Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen - Billy Remie страница 15
Als die toten Soldaten zu Boden fielen und sich ihr Blut zu sammeln begann, als Janeks Finger auch das letzte bisschen Leben aus seinem Peiniger gepresst hatten, wie Saft aus einer Frucht, packte ich Derricks Armbrust.
Janek schien mit eben jener Reaktion gerechnet zu haben, denn er hatte die Hände schon ergebend in die Luft gerissen, als er mit dem Erwürgen fertig war. Schnaufend, aber ansonsten beherrscht, starrte er mir mit einer tödlichen Ruhe entgegen.
Ich lächelte gespielt entschuldigend über die Armbrust hinweg, der eingelegte Bolzen zeigte vollkommen still auf Janeks Brust, die sich unter tiefen und schnellen Atemzügen ausdehnte und wieder zusammenzog. »Nur ein toter Elkanasai, ist ein guter Elkanasai.«
Derrick hielt mich an dieser Stelle nicht auf, im Gegenteil, er legte zufrieden seine Hände auf den Knauf seines Schwerts, das an seinen Hüften baumelte, und wartete darauf, dass ich den letzten verbliebenen Elkanasai im Raum tötete.
»Ich bin kein Elkanasai!«, erwiderte Janek.
Es war nicht sein Einwand, der mich innehalten ließ, es war die Ruhe in ihm. Er schien den Tod nicht zu fürchten. Keiner meiner Männer fürchtete den Tod, es war das einzige Kriterium, das sie erfüllen mussten, bevor ich sie aufnahm. Bisher waren es aber stets nur Menschen aus Carapuhr gewesen, denen ich einen Beitritt in meinen Söldnertrupp gewährt hatte.
Trotzdem senkte ich die Armbrust nun ein Stück und verengte interessiert meine Augen.
Janek fuhr langsamer fort: »Ich weiß, für euch Barbaren sehen wir alle gleich aus. Ja, ich bin ein Spitzohr, doch stamme ich ursprünglich nicht aus Elkanasai, sondern aus Nohva. Aus der südöstlichen Wildnis von Nohva, um genau zu sein. Die Nohvarianer nennen uns die wilden Elkanasai-Stämme.«
Ich senkte die Armbrust gänzlich, musste aber spöttisch lächeln. »Dann seid Ihr also doch ein Elkanasai. Nur ein Wilder.«
»Für die Nohvarianer schon«, stimmte Janek zu, noch immer waren seine Arme weit erhoben, doch allmählich glitten seine Augen immer wieder nervös zu den verschlossenen Ratshallentüren hinter mir.
Lazlo trat zu mir und Derrick heran, er wischte das Blut von seiner Klinge an seinem eigenen Umhang ab, obwohl ich ihm schon mehrfach daraufhin gewiesen hatte, dass man nicht da scheißt, wo man isst. Aber sogar für Straßenschläue war Lazlo zu blöd. Das hatte man eben davon, wenn man sich auf Räuber und Mörder einließ, rückte ich mich selbst. Nun denn, mir sollte es egal sein, aber wenn das Blut an Lazlos Kleidern zu stinken begann, konnte Lazlo gut und gerne außerhalb des Lagers nächtigen. Meine Nase war nicht empfindlich, aber meine Männer stanken auch ohne Blut an ihren Kleidern genug, Lazlo ganz besonders. Ein nasser Hund, der sich in Dung gewälzt hatte, roch im Vergleich zu Lazlo wie eine Sommerwiese.
»Tötest du ihn jetzt?«, drängelte er mich genervt und ließ das Schwert zurück in die Scheide gleiten. »Ich bin am Verhungern.«
»Noch ein Wort, und das einzige Essen, das du für eine ganze Weile sehen wirst, werden die Läuse in deinen Sackhaaren sein, Lazlo.«
Hasserfüllte funkelte mich das Narbengesicht an, hielt aber brav seine Klappe und verschränkte die Arme abwartend vor der Brust.
Ich wandte mich wieder an Janek. »Wenn du aus Nohva stammst, warum bist du dann in der Kaiserlichen Armee?«
Janeks Augen wurden dunkel, als er erklärte: »Manchmal fallen die Soldaten des Kaisers in die südöstliche Wildnis Nohvas ein. Mein Stamm wurde von ihnen ausgelöscht ... niedergebrannt.« Janek senkte den Blick, harte Furchen zeichneten seine sonst zarten Gesichtszüge. Es war, als könnte ich die Flammen des Feuers aus seiner Erinnerung in seinen Augen züngeln sehen.
Ich verstand seinen Schmerz.
»Mein jüngster Bruder und ich ...«, er sah mir wieder in die Augen, » ... wir waren noch Kinder. Sie verschonten unsere Leben, nahmen uns mit ... mit nach Elkanasai. Dort wurden wir ausgebildet.«
»Ihr hättet euch wehren können«, warf ich ihm vor.
Janek hielt meinem Blick stand. »Ich hätte es getan, hätte nur mein Leben auf dem Spiel gestanden. Lieber wäre ich mit meinem Stamm gestorben, als für den Kaiser zu kämpfen.« Er runzelte ärgerlich die Stirn. »Doch dann hätten sie auch meinen Bruder ermordet.«
– Ich glaube bis heute, dass keiner in diesem Raum Janeks Entschluss besser nachvollziehen konnte als ich.
Meine Augen glitten an Janek hinab zu dem toten Elkanasai, über den Janek noch immer rittlings kniete. Der Kopf des Toten hing über einer Stufe, die Haut schimmerte bläulich, eine geschwollene Zunge hing aus offenen Lippen und leblose Augen starrten verkehrt herum zu mir hinab, aufgerissen und den qualvollem Moment des Erstickens bis in alle Ewigkeit in einem starren Blick festgehalten.
»Auch ich verlor Brüder«, gestand ich plötzlich.
Derricks Kopf flog herum. Aber nicht nur er war überrascht von meinen Worten, ich selbst war es auch. Noch nie hatte ich es offen ausgesprochen, und nun da ich es getan hatte, wurde mein Hass nur noch größer.
Ich hob wieder meinen Blick zu Janek und ignorierte Derrick. »Allerdings waren daran nicht nur die Elkanasai schuld.«
Nachdem ich tief Luft geholt hatte, gab ich Derrick die Armbrust zurück und erklomm langsam die Stufen zu Janek, der mich mit argwöhnischen Augen verfolgte.
»Du hast Befehle verweigert?«, fragte ich.
Janek nickte stumm.
»Nimm doch die Hände endlich runter«, bat ich.
Sofort fielen Janeks Arme kraftlos an seinem Körper hinab, sie schienen so schwer zu sein, dass sie ihn fast zu Boden zogen.
»Gegen welche Gesetze der Ethik hast du verstoßen?«
Nun zeichnete sich auf Janeks Gesicht jenes schiefe und heimtückische Lächeln ab, das ich auch täglich in den Gesichtern jedes einzelnen Mannes sah, der mich begleitete. »Gegen reichlich Gesetze der Ethik.«
»Wieso haben sie dich nicht sofort hingerichtet?«, wollte ich wissen.
»Mein Bruder«, antwortete Janek. »Sie wollten ihn herbringen lassen, damit er bei meiner Hinrichtung zusehen kann.«
Als ich oben auf dem Podest ankam, stand ich zwischen Janek und der noch immer angeketteten Sklavin. Ich sah an beiden vorbei und starrte die fleckige Wand hinter dem Stuhl des Jarls an. Dieser würde fortan vermutlich leer bleiben, ging es mir durch den Kopf.
»Namenloser!«, rief Derrick zu mir auf. Die Art und Weise wie er es sagte, deutete auf etwas Drängendes hin, das er unbedingt loswerden musste, als wüsste ich nicht, in welcher Lage ich mich befand. Denn auch ich hörte den Trubel, der sich hinter den Türen auftat. Vermutlich fragten sich die Soldaten, weshalb sie solange nichts mehr von ihren Befehlshabern gehört hatten.
Ich ignorierte Derrick und die Gefahr weiterhin und ging stattdessen vor der Sklavin mit der dunklen Haut in die Hocke und betrachtete sie.
Hinter