Andran und Sanara. Sven Gradert
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Читать онлайн книгу Andran und Sanara - Sven Gradert страница 15
Die alte Dienerin schaute Morna gespannt an. Ihr entging nicht die plötzliche Anspannung in Mornas Stimme und wartete ab, worauf sie hinaus wollte.
„Wer weiß noch alles davon?“ Fuhr sie fort: „Doch mit Sicherheit Godvere – oder?“
„Nein!“ Antwortete Elze: „Das glaube ich nicht! Das wahre Ausmaß dieser Gänge kennt niemand. Nicht einmal der Herrscher. Er weiß gewiss von dem einen oder anderen Fluchtweg, aber mehr auch nicht. Meine Familie hat Jahrhunderte gebraucht um all diese Karten zu erstellen.“ Dabei zeigte sie auf die Pergamentrollen in ihrem Jutebeutel.
„Was aber...“ führte Morna weiter aus: „Wenn es doch jemanden gibt, der davon Kenntnis hat, deine Familie es nur nicht ahnt?“
Elze dachte über Mornas Worte nach: „Ich kann mir das beim besten Willen nicht vorstellen. Ich habe zwar seit längerem den Verdacht, dass Lord Reichel über einige Gänge Bescheid wissen könnte, aber auch er wird das gesamte Ausmaß nicht kennen.“
„Lord Reichel, der Minister?“ Morna mochte diesen Mann, den der Herrscher immer wieder mit außenpolitischen Aufgaben versah, überhaupt nicht. Der Mann hatte das verschlagene Gesicht eines Geiers. Immer wieder erschrak sie, wenn sein hagerer Körper lautlos und völlig unerwartet hinter einer der Säulen im Palast auftauchte. Sie verabscheute das freche Grinsen, das stets die schmalen Lippen seines bleichen Gesichts zierte, sobald er sich verschwörerisch mit anderen Politikern in irgendwelche dunklen Ecken zurückzog. Auch die unheimlichen Gesandten aus den fernen Ländereien des Ostens und ihrer Hauptstadt Kushtur, mit denen er sich ausgezeichnet zu verstehen schien, jagten ihr stets einen Schauer über den Rücken.
„Du sagtest mir vorhin,“ nahm Morna ihren Gedankengang wieder auf: „Die Wachen munkeln, das die Entführung der Kinder mit Magie zu tun haben muss.“
„Nun ja,“ erwiderte Elze:
„Die beiden sind immerhin aus einem geschlossenen Raum, im am besten bewachten Flügel des Palastes verschwunden. Da ist es...“ Elze sprach den Satz nicht weiter aus, als ihr schlagartig klar wurde, worauf Morna hinaus wollte.
„Das bedeutet,“ fuhr Morna beinahe erleichtert fort: „, Dass das Verschwinden der beiden absolut nichts mit Magie zu tun haben muss. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass wir es mit ganz gewöhnlichen Missetätern zu tun haben.“
„Na als ganz so gewöhnlich würde ich sie nicht abtun.“ Antwortete Elze: „Wenn sie tatsächlich von den geheimen Gängen wissen und es sich obendrein trauen, den Prinzen und die Prinzessin zu entführen.“
Bei Elzes Worten wurde Morna urplötzlich wieder von der ganzen Trauer und Wut übermannt, so dass ihr die Tränen über das Gesicht liefen. Elze legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter.
„Ich bin davon überzeugt,“ fuhr Morna fort: „Das dieser Lord Reichel hinter der Entführung steckt.“
„Wie kommt ihr darauf? Reichel ist ein Feigling. Der Herrscher würde ihm die Haut in Streifen abziehen, sollte er tatsächlich etwas mit dem Verschwinden der Kinder zu tun haben. Das traut sich Reichel nicht!“
„Du vermutest doch selbst, dass er von einigen Gängen Bescheid wissen könnte.“
„Und?“
„Wenn dem Herrscher etwas zustößt und es keine Erben gibt – wer profitiert dann am meisten davon? Soweit ich weiß besitzt Godvere keine weiteren Familienmitglieder mehr.“
Mornas einfache aber direkte Art zu denken faszinierte und ängstigte Elze gleichermaßen: „Was hast du jetzt vor?“ Fragte die ältere Frau und befürchtete fast die Antwort schon zu kennen. Morna legte beide Hände auf ihre Schultern und sah sie flehentlich an:
„Kannst du mich durch diese geheimen Gänge bis zu den Gemächern des Ministers führen?“
Elze's Befürchtungen bewahrheiteten sich wobei sie ihre Augen verdrehte:
„Ihr wollt, dass ich euch zu den Gemächern des zweit mächtigsten Mannes des ganzen Reiches bringe? Und was dann?“
Mornas Stimme wurde zunehmend verzweifelter: „Elze, bitte. Ich muss irgendetwas unternehmen. Ich bin davon überzeugt, dass Lord Reichel hinter alledem steckt. Nenne es ein Bauchgefühl, oder was auch immer.“
Elze stöhnte laut auf und gab sich geschlagen: „Ich werde euch helfen mein Kind. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass ihr die Kleinen wieder in euren Armen halten könnt – aber wir werden mit Bedacht vorgehen.“
Morna wollte vor Freude gerade laut aufschreien als sie Elze einen fragenden Blick zuwarf: „Mit Bedacht?“
„Als erstes werdet ihr mir in meine Gemächer folgen.“ Stellte Elze in einem Befehlston klar, der keinerlei Widerrede duldete: „Ihr braucht dringend etwas zu essen und bei den Göttern... neue Kleidung benötigt ihr auch. Wir werden mit absoluter Sicherheit den einen oder anderen Palastflur durchschreiten müssen, um von Gang zu Gang zu gelangen. In eurem jetzigen Aufzug kommen wir in den Fluren keine zehn Schritte weit. Morna war sofort einverstanden und schloss Elze glücklich in die Arme. Anschließend folgte sie ihr in den schmalen Gang, der sie von der gruseligen Zelle endlich nach oben führen sollte. Elze verschloss die Geheimtür und wollte gerade die ersten Stufen nach oben gehen, als Morna sie festhielt:
„Hätten wir nicht noch die Fackeln in Dormus' Zelle löschen sollen?“
„Wieso denn das?“ Erhielt sie belustigt zur Antwort: „Sollten dort tatsächlich irgendwelche Wärter auftauchen, um nach euch zu suchen, wird man bestimmt glauben, dass Dormus die Fackeln höchstpersönlich entflammt hat.“
Die Vorstellung amüsierte Elze ungemein. Es dauerte eine ganze Weile bis sie mit dem leisen kichern aufhörte, während sie die endlos scheinenden Stufen nach oben erklommen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, unzähligen Gängen und Abzweigungen, waren die beiden Frauen soweit emporgestiegen, dass sie das gewaltige Areal der Kerkeranlagen endgültig hinter sich gelassen hatten. Die Atemluft wurde zunehmend besser und selbst die Dunkelheit wurde erträglicher, da immer wieder Tageslicht durch die zahlreichen Risse und Spalten im Mauerwerk fielen. Inzwischen konnten sie sogar Stimmen der Dienerschaft oder von wachhabenden Soldaten vernehmen. Es war unübersehbar, dass die alte Dienerin sich immer besser im endlosen Geheimlabyrinth zurechtfand je weiter sie die Verließe hinter sich zurückließen. Elze wurde stetig selbstsicherer was das Aufspüren der richtigen Geheimgänge anbelangte. Zielsicher marschierte sie nun in Richtung des Bediensteten Trakts. An einer bestimmten Schiebetür angekommen, steckte Elze die Fackel in die Halterung, die sich gegenüber der Tür befand und erstickte die Flamme mit einer Löschglocke, die auf dem Boden lag. Dann öffnete sie die Schiebetür und bedeutete Morna leise durch die Wandöffnung