Andran und Sanara. Sven Gradert
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Читать онлайн книгу Andran und Sanara - Sven Gradert страница 10
„Kurz nach den Krönungsfeierlichkeiten sind Fürst Beldere und sein Bruder bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen. Die Fürstin und ihr ältester Sohn wurden wenig später vergiftet. Daraufhin erschien Harun im Fürstentum, verkündete sein tiefstes Bedauern und sorgte dafür, dass der dreijährige Benedikt als neuer Fürst inthronisiert wurde. Als nächstes stellte er Benedikt großzügig einen seiner Magier als Berater und Vaterersatz zur Seite.“
Vitras verdrehte voller Abscheu die Augen: „Damit hat er das größte der anliegenden Fürstentümer in seine Gewalt gebracht.“ Die Abscheu die Vitras gegen Harun hegte wuchs immer mehr, obwohl er lange Zeit glaubte, dass dies gar nicht mehr möglich wäre. Er ging zur kleinen Anrichte und schenkte sich und Gil einen Becher Wein ein:
„Dann denke ich mal,“ fuhr er spöttisch fort: „Das meine Abwesenheit Harun nicht länger zufrieden stellt und ich nun meiner fröhlichen Hinrichtung in Kushtur entgegenblicken darf. Wollen wir darauf trinken?“
Gil nahm dankbar den Becher entgegen, den Vitras ihm reichte. Er nahm einen kräftigen Schluck bevor er auf die Vermutung des Kriegszauberers einging.
„Ihr irrt euch Meister Vitras!“
Wieder diese förmliche Anrede, schoss es Vitras kurz durch den Kopf.
„Harun benötigt eure Hilfe!“
„Soll das einer deiner komischen Scherze sein Gil?“
Anstatt zu antworten schüttelte Guillaume lediglich leicht seinen Kopf.
„Harun kann nicht ernsthaft glauben, dass ich jemals gewillt wäre, ihm in irgendeiner Art und Weise zu helfen. Das muss dir doch auch klar sein! Ich würde nicht einmal ein einziges Wort mit ihm wechseln!“
„Das solltet ihr aber Meister Vitras!“ Guillaumes Gesichtszüge bekamen urplötzlich eine ungewöhnliche Härte:
„Es geht um die Prophezeiung der Zwei die Eins sein müssen!“
Vitras wurde leichenblass. Tantras hatte ihn vorgewarnt. Aber was wusste Harun?
„Die Zwillinge sind geboren!“ Stellte Guillaume nüchtern fest.
„Sie müssen Göttliches und Königliches Blut in sich vereinen.“ Versuchte Vitras seinen Freund zu belehren.
„Oh, das tun sie,“ führte Gil weiter aus: „Ihr Vater ist niemand geringerer als Godvere Garien. Der Herrscher des Darkanischen Reiches. Die Mutter eine Halbgöttin namens Morna. Angeblich ist sie die Tochter von Mirna, der Göttin der Gerechtigkeit. Von Mornas Vater ist nichts bekannt, außer dass er ein Sterblicher ist.“
Vitras entspannte sich ein wenig. Harun wusste somit noch nicht, dass er der Vater Mornas war. Ansonsten wäre das Todesurteil für seine Enkelkinder längst gefällt. Es war stets sein größter Albtraum, dass Harun von seiner Tochter erfahren könnte. Nun gab es zwei weitere Leben, um die er sich über alle Maßen Sorgen machte.
Guillaume bemerkte sofort, den plötzlich aufgewühlten Zustand seines Freundes. Er wusste von Vitras Abenteuern im Hohen Norden und kannte auch so einige seiner Geheimnisse. Von dem Aufeinandertreffen des Kriegszauberers mit Mirna, wusste niemand außer den Göttern.
„Ich begreife nicht,“ fuhr Vitras fort: „Was Harun bezüglich dieser Prophezeiung von mir erwartet. Abgesehen davon... seit dem Vorfall mit Zara ist die Feindschaft offen zwischen uns ausgebrochen. Er hat geschworen, mich zu vernichten.“
Der Kriegszauberer dachte an die stolze, kämpferische Frau mit den roten raspelkurzen Haaren zurück. Sie war eine der ersten Kriegerinnen, die als Offizierin in der Palastgarde gedient hatte. Die Schwierigkeiten begannen, als sie zur Leibgarde Harun Ar Sabahs versetzt wurde. Zara besaß ein ausgeprägtes Ehrgefühl sowie einen starken Sinn für Gerechtigkeit. Diese Eigenschaften sorgten dafür, dass sie Harun abgrundtief verabscheute. Eines Tages verlangte Harun von ihr einen Bauern zu töten, der sich erdreistet hatte dem Rat seine Not vorzutragen, für die der Bauer Harun verantwortlich machte. Zara weigerte sich und brachte sogar den Mut auf, Harun zu drohen. Zu dieser Zeit war der Rat noch nicht mit seinen unfähigen Speichelleckern besetzt und der Kriegszauberer musste sich durchaus vor ihm verantworten. Harun bekam einen Tobsuchtsanfall, versah Zara mit falschen Anschuldigungen und ließ sie verhaften. Daraufhin wurde sie ihres Ranges als Offizierin enthoben, unehrenhaft aus der Garde entlassen und wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Am Tage der Hinrichtung, stellte sich Vitras, Harun Ar Sabah in aller Öffentlichkeit entgegen. Er befreite Zara auf dem Hinrichtungsplatz und tötete dabei sechzehn Soldaten von Haruns persönlicher Garde. Vitras und Harun gingen mit ihren geballten magischen Kräften aufeinander los. Vitras gewann schnell die Oberhand und war kurz davor, seinen Kontrahenten zu töten. Doch dem magischen Rat gelang es in letzter Sekunde, den Kampf zwischen den beiden Kriegszauberern zu beenden. Insgeheim, stand der gesamte Rat hinter Vitras und konnte seine Handlungen nachvollziehen. Aber die öffentliche Ordnung musste aufrechterhalten werden und Vitras hatte an nur einem einzigen Tag gegen nahezu sämtliche Regeln verstoßen, die der Rat sich selbst auferlegt hatte. Um Vitras Leben zu retten, blieb den Mitgliedern des Rates nichts anderes übrig, als ihn in die Verbannung zu schicken.
„Was ist eigentlich aus Zara geworden?“ Brachte Guillaume neugierig hervor. Vitras zuckte leicht mit den Schultern:
„Das einzige was ich weiß, ist das sie nach Norden gegangen ist. Immerhin musste sie fliehen. In Kushtur war sie ihres Lebens nicht mehr sicher. Es würde mich nicht wundern, wenn sie ihr Schwert in den Dienst irgendeines Fürsten gestellt hat. Ein normales Leben mit Mann, Kindern, Haus und Hof kann ich mir bei ihr wahrlich nicht vorstellen.“ Bei diesem Gedanken musste der Kriegszauberer unwillkürlich schmunzeln. Er drehte den inzwischen leeren Becher in der Hand und wandte sich der kleinen Anrichte zu, um ihn darauf abzustellen. Dabei blickte er wieder aus dem Fenster und beobachtete die Soldaten, die dabei waren eine Mahlzeit aus Brot, Dörrfleisch und Käse zu sich zu nehmen. Nicht wenige von ihnen waren beständig am Fluchen, da ihre gesamte Ausrüstung durch das Unwetter klitschnass geworden war. Nachdenklich wandte sich Vitras wieder seinem Freund zu:
„Du hast meine Frage noch nicht beantwortet!“ Vitras Stimme bekam einen ernsten Unterton:
„Was genau verspricht sich Harun davon, sollte ich nach Kushtur zurückkehren?“
„Die Prophezeiung besagt...“ begann Guillaume, als Vitras ihn verärgert unterbrach:
„Ich weiß genau was die Prophezeiung besagt Gil. Ich weiß es ganz genau.“ Brüllte er ihn an: „Soll ich ihm etwa zur Seite stehen, um das große Übel zu bekämpfen für dessen Auferstehung er selbst verantwortlich ist, oder braucht das Dreckschwein meine Hilfe, um zwei kleine Kinder umzubringen?“
Guillaume begann auf dem Sessel unruhig hin und her zu rutschen. Immer wieder strich er sich fahrig durch die Haare. Vitras gewann den Eindruck, dass sein Freund Angst vor ihm bekam. Gil begann gleichzeitig zu zittern und zu schwitzen. Übertrieben nervös wischte er sich den Schweiß mit dem Ärmel seiner grauen Robe von der Stirn:
„Ich... ich bin nicht so stark wie du mein Freund.“ Murmelte Guillaume plötzlich: „Ich war es nie und werde es auch nie sein. Es tut mir alles so unendlich leid!“
Die Kriegszauberer blickte erstaunt zu seinem Freund herab:
„Was faselst du da? Fehlt dir irgendetwas?“
„Frage ihn endlich, was er über die Zwillinge weiß,“ befahl eine mörderisch klingende Stimme, die nur Guillaume in seinem