Liebesleben und Geschlechterkampf. Tekla Reimers
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Bei Orang Utans hat die sexuelle Selektion auf solche Weise große Kehlsäcke hervorgebracht, zur Verstärkung der Stimme im männlichen Geschlecht. Der so entstandene ‘laute Ruf’ signalisiert den einzeln im Geäst tropischer Regenwälder umherstreifenden Orang Utan Frauen, wo sich ein verfügbarer Sexualpartner befindet. Im Falle eigener Brunstgefühle können sie ihn dann weiträumig aufsuchen. Je lauter ein Mann unter diesen Bedingungen brüllt, umso mehr Frauen kann er erreichen und anlocken, insofern seine Stimme auch Aufschluss über seine männlichen Qualitäten gibt. Nach dem ‘sexier sons Prinzip’ wird ein Rufer mit besonders weit reichender und erregender Stimme mehr Nachkommen, mit ebenfalls vergrößerten Kehlsäcken, zeugen, als seine leiseren Rivalen. Zumal weniger begabte Orang Utan Männer - auch solche, die noch zu jung und nicht ausgewachsen sind - schweigend ihrer Wege ziehen, wenn sie sich im Streifgebiet eines deutlich überlegenen Artgenossen aufhalten.
Bei Menschen ist die Reichweite der männlichen Stimme ebenfalls vergrößert, durch Absenkung auf tiefere Töne, aufgrund eines pubertären Wachstumsschubs am Kehlkopf. Die Vergrößerung des gesamten Organs beginnt unter dem Einfluss von Hodenhormonen im Alter von ungefähr 13 Jahren und ist um den 16.Geburtstag herum abgeschlossen. In diesem sogenannten Stimmbruch verlängern sich die Stimmlippen und lassen die mittlere Sprechstimmlage erwachsener Männer durchschnittlich eine Oktave tiefer klingen als weibliche.
Nach biologischer Theorie handelt es sich bei solchen extrem ausgeprägten Geschlechtsmerkmalen um Signalübertreibungen durch weibliche oder männliche Partnerwahl: Wenn eine rote Feder als sexueller Reiz funktioniert, sind zwei rote Federn noch wirksamer, also attraktiver. Wenn eine tiefe Stimme Männlichkeit signalisiert, wirkt eine noch weiter abgesenkte Stimmlage eben männlicher. Jede Mutation und Neukombination von Genen in diese Richtung wird von der Auslese durch sexuelle Partnerwahl begünstigt. Solche stammesgeschichtlich entstandenen Übertreibungen sexueller Signalreize finden sich beim Jetzt-Menschen auf beiden Geschlechtern. Insofern das Sexualverhalten des Homo sapiens nicht von Jahreszeiten ausgelöst wird – wie bei den meisten Säugetieren - sondern nach aktuellen Gelegenheiten zu Paarung und Nachkommenausbreitung, können deutliche Signale viel bewirken. Sie funktionieren als Auslöser für sexuelle Erregung, ohne die Bedürfnisse ebenso wie Befähigungen zur Begattung ausbleiben (s.5.Kap. / Sexualerregung).
Weil fruchtbare Paarungen ausschließlich zwischen den beiden Geschlechtern derselben Spezies biologisch möglich sind, gehören die artgemäßen sexuellen Signale zu den wichtigsten Eigenschaften des Partnerschemas. Falls Männer generell ein Schaf attraktiver fänden - oder Frauen einen Ziegenbock oder beide ein Individuum des eigenen Geschlechts - wäre die natürliche Evolution der Menschheit bald zu Ende. Während bei den meisten Tieren die Wirksamkeit ihrer jeweiligen sexuellen Auslöser artspezifisch angeboren ist, werden die neuronalen Grundlagen für diesen Empfindungskomplex beim Menschen erst in der frühen Kindheit und während der Pubertät geprägt. Dieser Entwicklungsprozess, der ‘sexuellen Orientierung’ eines jeden Menschenkindes, vollzieht sich also unter dem Einfluss der sozialen und kulturellen Umwelt - wie sie zu einer gegebenen Zeit vorkommt. Danach ist ein auslösendes Partnerschema für sexuelle Erregung persönlich festgeschrieben, normalerweise ein Leben lang.
Für den Mann bildet eine relativ grobe Weibschablone, mit üppigem Busen, Taille, Lendenlordose und fettgepolsterte Hüften das auslösende Schema sexueller Erregung; für die Frau eine Gestalt von gradlinigen Proportionen, mit breitem Kreuz, hoch gewachsen, verjüngt zu den Hüften und darauf ein erigierter Phallus. Diese Merkmale der beiden artspezifischen Partnerschemen des Jetzt-Menschen, sind durch Testreihen empirisch ermittelt worden und wirken bei sämtlichen Varietäten des Homo sapiens. Sie lassen sich zusätzlich belegen aus den sozialen Funktionen solcher Schablonen, in Pornografie und Kunst, sowie als überoptimale Attrappen. Die Venus-Statuen und -Halbreliefs der europäischen Eiszeit sind bekannte Ausdrucksformen des weiblichen Partnerschemas. Eine andere Darstellung dieser urtümlichen Männerfantasie ist die Mutterfigur aus der steinzeitlichen Siedlung von Çatal Hüyük im Hochland von Anatolien. Bei all diesen Frauengestalten springt ein ungeheurer Bauch ins Auge und zwei voll herabhängende Superbrüste. Hüften und Oberschenkel quellen über von Fettdepots, so üppig, dass sich der Gedanke an eine nahezu bewegungsunfähige Bienenkönigin aufdrängt. Gesicht und Füße sind vernachlässigt. Entsprechende Darstellungen des Mannes zeigen sehr gerade, manchmal riesenhafte Gestalten mit betont erigiertem Penis von ebenfalls riesigen Ausmaßen.
Anders als unter Säugetieren üblich, ist der Penis des Mannes, außerhalb des Körpers pendelnd, ständig sichtbar, hervorgehoben durch farbige Schambehaarung und zusätzlich verziert mit rot leuchtender Eichel in erigiertem Erregungszustand. Der Fortpflanzungsbiologe Roger Short charakterisiert den menschlichen Phallus wie folgt: „Die bemerkenswerteste Besonderheit unserer eigenen Fortpflanzungsanatomie ist die Auffälligkeit des Penis, ob nun schlaff oder aufgerichtet, und der Hoden, welche dem Blick in einem pendelnden Sack vorgeführt werden. Sogar das Schamhaar, das bei Gorilla und Orang als zusätzliche Tarnung für die äußerlichen Geschlechtsorgane wirkt, scheint beim Mann eher nach einem Design gestaltet, um die Aufmerksamkeit zu ihnen hin zu lenken, anstatt sie zu verbergen.“
Der aufrechte Gang des Menschen lässt das männliche Begattungsorgan an der Vorderseite - wie einen Ast - aus dem Körper herausragen und begünstigt mehr Penislänge, um die Samen nahe genug an eine empfängnisbereite Gebärmutter heranbringen zu können. Je länger das männliche Glied, umso mannigfaltigere Variationen sexueller Vereinigungen, verschiedene Stellungen, Berührungsreize und Lusterfahrungen sind technisch machbar. Die Vulva der Frau ist infolge ihrer Körperaufrichtung nicht genau endständig, sondern etwas nach vorn gelegen, sodass Verlängerungen des Penis dem Sexualverkehr mehr Bewegungsfreiheit gewähren. Beispielsweise die unvergleichliche Intensität von Berührungen zwischen Eichel und Gebärmuttermund. Wobei drei Nervenzentren einbezogen sind, während äußerliche Klitorisreizung eines anregt. Nach Umfrage-Ergebnissen aus den Siebzigerjahren, legen sexuell erfahrene Frauen entschieden Wert auf die Größe des Begattungsorgans bei ihren Sexualpartnern. Monique van Vooren, ein Warhol-Star mit vielfältigen Sexualkontakten, sagte sogar im Interview: „Ich mag große Penisse. Die Frauen, die behaupten, es käme nicht auf die Größe an, haben keine Ahnung. Für mich ist das sehr wichtig.“ Die meisten erzählen von dieser Erfahrung indes nur ihrer besten Freundin.
Die Penisgröße gehört, wie fast alle sexuellen Reize, zu den sekundären Geschlechtsmerkmalen, die sich erst mit der Pubertät entwickeln. Mit zunehmender Produktion und Ausschüttung der Sexualhormone beginnt, im Alter von zehn bis elf Jahren, beim Mann ein pubertärer Wachstumsschub am Penis, der im Vergleich zu den anderen Menschenaffen eine Überlänge von 5 - 10 cm hervorbringt. Erwachsene Gorillas haben durchschnittlich 3 cm Penislänge, Orang Utans 4, Schimpansen 8 und der Menschenmann ist mit durchschnittlichen 13 cm verhältnismäßig hoch begabt zu sexueller Lust.
Männer neiden einander durchaus jeden Zentimeter Penislänge und wer meint mit seinem Begattungsorgan imponieren zu können, nutzt gewöhnlich jede Gelegenheit dazu: Am Strand, in Duschräumen oder an versteckten Plätzen finden, überall auf der Welt, Wettbewerbe unter Jugendlichen statt. Die zeitgenössische Literatur weiß Etliches darüber zu berichten. In der Disco und bei Popkonzerten sind verhüllte Schaustellungen der Erektion ein wichtiger Bestandteil männlicher Balz.
Bei manchen Affenarten, sitzen männliche Tiere mit vorgestreckten Geschlechtsteilen und aufgerichtetem Phallus Wache an den Grenzen, des von ihrem Trupp jeweils beanspruchten Gebiets. Grüne Meerkatzen zeigen dabei ihre leuchtend blauen Hodensäcke, Paviane markieren ihre Futter- und Schlafplätze, indem sie ihren aufgerichteten Penis dort knallrot zur Schau stellen. In Worte gefasst signalisieren sie damit ungefähr: ’Hier ist bereits ein hinlänglicher Mann präsent, es wird keiner mehr gebraucht.’ Der erigierte Phallus ist demnach nicht nur ein sexuelles sondern auch ein soziales Signal. Er ist ein zentraler Bestandteil des männlichen Imponiergehabes um Reviere, Rang und Macht in der Gruppe, nicht zuletzt Sexualpartnerinnen und Nachkommen.