Andran und Sanara. Sven Gradert
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Читать онлайн книгу Andran und Sanara - Sven Gradert страница 13
So lehnte sie den Wunsch des Herrschers, ihn zu heiraten, jedes Mal ab. Godvere war am Hofe auch längst nicht mehr der Mann, den sie in ihrem Wald kennen und lieben gelernt hatte. Er fiel in seinen alten Rhythmus zurück, und sie erkannte schnell, dass er sein Reich mit unnachgiebiger Härte führte. Dabei war er zu einem Jähzorn fähig, den sie an ihm noch nicht kannte. Als die Hof Ärzte ihr offenbarten, dass sie Zwillinge zur Welt bringen würde, entschloss sie sich, in ihren Wald zurückzukehren. Sie wollte ihren Kindern nicht ihr göttliches Erbe verwehren. Viel wichtiger aber war ihr, dass die Zwillinge glücklich und ohne Zwänge aufwachsen sollten. Naiv wie sie war, erzählte sie dem Herrscher umgehend von ihrem Vorhaben. Godvere Garien bekam einen Tobsuchtsanfall, der seines gleichen suchte. Nicht nur dass sie seine Heiratsanträge durchgehend ablehnte und ihn damit zutiefst in seinem Stolz verletzte, jetzt sollte er auch auf seine Kinder und sein Reich auf einen Thronfolger verzichten. Er ließ Morna umgehend in ihre Gemächer bringen, die sie von nun an nicht mehr verlassen durfte. Schwer bewaffnete Wachen kontrollierten jeden, der ihre Räume betreten wollte. Nach der Geburt der Zwillinge brachte man Morna in den Kerker und Godvere verbot jedem am Hofe, ihren Namen jemals wieder zu erwähnen. Offiziell ließ man verlautbaren, die junge Mutter sei bei der Geburt verstorben und der Herrscher hatte vor, seine Kinder in diesem Glauben aufzuziehen.
Obwohl die Entbindung erst wenige Wochen zurücklag, kam es Morna inzwischen vor als läge dies Ereignis eine Ewigkeit zurück. Trauer, Wut und Verzweiflung beherrschten sie und waren auf dem besten Wege, sie in den Wahnsinn zu treiben. Der schwache Schein der Fackeln, wenn die Wachen nach dem Rechten sahen, reichte inzwischen völlig aus, ihren Augen Schmerzen zuzufügen, so dass sie diese zusammenkneifen musste. Doch der Klang der Schritte, der sich jetzt ihrer Zelle näherte, hörte sich anders an. Morna kannte inzwischen jedes Geräusch, dessen sie hier unten habhaft werden konnte. Dies waren nicht die schweren Schritte der bulligen Wärter, die sich langsam näherten. Es klang eher wie ein tapsen, wie die Schritte einer zierlichen Person. Dann hörte sie das Flüstern einer Frauenstimme. Mornas Herz begann wie wild zu rasen, als sie die Stimme erkannte.
„Elze? Elze, bist du das wirklich?“ Brachte die Halbgöttin aufgeregt hervor und bewegte sich auf die Zellentür zu. Dabei erschrak sie sich über den Tonfall der eigenen Stimme, die sich dumpf und krächzend anhörte. Der Lichtschein der Fackel, der sich an den feuchten Wänden wieder spiegelte, wurde immer heller. Als Elze endlich die Zellentür erreichte musste sich Morna eine Hand schützend vor ihre Augen halten. Die alte Dienerin war eine der wenigen Personen im Palast, die Morna sofort in ihr Herz geschlossen hatte. Elze fing augenblicklich an zu weinen, als sie realisierte, dass sie ihre Herrin endlich gefunden hatte. Umständlich begann sie mit dem klobigen Schlüssel im Schloss zu hantieren, wobei sie immer wieder eine graue Haarsträhne aus ihrem Gesicht wischte. Nach einer Weile hatte sie den Dreh raus, und mit einem lauten Klacken sprang das Schloss auf. Nur zu zweit und mit größter Mühe schafften die beiden es, die schwere Tür einen Spalt weit zu öffnen, so dass Morna sich hindurchzwängen konnte. Überglücklich fiel sie der alten Dienerin in die Arme und wurde dabei von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt. Mit ihrer ruhigen und unglaublich einfühlsamen Art gelang es Elze, Morna zu beruhigen. Dann drückte sie sie vorsichtig von sich und betrachtete sie. Die ältere Frau war erstaunt und beeindruckt zugleich, als sie in Mornas Augen blickte. Trotz der Tränen konnte sie in ihnen noch immer den Stolz erkennen, den sie stets so bewundert hatte. Auch nach vier Wochen in diesen dunklen und kalten Verließ, der Trennung von ihren Kindern sowie der Angst vor dem eigenen ungewissen Schicksal, hatte Morna nichts von ihrer Würde und Eleganz verloren. Ihr inzwischen völlig verdrecktes zerschlissenes Kleid, die langen ungepflegten braunen Haare und selbst die vielen Kratzer oder Schürfwunden, schienen ihre Erhabenheit nur trotzend zu unterstreichen. In all den Jahren, als Dienerin von drei verschiedenen Herrschern, hatte Elze nie auch nur eine Person kennengelernt, die sie so freundlich und warmherzig behandelte wie Morna.
„Wie hast du es bloß geschafft, an den Schlüssel zu kommen und dich an den Wärtern vorbei zu schleichen?“ flüsterte Morna ganz aufgeregt. Dabei blickte sie ängstlich über die Schulter der Dienerin, da sie befürchtete, dass die Wärter jeden Augenblick auftauchen könnten. Elze lächelte sie freudig an und hielt einen kleinen Lederbeutel hoch, den sie mit ihrer freien Hand aus ihrem Jutebeutel hervorkramte. Morna hielt indes noch immer eine Hand vor den Augen, da der Schein der Fackel sie regelrecht blendete.
„Die richtige Mischung aus Alraun, Nachtschatten und Tollkirsche.“ erklärte Elze stolz, während der Beutel sanft vor Mornas Gesicht hin und her schaukelte:
„Vielleicht noch eine Prise Bilsenkraut dazu. Das alles fein zerstoßen und in einen Becher Wein gemischt. Das ist es auch schon. Die Wärter haben sich riesig gefreut, als ich ihnen überraschend den Wein brachte.“ Elze strahlte jetzt über das ganze Gesicht:
„Als Dankeschön sind sie dann auch ziemlich schnell zu Boden geplumpst.“ Prüfend drehte Elze den kleinen Beutel zwischen ihren Fingern:
„Hoffentlich habe ich nicht zu viel Tollkirsche genommen!“ Kopfschüttelnd ließ sie den Beutel wieder in ihrem Jutesack verschwinden. Dann bekam ihre Stimme einen ernsten Tonfall:
„Ihr müsst hier sofort weg, es ist vor kurzem etwas Schreckliches geschehen. Ich befürchte, dass ihr eures Lebens jetzt erst recht nicht mehr sicher seid.“
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst Elze, aber ohne die Zwillinge gehe ich nirgendwo hin. Wir müssen erst meine Kinder holen.“
Elze begann leicht zu zittern: „Das ist es ja!“ wimmerte sie: „Die Zwillinge sind spurlos verschwunden. Der Herrscher ist außer sich vor Zorn. Er hat das gesamte Wachpersonal der letzten Nacht verhaften und in den Kerker werfen lassen. Hunderte Soldaten durchkämmen den gesamten Palast. Ich kann nicht einmal erahnen, wie viele Soldaten die Stadt durchforsten. Dabei dringen sie auf ihrer Suche nach den Kindern in jedes Haus ein. Nicht einmal die Villen der Adligen werden verschont. Doch sie sind unauffindbar. Mittlerweile sind nicht wenige davon überzeugt, dass Magie im Spiel sein muss.“ Um Morna herum begann sich plötzlich alles zu drehen. Sie hatte Angst den Boden unter den Füßen zu verlieren und konnte sich gerade noch an der kalten Mauerwand abstützen, um nicht hinzufallen.
„Es ist nur eine Frage der Zeit,“ fuhr Elze fort: „Bis der Herrscher euch zu sich bringen lässt. Ihr müsst augenblicklich hier verschwinden Herrin. Ich weiß nicht, wann die Wärter abgelöst werden und man eure Flucht bemerkt.“ Die Halbgöttin wirkte völlig geistesabwesend. Elze rüttelte an Mornas linken Schulter: „Habt ihr mich verstanden? Wir müssen hier weg!“ Es gelang Morna nicht, die Tränen zurück zu halten als sie Elze fragend anblickte: „Wie stellst du dir das vor? Wie sollen wir denn von hier entfliehen. Erst recht, wenn es überall von Soldaten nur so wimmelt?“
Elze setzte augenblicklich wieder ihr strahlendes Lächeln auf: „Oh – da habe ich schon so eine Idee. Oder dachtet ihr, ich wäre nur zu Besuch hier heruntergekommen? Kommt mit und bleibt dabei dicht hinter mir!“
Morna folgte der älteren Frau. Doch anstatt in den Vorraum zu gehen, wo die bewusstlosen Wärter lagen, und von wo aus eine Treppe nach oben führte, wählte Elze einen Seitengang, von dem aus eine Treppe die beiden Frauen tiefer ins Verlies führte. Die Stufen, die man vor Jahrhunderten ins Gestein geschlagen hatte, waren glitschig und somit extrem rutschig. Morna wunderte sich, mit welcher Leichtigkeit Elze eine Stufe nach der anderen nahm, während sie selbst sich immer wieder am Mauerwerk abstützen musste,