Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen. Billy Remie

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Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen - Billy Remie Legenden aus Nohva 3

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      Nachdenklich fragte ich: »Und gegen welche Gesetze verstieß er?«

      »Gegen Gesetze der Ethik«, wurde mir geantwortet.

      Ich sah wieder hinauf zu dem Elkanasai. »Die da wären?«

      »Das ist eine Angelegenheit des Kaiserreichs Elkanasai«, blockte dieser ab.

      »Zu schade«, murmelte ich, ehe ich ihn anlächelte. »Aber ... nun ja, vielleicht möchte mir Euer Freund hier später davon erzählen.«

      »Dazu wird er keine Gelegenheit haben, fürchte ich«, erklärte der Elkanasai. »Er wird hängen, gemeinsam mit Euch, weil Ihr meine Soldaten angegriffen habt und mich bedroht.«

      »Es sind nicht Eure Soldaten, die ich angreifen wollte«, entschuldigte ich mich.

      Ich begann, den Gefolterten zu umrunden, bis ich hinter ihm stand.

      Argwöhnisch wurde ich von den schmalen Augen des Elkanasais verfolgt.

      »Soldaten befolgen nur Befehle«, sagte ich laut. Dann legte ich meine Lippen an das Ohr des verurteilten Soldaten und fragte: »Nicht wahr, mein neuer Freund?«

      Der Soldat nickte schwach.

      Ich lächelte zufrieden, als ich weiter im Flüsterton fragte: »Ihr verweigerte Befehle des Kaiserreichs, bedeutet das, Ihr stellt Euch gegen Eure Heimat?«

      Janek war nicht dumm, er wusste, welche Antwort er mir geben musste, um zu überleben. Durch vor Schmerz zusammen gebissenen Zähnen presste er so hasserfüllt, wie ich es selbst nicht gekonnt hätte – und ich hatte wirklich viel Hass für die Elkanasai übrig – hervor: »Elkanasai ist nicht meine Heimat!«

      »Ihr trag viel Hass in Euch.« Es war eine Feststellung und keine Frage. Ich kratzte mich mit der Dolchspitze an meinem Kinn, das von blonden Bartstoppeln überzogen war. Das Schaben über meinem Bart klang überlaut, weil es ansonsten toten still blieb.

      »Draußen warten hundert Soldaten, die Euch sofort den Kopf von Euren Schultern trennen werden«, wies mich der hochgeborene Elkanasai auf meine augenscheinlich verzwickte Lage hin. Denn in diesem Raum möge zwar ich die Oberhand an mich gerissen haben, doch außerhalb dieses Gebäudes sah es für mich und meine zwanzig Mann, die ich mitgenommen hatte, ehe düster aus.

      Den Kommentar ignorierend, beugte ich mich erneut zum Ohr des Gepeinigten: »Wie viel Hass steckt in Euch?« Es interessierte mich wirklich. »Zeigt es mir!«, verlangte ich, blitzschnell hob ich meine Hand mit dem Dolch und schnitt Janek los.

      Ich tat es nicht, weil mir dieser Mann etwa Leid getan hätte, um ehrlich zu sein, hätte mich sein Schicksal nicht weniger interessieren können, aber ich war eben sehr ... neugierig. Schon in frühster Kindheit hatte Menard immer über mich gesagt, ich sei experimentierfreudig, wenn es um das Verhalten von Lebewesen ginge, insbesondere intelligenter Lebewesen, wie Menschen und Elkanasai. Ständig wollte ich herausfinden, wie dieser oder jener in unterschiedlichen Situationen und mit unterschiedlichen Launen reagierte. So war es auch jetzt. Ich wollte sehen, was ein gepeinigter Mann, der von seinen eigenen Waffenbrüdern gefoltert worden war, eben jenen antun konnte. Ich wollte es nicht nur sehen ... ich wollte mich daran erfreuen.

      Es geschah alles ziemlich schnell. Janeks Körper kam mit einem dumpfen Geräusch auf dem kalten Steinboden der Halle auf, ähnlich wie ein nasser Sack voller alter Kleider. Doch er war ebenso schnell wie er unten war wieder auf seinen langen, flinken Beinen.

      Es überraschte mich etwas, das in jenem Moment, als Janek befreit worden war, alle Elkanasai im Raum einen Schritt zurückwichen, als sei eine Druckwelle durch den Raum gegangen. Sie ahnten bestimmt, wozu ihr ehemaliger Bruder bereit war, aber niemand wusste, auf welchen der Elkanasai sich Janek zuerst werfen würde.

      Zu meinem eigenen Vergnügen, sprintete Janek ungehalten auf den hochgeborenen Elkanasai zu, der von der Armbrust in Derricks Armen bedroht wurde. Darauf hatte ich gehofft, denn es ersparte mir die Drecksarbeit, obwohl ich nichts dagegen gehabt hätte, Elkanasai-Blut zu vergießen.

      Unbewaffnet, gefoltert, verletzt und am Ende seiner Kräfte, sammelte Janek seine letzten Energiereserven und stürzte sich mit einer Geschwindigkeit auf seinen ehemaligen Landsgenossen, wie ein Falke auf eine Maus. Ich hätte nicht einmal die Möglichkeit gehabt zu reagieren, selbst wenn ich gewollt hätte – was ich aber nicht habe.

      An dieser Stelle könnte ich nun ausführlich erzählen, wie dieser menschlich aussehende Pfeil mit spitzen Öhrchen auf das andere Geschöpf mit ebenso spitzen Ohren zustürmte und ihn umriss. Ich könnte erwähnen, dass der Elkanasai, der dieses Land besetzen wollte, unter den Augen seiner Soldaten umgemäht wurde wie eine Salzsäule von einem Amboss. Vermutlich sollte ich in jeder Einzelheit beschreiben, wie und warum und weshalb ... Doch sind wir mal ehrlich, die Geschehnisse liegen lange zurück und ich erinnere mich nicht an jeden einzelnen Augenblick oder an jedes kleinste Detail.

      Aber ich weiß noch wie befreiend es war, zuzusehen, wie sich Janeks lange Finger um die zarte Kehle des Elkanasai schlossen, wie er mit hochrotem Kopf zudrückte, der vor Anstrengung fast zu zerbersten schien. Ich erinnere mich noch an die Sehnen und die angespannten Muskeln unter Janeks heller Haut, die wegen des angewandten Kraftaufwandes deutlich hervortraten.

      Mir die Lippen leckend, stellte ich mich wieder neben Derrick, der die Armbrust senkte und weniger begeistert dem Spektakel zusah. Nicht, dass er sentimental gewesen wäre, wenn es ums Morden ging. Zwar tat Derrick gerne mal so, als steckte ein aufrichtiger Mann in ihm, doch das Töten war ein Teil von ihm, ein Teil von uns allen. Es schockierte Derrick nicht, das und wie Janke tötete, nein, sein Missfallen und sein Argwohn bezogen sich ganz allein auf die Tatsache, dass ich Janek befreit hatte, statt ihn mit den anderen niederzustrecken.

      Ich steckte den Dolch weg. Noch immer kauerte Janek über seinem Peiniger, seine Lippen waren zurückgezogen und präsentierten weiße Zähne, sein langes Haar war über seine nackten Schultern nach vorn gefallen und rahmten sein Antlitz ein, Schweiß tropfte von seiner Stirn und landete im Gesicht des anderen Elkanasais, der langsam blau anlief.

      Ich lächelte boshaft, während ich mit immer schneller schlagendem Herzen wie im Wahn dabei zusah, wie das Leben aus den Augen des Elkanasais wich. Langsam. Qualvoll. Janeks Methode war genau nach meinem Geschmack.

      Derrick schüttelte den Kopf, er hatte die Armbrust zwar gesengt, doch sie lag noch schussbereit in seinen Händen. Er sah mich von der Seite an. »Was hast du vor?«

      Ich gab ihm die gleiche Antwort, die ich ihm gegeben hatte, als ich ihn und die anderen mit zu diesem Dorf genommen hatte: »Ich weiß es noch nicht.«

      Diese Antwort entsprach der Wahrheit, ich ließ mich allein von meinen Gefühlen und meiner Intuition leiten. Es war dumm, das wusste ich selbst, denn draußen warteten hundert Soldaten, die hinter uns her sein würden, sobald wir den Raum verließen.

      Ich hätte anordnen können, die Soldaten, die unter der Kontrolle meiner Männer standen, zu fesseln und zu knebeln, damit wir uns rausschleichen und mit etwas Glück viel Land zwischen uns und diesem kleinen Heer hätten bringen können, um mir selbst und auch meinen Männern das Leben zu retten.

      Doch ich tat es nicht. Stattdessen sagte ich, ohne über die Schulter zu blicken: »Tötet auch den Rest.«

      Lazlos Schwert war das erste, das den Feind durchstieß, ich hörte es daran, wie er es tat: mit einem Aufkeuchen, ähnlich wie der Laut den er von sich gab, wenn er beim Akt mit einer Frau zum Höhepunkt kam. Von all meinen Leuten, mich eingeschlossen,

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