Andran und Sanara. Sven Gradert
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Читать онлайн книгу Andran und Sanara - Sven Gradert страница 6
„Zweiundzwanzig!“ flüsterte Vitras und betrat das Gebäude. Der Gestank von Schweiß, Blut sowie Alkohol schlug ihm genauso hemmungslos entgegen wie das Gegröle von zwölf Gefolgsleuten des Rothaarigen. Ein Großteil des Mobiliars war zerschlagen und mehrere Leichen lagen mit aufgeschlitzten Kehlen nahe dem Tresen. Ein voller Humpen Bier flog schlecht geworfen in Richtung des Schanktresens und verfehlte den Gastwirt nur knapp. Da niemand Vitras wahrzunehmen schien, schritt er geradewegs auf die ersten beiden Gesetzlosen zu und erschlug sie innerhalb weniger Wimpernschläge. Wie zu erwarten hatte er nun die volle Aufmerksamkeit der anderen. Für einen kurzen Augenblick herrschte eine Totenstille im Raum. Dann brach das Chaos aus. Tische, Bänke und Stühle wurden zur Seite gestoßen oder umgeworfen, als die verbliebenen zehn Männer aufsprangen, ihre Schwerter zogen oder nach ihren Äxten griffen. Mit einer tödlichen Präzision handhabte Vitras seinen Kampfstab. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, Magie anzuwenden. Die ohnehin schon stark angetrunkenen Männer waren absolut keine Gegner für ihn.
„Noch zehn!“ Flüsterte er erneut zu sich selbst, als der letzte Tagelöhner tot zu Boden ging. Der Gastraum war plötzlich von einer unheimlichen Stille erfüllt. Das leise Schluchzen zweier Dienstmägde, sowie das schwere Atmen des Gastwirtes, waren die einzigen Geräusche die Vitras vernahm, als ihn wieder das Gefühl der eisigen Kälte beschlich. Seine Nackenhaare richteten sich auf und Schweißperlen liefen ihm von der Stirn. Er spürte Filous ängstliches Zittern und spähte in sämtliche Richtungen des großen Raumes, konnte jedoch keine Gefahr ausmachen, als ihn ein kräftiges Händeklatschen leicht zusammenzucken ließ. Aus dem Schatten der Treppe, die in den ersten Stock führte, löste sich eine Gestalt in einem schwarzen Umhang. Der kräftigen Statur nach zu urteilen musste es sich um einen Mann handeln. Doch er trug seine Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, dass Vitras zunächst keine Gesichtszüge erkennen konnte. Allmählich kam der unheimliche Fremde näher, ohne mit dem Klatschen aufzuhören, welches er langsam und monoton vollführte.
„Meister Vitras!“ Ertönte plötzlich seine dunkle, harte Stimme: „Ihr seid zurück wie ich sehe.“
Vitras musste schlucken als er den Tonfall der Stimme erkannte. Augenblicklich ließ er seinen Kampfstab fallen. Gegen diesen Gegner konnte er nicht bestehen. Mit einer unwirschen Handbewegung, bedeutete der Fremde dem Wirt und den Mägden zu verschwinden. Hastig rannten alle drei in die hinteren Räumlichkeiten und entfernten sich somit aus Vitras' Blickfeld.
„Du hast dir ja nicht allzu viel Zeit gelassen Tantras,“ begann Vitras in einem leicht spöttischen Tonfall: „Ich hätte es mir eigentlich denken können, dass du der erste bist der mich ins Große Sanktrum schicken will!“
Tantras beendete sein klatschen und trat weiter auf Vitras zu, bis er kurz vor ihm stehen blieb. Das Leuchten seiner blauen Augen konnte Vitras trotz der tiefsitzenden Kapuze erkennen. Es verstärkte sich als der Gott des Krieges die Kapuze leicht nach hinten zog, wodurch seine erhabenen Gesichtszüge erkennbar wurden. Sie spiegelten eine ungemeine Härte als auch Strenge, sogar Grausamkeit wider, die jedoch mit einer atemberaubenden Schönheit gepaart waren.
„Dich töten? Hier?“ Angewidert ließ Tantras seinen Blick durch den großen Schankraum schweifen, bevor er fortfuhr:
„Abgesehen davon, dass ich die kommenden tausend Jahre auf den Zorn meiner Schwester verzichten kann, haben sich gewisse Umstände gravierend verändert?“
„Gewisse Umstände?“ Vitras zog fragend die Augenbrauen hoch.
„Du hast mich schon richtig verstanden. Wir müssen uns unterhalten!“ Die Augen des Gottes bekamen einen seltsamen Ausdruck: „Was nicht bedeutet, dass ich mit dir fertig bin.“ Fügte er drohend hinzu. Ein kurzes Kopfnicken des Gottes reichte aus, die Leichen und sämtliches Blut einfach verschwinden zu lassen. Das zertrümmerte Mobiliar fügte sich wie von Geisterhand genauso wieder zusammen, wie die Splitter von zerborstenen Gläsern, welche daraufhin ordentlich in ihre Regale schwebten. Auf dem Tisch, der sich eben noch zertrümmert zwischen dem Gott und Vitras befand, platzierte sich eine edle, schwere weiße Tischdecke. Wie aus dem Nichts erschienen ein goldener Kelch sowie zwei goldene Becher auf dem Tisch. Selbst der drückende, üble Gestank, der den Raum eben noch beherrschte, wich einer frischen, angenehm riechenden Luft.
„Setz dich!“ forderte der Gott des Krieges den Zauberer auf und wies dabei auf einen der beiden Stühle, der plötzlich weich gepolstert war und elegant geschwungene Armlehnen aufwies. Vitras setzte sich, woraufhin sich der Kelch vom Tisch erhob und süßen, schweren Wein in die beiden Becher goss. Tantras setzte sich Vitras gegenüber und erhob seinen Becher. Der Zauberer zögerte.
„Ist das dein Ernst?“ Lächelte Tantras amüsiert: „Glaubst du wirklich mir fällt nichts Besseres ein, als dich in diesem Drecksloch zu vergiften?“
Dem Kriegsgott eine Antwort schuldig bleibend, ergriff Vitras den Becher und nahm einen kräftigen Schluck. Seine Augen weiteten sich voller Erstaunen. Eine angenehme Wärme durchflutete seinen gesamten Körper. Sein Geschmackssinn verpasste ihm ein wahres Glücksgefühl. Dies war der beste Wein, den er jemals getrunken hatte.
„Die Reben aus denen dieser Wein gefertigt wird, stammen von den Hängen des Singariums. Audris selbst kontrolliert die Weinlese Jahr für Jahr.“ Klärte Tantras ihn auf.
„Der Wein der Götter!“ Brachte Vitras voller Ehrfurcht hervor und drehte den Becher verträumt in seiner Hand. Er schloss kurz die Augen, konzentrierte sich und schüttelte das wohlige Gefühl, das seinen Geist zu benebeln begann ab. Er hatte nicht vor, sich von Tantras einlullen zu lassen. Er öffnete wieder die Augen und stellte den Becher auf den Tisch. Seine Augen bekamen einen harten Glanz. Er war nicht nur ein einfacher Zauberer – Vitras war der mächtigste Kriegszauberer seiner Zeit. Die Zeit des Versteckens war nun vorüber, und neben Tantras Schwester mochte es vielleicht doch noch den einen oder anderen Gott geben, der ihm wohlgesonnen war.
„Von welchen