Liebesleben und Geschlechterkampf. Tekla Reimers

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Liebesleben und Geschlechterkampf - Tekla Reimers

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leben, kommen an solchen Orten zusammen, feinste zeitliche Abstimmungen der Kopulationsbereitschaft von Individuen wird ermöglicht und etwaige Fluchttendenzen oder Angriffsreaktionen zur Wahrung der individueller Distanzbedürfnisse können durch sexuelle Reizwirkungen schwinden. Nicht zuletzt sichert differenziertes Balzverhalten, mit ausgiebiger Prüfung aller vorhandenen Sexualpartner, dass Paarungen zwischen artgleichen und sexuell verschiedenen Individuen stattfinden, also von den biologischen Bedingungen her fruchtbar sein können.

      Tanzveranstaltungen bilden in vielen Gesellschaften die soziale Institution für Selbstdarstellungen zum Zwecke sexueller Partnerwahl. Auf Debütantinnen-Bällen präsentieren sich die Töchter des Großbürgertums, der russische Landadel brachte seine heiratsfähigen Mädels zur winterlichen Ballsaison nach Petersburg oder Moskau, der österreichische nach Wien, der preußische nach Berlin; die bäuerliche Jugend findet sich beim Tanz in den Mai und anderen Sommerfesten in benachbarten Dörfern. Für die städtische Mittelschicht haben Schulbälle oder Feste beruflicher Organisationen und Standesverbände sehr oft diese Funktion.

      Frauen präsentieren sich dabei blütenhaft gewandet, mit halbentblößtem Busen und geschminktem Gesicht, umrahmt von üppig aufgebauschter Haarpracht. Eingezwängt in figurbetonte Kleider und hochhackige Schuhe, sind sie in ihrer Fortbewegung so behindert, dass ihnen kaum anderes übrig bleibt, als eine männliche Stütze zu erwarten. „Wer schön sein will muss leiden,“ sagten unsere Großmütter, wenn sie ihre Korsetts noch ein bisschen enger schnürten, sodass Ohnmachten quasi vorprogrammiert wurden. Verweigern einzelne Frauen sich diesen Zwängen weiblicher Selbstdarstellung oder haben sie versäumt die modischen Fertigkeiten dafür zu erlernen, so gelten sie nicht als schön.

      Aber müssen Frauen denn schöner sein als Männer? In der Natur sind ja meist die männlichen Tiere bunt oder verziert mit prächtigen Federfächern, Mähnen und Geweihen. Die bürgerliche Kleiderordnung bestimmt es umgekehrt: Männer betreten die Balzarena des Tanzparketts in flachen Schuhen und langen Hosen, mit steifem Anzug und gepolstertem Jackett - lauter Sachen, die den Körperbau männlicher erscheinen lassen, als er beim Einzelnen womöglich ist. Wählenden Frauen wird die wirkliche Figur eines Bewerbers um ihre Gunst eher verborgen als gezeigt. Erst in jüngster Zeit ist, mit der Popkultur, auch eine direktere Präsentation männlicher Reize gesellschaftsfähig geworden: knallenge Hosen lassen die genitale Ausstattung erkennen; weit ausgeschnittene Hemden stellen Schultern, Muskeln und Brustbehaarung zur Schau. Tatsächlich stimmen solche zweiseitigen Formen sexueller Werbung besser mit unserer natürlichen Veranlagung überein, als die einseitige der bürgerlichen Konvention, wo das männliche Geschlecht in dunkler Tarnkleidung einhergeht, um unter den farbenprächtig verzierten Töchtern des Landes seine Wahl zu treffen.

      Für sämtliche Tierarten, Beute wie Räuber, ist eine getarnte Gestalt in Milieufarben ökologisch zweckmäßig. Muster in braun oder grün, die den Körperumriss auflösen und der Umwelt anpassen, sind für jedes Individuum günstig, zum Überleben. Die Schönheit roter, gelber, blauer Farbenpracht und Verzierungen, mit Anhängseln aus roter oder blauer Haut, Haarkämmen, Mähnen und ähnlichem, wird durch sexuelle Selektion generell nur an einem der beiden Geschlechter herausgezüchtet - nämlich dem Werbenden. Das wählende Geschlecht bleibt unauffällig mausgrau, eben schlicht und unverziert. Wodurch es weniger gefährlich lebt als das Schöne, denn auffällige Verzierungen sind auch hinderlich, Handikaps im Lebenskampf. Am besten bekannt ist dieses Phänomen vom Hahn-Henne-Typus: Der Fasanen-Hahn mit seinem bunten Gefieder ist für Raubfeinde leicht zu entdecken und durch seine langen Schwanzfedern behindert bei der Flucht.

      Unsere Spezies, Homo sapiens, gehört naturhistorisch nicht zu diesem Typ exklusiv männlicher Schönheit, sondern beide, Männer und Frauen, sind mit sexuellen Reizen verziert. Biologen, die den Homo sapiens vor dem Hintergrund seiner äffischen Abstammung erforschen, finden weithin sichtbare und hörbare Auslöser für Sexualerregung auf beiden Geschlechtern des Menschen, mit wechselseitig anziehender Wirkung:

      - Auf große Distanz wirkt eine kurvige Gestalt mit Taille, runden Hüften und fettgepolsterten Milchdrüsen als weibliches Signal, eine hohe und im Kreuz breite als männliches, jeweils verstärkt durch geschlechtstypischen Gang und Haltung. Die tiefere Stimmlage nach der Pubertät kündet von männlicher Anwesenheit über Sichtweite hinaus. Außerdem geben Höhe oder Tiefe der Stimme Aufschluss über die hormonelle Konstitution von geschlechtsreifen Männern. Bei bärtigen Varietäten der Bartwuchs ebenfalls.

       Sexuelle Reize auf mittlere Distanz sind im weiblichen und männlichen Geschlecht ziemlich gleich: rote Lippen, jugendlich glatte, seidige Haut, bei Aufregung errötend; strahlende Augen von schöner Farbe, deren Glanz und Pupillenerweiterung sexuelle Erregung ausdrücken kann.

       Ein erigierter Penis signalisierte bei unseren unbekleideten Vorfahren männliche Kopulationsbereitschaft; die Präsentation rot aufquellender Schamlippen weibliche.

      Die meisten Signalreize im Tierreich wirken als Mitteilungen an Artgenossen über die Bedingungen ihrer Konkurrenz und Möglichkeiten zur Kooperation zwischen Individuen. Sexuelle Signale zeigen vor allem das Geschlecht eines Gegenübers an. Oft geben sie zusätzlich Aufschluss über wichtige Qualitäten seiner aktuellen Befähigung zu Paarung und Fortpflanzung: die Reife, den Gesundheitszustand, potenzielle Kampfkraft, einen ererbten Hormonstatus und dessen gegenwärtige Verfassung, nicht zuletzt auch über Erbanlagen für Sexappeal, jene besonderen ‘guten Gene’ der sexuellen Attraktivität. So kann bei einer Begegnung jedes beteiligte Individuum die gegebene Situation nach Möglichkeit für sich nutzen. Beispielsweise vermindern weithin wahrnehmbare, sexuelle Signale offene Kampfhandlungen und Verletzungen enorm, weil deutlich schwächere Rivalen Abstand halten. Dagegen können mögliche Sexualpartner eine günstige Gelegenheit zur Paarung weiträumig erkennen.

      Über solche Vorteile, in der Kommunikation, sind auffällige Geschlechtsmerkmale durch Konkurrenz zwischen Artgenossen, im Kontext natürlicher und sexueller Selektion vielfach begünstigt worden. Bereits Charles Darwin erklärte die Entstehung bunter Federfächer, leuchtend roter Hahnenkämme oder strahlend blauer Hodensäcke mit einer besonderen Selektion derjenigen Sexualpartner, die das andere Geschlecht am meisten zu erregen vermögen. Nach seiner Theorie der ‘female choice’, - die moderner als sexuelle Partnerwahl formuliert wurde - gelingen den attraktivsten Individuen einer Spezies wesentlich öfter in ihrer Lebenszeit fruchtbare Paarungen als ihren weniger Sexuallust erregenden Artgenossen. Sie pflanzen sich dementsprechend häufiger fort und verbreiten mit ihren Genen auch ihre sexuellen Reize. Biologen sprechen deshalb vom ‘sexier sons Prinzip’, also einer Regel, wonach attraktivere Söhne mehr Nachkommen zeugen. Denn der naturhistorische Erfolg weiblicher Wahl verläuft über eine größere Nachkommenausbreitung, bei Säugetieren vor allem durch Söhne mit außergewöhnlichem Sexappeal. Wenn Kinder die sexuelle Attraktivität ihrer Eltern erben, werden auch sie relativ mehr Nachkommen haben, als ihre unscheinbareren Rivalen und so fort... Die betroffene Spezies kann im Laufe ihrer Stammesgeschichte immer stärkere, größere, auffälligere Verzierungen entwickeln - manchmal sogar über das individuell Zweckmäßige hinaus.

      In diesem Falle, müssen die Nachteile - zum Beispiel einen riesigen Federfächer oder unförmige Brunstsignale zu tragen, die keine andere Funktion erfüllen, als dem anderen Geschlecht zu gefallen, - ausgeglichen sein, durch die Vorteile vermehrten fruchtbaren Sexualverkehrs. Ohne dem würden solche sexuellen Reize von der natürlichen Selektion auf ein bescheideneres Maß begrenzt. Bei Arten, die sich ausschließlich sexuell und ohne monogame Paarungssysteme fortpflanzen, kommt es gar nicht selten zu Handikap-Evolutionen, wenn der Wettbewerb um Sexualpartner hart ist. Denn dann hinterlassen nur die auffälligsten fünf bis zehn Prozent des werbenden Geschlechts überhaupt Nachkommen.

      Die Gene unscheinbarerer Rivalen, und mit ihnen die ‘grauen Mäuse’ selbst, wirken dann lediglich als Spielmaterial dieser Form der sexuellen Selektion. Sie bilden eine sexuelle ‚Reservearmee’, die unter veränderten Bedingungen eine Rolle spielen kann, normalerweise jedoch überflüssig ist. Ein Beispiel: Wenn zehn Fasanen-Hennen sich allein mit dem aufregendsten

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