groß genug zum Wohnen und seetüchtig, um die Weltmeere zu befahren. Wo es ihm gefiele, da wollte er bleiben - vielleicht in Indien.
„Oder auf den glückseligen Inseln hinter dem Winde“, schlug Clariss vor. Adrian war der erste Mann, in den sie sich so Hals über Kopf verliebt hatte.
Morgens saß sie allein am Strand, blickte träumerisch in die Weite der grenzenlosen See und sprach mit sich selbst: „Ach, Adrian! Warum muss ich mich