Working Capital Optimierung im Maschinen- und Anlagenbau. Radomir BABIC
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Das WCM gewinnt in der Praxis oft dann an Bedeutung, wenn die Krise vor der Tür steht und wenn die Unternehmensliquidität zu knapp wird. In guten Zeiten, wenn die Exporte boomen, konzentrieren sich die Unternehmen auf die Auftragsabwicklung und den Umsatz, die Effizienz- und Optimierungsmöglichkeiten bleiben im Hintergrund.
Branchenvergleichende empirische Studien belegen, dass noch hohe Optimierungspotenziale vorhanden sind. Diese können aber nur durch einen integrierten und wertorientierten Ansatz generiert werden. Eine deutliche Mehrheit der Unternehmen betrachtet die Optimierung des Working Capital Managements als eine der Top-Prioritäten. Jedoch stehen viele dieser Unternehmen noch vor großen Herausforderungen, um die finanziellen Vorteile, die aus der Optimierung des Working Capital resultieren, in einen Wettbewerbsvorteil umzuwandeln.
Das Thema WCM erhielt in der Unternehmenspraxis nicht den notwendigen Stellenwert, obwohl die Verbesserung der Cash- und Renditesituation sowie der Eigenkapitalstruktur durch die Working Capital-Optimierung unbestritten ist.
Warum ist die Lösung dieses Problems für die Unternehmen wichtig?
Seit der Lehman-Krise im Herbst 2008 kann über eine höchst volatile Weltwirtschaft gesprochen werden. Die Ab- und Aufwärtstrends haben sich drastisch verkürzt, weshalb die Unternehmen dauernd mit instabilen Umsatzentwicklungen rechnen müssen. Drastische Umsatzschwankungen können die Liquidität des Unternehmens gefährden. Die zusätzliche Verschärfung entsteht durch die strengeren Kreditvergabe-Regelungen.
Welche Ursachen konnten identifiziert werden?
Den aktuellen Untersuchungen zufolge werden Zielkonflikte und divergierende Interessen insbesondere zwischen Vertrieb, Produktion, Einkauf und Finanzierung als eine der wesentlichen Ursachen dafür angeführt. Folglich werden unzureichendes Prozess-Know-how und zu schnelle Ergebnisorientierung in den Optimierungsprojekten für die Misserfolge verantwortlich gemacht.
Die Praxis zeigt auch, dass viele Optimierungsprojekte scheiterten, weil sie: keine klaren Ziele bzw. Durchführungsleitfäden und/oder klare Verantwortlichkeit hatten; nicht zur Unternehmensstrategie passten; sich kein ausreichendes Commitment im Topmanagement und/oder bei den Mitarbeitern sichern konnten; oder im Endeffekt, nicht professionell und/oder nicht konsequent bis zum Ende durchgeführt wurden.
Welche praktische Relevanz hat das Thema?
Der globalmarktbedingt permanent steigende Konkurrenz- und Preisdruck hat zur Folge, dass die Wertschöpfungstiefe vieler Maschinen- und Anlagenbau -Unternehmen sinkt. Um auch künftig innovative und konkurrenzfähige Produkte in Kundennähe entwickeln und produzieren zu können, besteht bei den Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus ein erheblicher Kapitalbedarf. Gleichzeitig sind die Finanzierungsmöglichkeiten für die oftmals nicht börsennotierten Unternehmen stark eingeschränkt.
Inwieweit profitieren die Unternehmen, wenn das Problem gelöst wird?
Das konsequente WCM wurde als maßgeblicher Ansatz zur Verbesserung der Liquidität erkannt.[32] Zusätzlich zur Verbesserung der Liquidität können die Unternehmen durch freigewordene Mittel die Innenfinanzierungskraft stärken, Kreditkosten reduzieren, den Unternehmenswert erhöhen und sich bessere Finanzierungskonditionen bei den Kapitalgebern sichern.
Die Ausgangssituation
Der Großteil der einschlägigen Literatur bezieht sich auf den Material- und Informationsfluss, obwohl der Finanzfluss in der Supply Chain eine neue Perspektive bietet und Potenziale für Optimierungen liefert. In der Praxis sind die finanziellen Flüsse zwischen den Supply Chain-Partnern noch weitgehend unkoordiniert und wenig erforscht.
Das Thema der Working Capital-Optimierung, das speziell auf die Maschinen- und Anlagenbaubranche abzielt, wurde als ganzheitliches wissenschaftliches Werk noch nicht verfasst. Jedoch wurden vom Verfasser einige brandaktuelle Studien für die vorliegende Arbeit recherchiert.
Was ist in dieser Arbeit neu?
1. Es wird nach alternativen bzw. additiven Möglichkeiten bei der Optimierung des Working Capital gesucht. So wird zur Optimierung des C2C-Cycle die „Cash- & Value Chain Velocity“ von Jauck und Rüll analysiert.
2. Die wichtigsten Branchenbesonderheiten, die bei der Optimierung des Working Capital in der Maschinen- und Anlagenbaubranche unbedingt berücksichtigt werden müssen, sind bspw.:
Kleinserien- oder Einzelfertigung, lange Lieferzeiten, weltweite Logistik, eine Vielzahl der Lieferanten, oft mehrere Partnerunternehmen und/oder Subunternehmen, globale Fertigung, Outsourcing, komplexe Prozesse, hohe Produktkomplexität, wertvolle Materialien, Werkstoffe bzw. Rohlinge mit hohem Anteil am Umsatz, hohe Fertigungs- und Engineering-Kosten etc.
Um der Wichtigkeit dieser Einflussfaktoren, insbesondere am Beispiel Produktentwicklung und Engineering, gerecht zu werden, wird das Value Management untersucht. Ziel ist es dabei aufzuzeigen, inwieweit das Value Management zur Optimierung des Working Capital in der Maschinen- und Anlagenbaubranche wertvoll eingesetzt werden kann.
Abb. 1: Thema-Eingrenzung[33]
1.2 Forschungsthema
Auf welche Quellen und Erfahrungen stützt sich diese Arbeit?
Das Forschungsthema ist im theoretischen Rahmen der wertorientierten Unternehmensführung positioniert. Dazu werden die Quellen in den Arbeiten von Eisel, Hofmann, Klepzig und Losbichler[34] gefunden. Zur Analyse der wichtigsten Zusammenhänge zwischen Working Capital und Supply Chain Management wird die Quelle von Locker/Grosse-Ruyken[35] verwendet.
Die Quellen von Klepzig und des Internationalen Controller Vereins, Arbeitskreis Working Capital Management, werden als praktischer Rahmen der branchenübergreifenden Working Capital-Optimierung, übernommen und weiterempfohlen.
Die Frage der Zielkonflikte wird bis auf die für diese Arbeit notwendige Verständnisebene ausgearbeitet, insofern, wie ihre Berücksichtigung und Ausbalancierung für eine erfolgreiche Optimierung des Working Capital wichtig sind. So wird eine allzu detaillierte Ausarbeitung vermieden, da sonst der Rahmen dieser Arbeit, aufgrund der Ausführlichkeit dieser Frage, gesprengt wäre. Der zweite, genau so wichtige Grund ist, dass die Arbeit von Dr. Martina M. Messelhaeuser und Prof. Dr. Burkhard Pedell:[36] „Zielkonflikte im Working Capital Management“ dem interessierten Leser sowie dem Forscher bereits einen detaillierten Einblick in das Thema bietet.
Ein wichtiger Teil dieser Arbeit ist, die Alternativen zu den konventionellen Optimierungsansätzen zu identifizieren und möglicherweise anzubieten. So wird zur Optimierung des C2C-Cycle die „Cash- & Value Chain Velocity“ aus den Quellen von Jauck übernommen und weiterempfohlen.
Des Weiteren wird das Value Management Konzept, aus den Quellen des VDI, als möglicher Working Capital-Optimierungsansatz, fokussiert auf den Maschinen- und Anlagenbau, ausgearbeitet und zur weiteren Forschung angeboten.
Forschungsfragen