Sociologicus. Sedat Sosyal

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Sociologicus - Sedat Sosyal Sociologicus

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Neuigkeiten aus und genossen unseren Kaffee und die Sonne, wonach ich ihn mit tausenden Fragen über das Studentenleben an der Uni bombardierte, wodurch er richtig wach wurde.

      Es war dann an der Zeit in die Universitätssekretariat zu gehen, wo ich mich für das Fach SOZIALWISSENSCHAFT offiziell bewarb und bei der Gelegenheit beim AkaFö(Akademisches Förderungswerk) für ein Zimmer bei den Zahlreichen Studentenwohnheimen einen Antrag stellte.

      Ich wollte das Fach SOZIALWISSENSCHAFT auf Diplom an der Ruhr-Universität Bochum deshalb studieren, weil man SOWI im Umkreis von 100 Kilometern aus Grevenbroich aus gesehen nur in Bochum auf Diplom studieren konnte. Ich hatte ein Paar Wochen vorher einen Termin mit dem Studienberater im Kölner Arbeitsamt, der zufällig der Vater meines besten Freundes und Schulkameraden OLAF war. Olaf wiederum studierte in Berlin Psychologie und ist jetzt Professor an mehreren Universitäten. Sein Vater fragte mich, was ich studieren wollte. Und ich sagte: GESELLSCHAFTSWISSENSCHAFTEN !!! Denn ich fand es sehr interessant, wie die verschiedenen Gesellschaften funktionierten. Der MENSCH an sich: wie er in einer Gruppe, Familie, Gemeinde, Dorf, Stadt und Staat und schließlich Weltgesellschaft lebt, war für mich erlernenswert, um daraus Schlüsse für ein besseres Zusammenleben der Menschen miteinander insgesamt zu ziehen. Und letztendlich dadurch meine revolutionären Idealen auf der Erde zu verwirklichen. Denn mit Anfang zwanzig war ich voller revolutionärer Elan und Träume von einer besseren WELT. Ich fand, dass alles nicht so sein musste, wie es war, sondern salopp gesagt: besser sein könnte/müsste !!!

      Diese Auseinandersetzung mit den Gesellschaftsformen hatte seine Vorgeschichte in der Türkei, in meiner Kindheit: Als ich nach der 5. Klasse der Grundschule in meinem Dorf, KARALAR die Aufnahmeprüfungen für verschiedene staatliche Internate, u.a. Dorfinstitut Gönen-Isparta, welche am Anfang der jungen Republik Türkei von Ismail Hakki Tonguc und Hasan Ali Yücel aus der Taufe erhoben wurden, um die damals sehr hohe Analphabetenrate in ländlichen Gebieten zu senken, indem man talentierte Jungen und Mädchen aus den Dörfern mit Eignungstests aussuchte und sie in diese in ganz Türkei verteilte Dorfinstitute

      (Köy Enstitüleri) aufnahm und sie zu LehrerInnen ausbildete, um sie in ihre Dörfer als LehrerInnen zurückzuschicken, damit sie die dort ihren eigenen Leuten das Lesen und Schreiben beibrachten, zeigte mir der Direktor unserer Grundschule ein Buch mit vielen Männern und Frauen mit Strohhüten, wie sie in Asien getragen werden, auf den Reisfeldern, wie sie den Reis ernteten usw. Und sagte dazu:

      „Guck mal Sedat, das ist in Rot-China . Da herrschen die Kommunisten und die Menschen müssen täglich harte Arbeit leisten um überhaupt leben zu können. Sie werden zur Arbeit gezwungen und haben keinen Besitz. Der Acker auf dem sie arbeiten gehört dem Staat. Sie haben überhaupt wenige Rechte als wir hier in der Türkei. Also, pass auf, wenn Du nach Gönen auf das Internat des Dorfinstitut gehst. Hüte dich vor den Kommunisten. Es wird sicher sowohl unter den Schülern als auch unter den Lehrern welche geben, die DICH mit der Ideologie des Kommunismus vergiften wollen. Halte Abstand vor solchen Leuten. Und gehe immer Freitags in die Moschee, wie wir es hier auch immer taten“.

      Das war am Anfang des Sommers 1977. Ich war gerade 11 Jahre jung und wurde erst ein Jahr vorher beschnitten. Das war natürlich für einen Jungen in unserem Dorf ziemlich spät. Denn ein Junge wurde erst dann ein richtiger Muslim, wenn er beschnitten wurde. All zu oft hatten mich die Klassenkameraden deshalb aufgezogen und halb Spaß halb Ernst als Gavur(Ungläubiger) beschimpft. Was sollte ich machen? Ich konnte mich ja nicht selbst beschneiden. Ich musste auf meine jüngeren Brüder warten. Vor allem auf den Jüngsten: Nihat, bis er vermeintlich alt genug war, um beschnitten zu werden. Er war fünf Jahre Jünger als ich. Dann mussten wir auf meinen Vater warten bis er aus Deutschland kam und das Beschneidungsfest organisierte, welches man zu Beschneidungen immer organisiert. Er war aber seit April´ 69 als Gastarbeiter in Deutschland. Genauer gesagt: erst am Fließband bei den Fordwerken in Köln und ab 1972 bei den Aluminiumwerken der Vereinigten Aluminiumwerken(VAW) in Grevenbroich. Er hatte dann auch im Zuge der Familienzusammenführung meine Mutter und meine beiden Brüder zu sich nach Grevenbroich geholt und uns: meine ein Jahr ältere Schwester Dilek und mich bei unseren, die uns abgöttisch liebenden und geliebten Großeltern in Karalar, wo wir in die Grundschule gingen, gelassen. Und als meine Eltern zusammen mit meinen Brüdern: Sakir und Nihat im Sommer ´76 um Urlaub zu machen in die Heimat kamen, gab es endlich das Beschneidungsfest für die drei Söhne.

      Ich weiß es noch ganz genau, als ob es gestern gewesen wäre: Mein Onkel Ilhan hat das Auto von meinem Vater, es war ein blauer Ford Taunus, damals schwörten alle Türken auf Ford als Auto, sei es Taunus oder Transit, wie heute die zweite und dritte Generation von Migranten zuerst auf BMW dann auf AUDI schwör(t)en, während die erste Generation auf Daimler-Benz umstieg, geschnappt und uns die „Drei Musketiere“, deren Vorhäute dem Tod geweiht worden waren, die mit nagelneuen Anzügen, Mützen und Schärpen wie junge Sultane oder Paschas gekleidet waren auf die Motorhaube gesetzt und eine Runde mit Hupkonzert sehr langsam durch das ganze Dorf gefahren.

      Ich weiß es nicht, was Sakir und Nihat fühlten oder dachten aber ich war richtig stolz, dass ich endlich in wenigen Augenblicken ein richtiger Muslim und ein richtiger Mann werden sollte. Denn dann könnten mich meine Klassenkameraden und vor allem SALIHA nicht mehr als Gavur beschimpfen. Das hatte mich nämlich besonders hart getroffen, als wir mit Saliha Doktorspiele spielten und als sie mein Glied sah, sagte sie schockiert: „Du bist ja ein Gavur. Werde erst mal Muslim und ein richtiger Mann. Dann kannst Du kommen und mit mir Doktorspiele spielen“, was wir dann auch später des öfteren gemacht haben, Saliha und ich. Ganz besonders freute ich mich eben darauf.

      Die Beschneidung ging ziemlich schmerzhaft vonstatten. Das Beschneiden an sich war schmerzfrei. Da wir nach der modernsten Methode beschnitten wurden, welche die örtliche Betäubung vorsah. Aber die Schmerzen als die Betäubungsspritze an meinem nicht mehr so knabenhaften, hier muss ich vielleicht erwähnen, dass meine Mutter mir sagte als ich 12 wurde: „Rasier dir mal den Bart ab mein Sohn“, Glied angesetzt wurde, stiegen mir die Tränen in die Augen. Meine beiden Brüder Sakir und Nihat gaben kein Mucks von sich, denn sie hatten ja die Reaktionen, so eine Beschneidung ist damals jedenfalls ganz öffentlich, wenn ich öffentlich sage, dann natürlich für die, die mit GLIED sind, verlaufen, auf meine Tränen gesehen: „Ein richtiger Mann weint nicht, komm, hab Dich nicht so, sei tapfer, usw.“

      Nach der ganzen Prozedur: Betäubung, Beschneidung, Verband einen Klaps auf den Kopf begleitet mit den Worten: „Willkommen in der Welt der Muslime und der richtigen Männer“ durften wir uns zu dritt auf das Riesenbett auf den Rücken legen, denn auf den Bauch legen war unmöglich, und die Geld –und Goldgeschenke empfangen. Und da kam was zusammen.

      - II -

      Nun, kam ich September ´77 also in Gönen im Dorfinstitut an. Einige Wochen vorher ergab sich eine Unterhaltung zwischen meinem Klassenlehrer Safi Hoca, dem Schulleiter Hüseyin Hoca und mir, dem 11 jährigen Sedat. Wir hatten uns am Freitag nach dem Freitagsgebet zusammengefunden und liefen zu dritt so uns unterhaltend durch das Dorf. Ich sagte: „Ich hab schon von der Agrarfakultät bescheid, dass ich die Aufnahmeprüfung geschafft habe. Aber noch nichts von dem Dorfinstitut.“ Daraufhin sagte Safi Hoca: „Gib denen noch ein Paar tage. Du wirst sehen: Du bist da auch willkommen!“ Gesagt, getan. Nach ein Paar Tagen hatte ich auch den Bescheid, dass ich in Gönen auch aufgenommen wurde. Das war kein Zuckerschlecken bis zu der Aufnahme. Zu den Eignungstests musste man von den Klassenlehrern vorgeschlagen werden. Außer mir wurde noch mein Klassenkamerad und Badboy Behic vorgeschlagen. Die Hierarchie in der Klasse war schon seit Jahren so: in die vorderste Reihe kamen die begabtesten und fleißigsten SchülerInnen. Und da saß ich als nächster zum Lehrer, ich war sozusagen der

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