Festspiel Kurier #14. Nordbayerischer Kurier

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Festspiel Kurier #14 - Nordbayerischer Kurier страница 8

Festspiel Kurier #14 - Nordbayerischer Kurier

Скачать книгу

Theaterwunder passierte und es auch drum herum mit Götz Friedrichs „Tannhäuser“ und dem „Holländer“ von Harry Kupfer großartige Musiktheaterinszenierungen gab. So sollen Festspiele sein!

      Müller: Mich hat Chéreau zurück in die Oper gebracht. Er hat mir das Musiktheater als Lebensbereicherung gerettet. Wie ordnest du in diesem Zusammenhang Schlingensief ein?

      Beer: Er hat meinem Wunschbild von Bayreuth entsprochen. Auch er war ein manischer Arbeiter, wurde aber gern als spinnert abgetan. Dabei war seine soziale Komponente – mit den Behinderten, die er auf die Bühne stellte – für „Parsifal“ interpretatorisch unglaublich bereichernd. Leider hat er nicht durchgängig die richtige Besetzung gehabt für das, was er wollte. Und dass das Haus anfangs nicht mal das Geld für einen Beamer aufbringen wollte, ist schon ein Hammer. Bayreuth sollte doch etwas anderes sein als jedes andere Festival! Wenn man schon einen einmaligen Ort hat, sollte er auch mit etwas Einmaligem gefüllt werden. Und das Einmalige kann nur entstehen, wenn Verantwortliche da sind, die wissen, was Kunst ist – und was in der Kunst einmalig sein kann.

      „Man kann sich nie darauf verlassen, dass man einen tollen Abend erlebt, wenn man ins Theater geht.“

      Müller: Ketzerisch dazwischengesagt: War es nicht eher ein Zufall, dass Chéreau nach Bayreuth kam – dank Pierre Boulez, der ihn nach den Absagen von anderen Regisseuren empfohlen hatte?

      Beer: Natürlich war das auch ein Glücksfall! Aber es ist möglich, ein gewisses Höchstniveau zu erreichen, indem man Leute sucht, die ihr Handwerk verstehen. Patrice konnte zwar keine Partitur lesen, aber intuitiv richtig mit der Musik umgehen. Das ist ein Punkt, wo mit Ausnahme von Hans Neuenfels das aktuelle Bayreuth penetrant scheitert. Die meisten Regisseure verstehen einfach nicht, was die Musik ihnen bietet, wo sie was draufsetzen können und wo sie Raum für sich braucht.

      Müller: „Prima la Musica“ ist für mich die Grundlage, auf der eine stimmige Operninszenierung fußen sollte. Im Endeffekt kann man erzählen, was man will, aber man muss im richtigen Rhythmus ein- und ausatmen. Der Atem ist die Musik. War Heiner Müller einer, der die Musik verstanden und gefühlt hat?

      Beer: Gefühlt mit Sicherheit, sonst hätte er dieses Todesbild, das er in seinem angeblich kühlen, in Wahrheit aufwühlenden „Tristan“ verfolgt hat, nicht in dieser Konsequenz bringen können. Und: Er war ein autonomer Künstler.

      Müller: Was verstehst du darunter?

      Beer: Dass jemand nicht nur auf die Oper fokussiert ist, sondern auch auf einem anderen Gebiet Künstler ist. Das ist in der Oper vielleicht sogar unerlässlich, weil sie so viele Ausdrucksebenen hat.

      Müller: Eine Garantie ist es aber nicht.

      Beer: Stimmt. Alfred Kirchners „Ring“-Regie war der ungewöhnlich starken Ausdruckskunst von rosalie nicht gewachsen. Und Tankred Dorst konnte nur mit seinem Konzeptbuch Hoffnungen wecken, nicht durch die konkrete Umsetzung.

      Müller: Die zu geringe Zeit – auch Dorst war Einspringer – spielte sicher eine Rolle. Aber vielleicht vermochte er auch nicht, alle mit seiner Idee anzustecken. Sein „Ring“-Konzept hätte ich zu gern verwirklicht gesehen – die unsichtbaren Götter zwischen den ahnungslosen Menschen…

      Beer: … und dem ahnungslosen Siegfried, dem bei Dorst erst Lance Ryan eine schlüssige Statur gab. Wir sollten nicht vergessen, wie wichtig eine passgenaue Besetzung für eine Inszenierung ist! Sie ist für mich ein Kernpunkt für das jetzige Scheitern in Bayreuth. Inzwischen besetzt das Staatstheater Nürnberg Wagner besser als der Hügel.

      Müller: Damit sind wir der Frage, warum Chéreau so eine große Wirkung entfachen konnte, ziemlich nahe gekommen. Fehlt noch der Dirigent. Wenn Musik und Bühne in zwei Teilen nebeneinander herlaufen, kann ein Konzept weder überzeugen noch ergreifen.

      Beer: In München habe ich gerade das beste Beispiel seit langem erlebt, bei Bernd Alois Zimmermanns „Soldaten“ mit Kirill Petrenko und Andreas Kriegenburg. Der Dirigent saß auf jeder Probe und umgekehrt hat der Regisseur immens von ihm gelernt. Das Ergebnis: Sogar Leute, die sonst vor Zwölftonmusik weglaufen, waren gepackt.

      Müller: Spontane Emotionalität heißt ja nicht, dass jeder in seinem Innersten im Einklang berührt wird. Es kann auch massiver Widerstand dabei entstehen. Aber eben kein unbeteiligter Konsument.

      Beer: Genau an diesem Punkt scheitert Frank Castorf mit seinem „Ring“, weil er die Emotion nicht zulassen will und damit die Wirkung, die die Musik hat, zerstört.

      Müller: Gerade deshalb mögen manche Menschen diese Inszenierung – sie erlaubt ihnen, emotional Abstand zu halten.

      Beer: Castorf hat abgesehen davon am Grünen Hügel seine DDR-Geschichte aufgearbeitet, was in Berlin bestimmt gut ankommen würde, aber in Bayreuth? Können das die Japaner verstehen, die Amerikaner oder Franzosen?

      Müller: Der Herheim-„Parsifal“ war eine großartige Antwort auf den Ort. Ich wünsche mir, dass in Bayreuth auf ein internationales Publikum – mit einer Inszenierungssprache, die viele verstehen – geachtet oder zumindest seine Neugier geweckt wird.

      Beer: Was jetzt in Bayreuth dominiert, ist Dramaturgen- und Dekonstruktionstheater, das gezielt gegen die Musik arbeitet. Gegen Widerstand hab’ ich ja nichts…

      Müller: …das erzeugt Reibung…

      Beer: …aber Ignoranz ist bodenlos, weil das Wichtige fehlt.

      Müller: Und Musik zur dekorativen Unterhaltung degradiert wird.

      Beer: Umso mehr ist es schade, dass der für Bayreuth

      wichtige Herheim-„Parsifal“ nicht als DVD erschienen ist.

      Müller: Da muss ich gleich an Jonathan Meese denken…

      Beer: Eine israelische Journalistin hat mir geschrieben, wie empörend sie und mit ihr viele israelische Musikfreunde es finden, dass jemand wie Meese, der sich immer wieder mit dem Hitlergruß vermarktet, die Möglichkeit erhält, ausgerechnet in Bayreuth zu inszenieren.

      Müller: Man kann natürlich sagen: Tolles Marketing!

      Beer: Es wird Bayreuth schaden. Schließlich ist Oper an sich voll von „Stellvertretertum“ und Rollenbildern. Deshalb geht man überhaupt hin.

      Müller: Figuren in Opern erleben extreme Situationen…

      Beer: …denen wir selber nicht ausgesetzt sind. Aber wir dürfen sie nachempfinden.

      Illustration: Susanne Seilkopf

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской

Скачать книгу