Festspiel Kurier #14. Nordbayerischer Kurier

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Festspiel Kurier #14 - Nordbayerischer Kurier

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Zeitungslaufbahn spezialisierte, Marieluise Müller mit der Erfahrung ihres „Herzensberufs“ Regie, den sie nach dem Studium der Theaterwissenschaft in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellte. Da beide jahrzehntelang auch für die „Festspielnachrichten“ schrieben, die von 1951 bis 2013 die Festspiele begleiteten (28 Jahre lang mit Marieluise Müller als Chefredakteurin), war es für die Autorinnen an der Zeit, einen gemeinsamen Blick „zurück in die Zukunft“ zu werfen.

      Marieluise Müller: Wenn wir über Oper sprechen, frage ich mich zuerst: Wie findet man den Weg zu ihr?

      Monika Beer: Mich hat als Kind zuerst Maria Callas elektrisiert, im Radio, und wie ich erst spät herausfand mit einer Meyerbeer-Arie! Die Callas hat mir – ohne dass ich wusste, wer sie war – emotional einen unglaublichen Kick gegeben, mit einer Koloraturarie, die für mich mehr war als „nur“ Kunst. Als ich dann Klavier lernte, war ich versessen darauf, mich durch Musik auszudrücken. Das ging so weit, dass ich nach einem Umzug aus Heimweh nur noch traurige Musik spielte.

      Müller: Das heißt, die Musik verstärkte deine Emotionen, war aber nicht der Trost, der sie hätte auffangen können…?

      Beer: Ich wollte zurück an einen bestimmten Ort – und nicht getröstet werden. Im Nachhinein fand ich es eine gesunde Reaktion, dass ich nicht am Klavier kleben geblieben bin. Ich war damals sowieso mehr bei den Beatles und Stones, sang in einer Beatband. Mit sechzehn kam ich nach Bayreuth, meine erste Oper erlebte ich im Festspielhaus – eine „Lohengrin“-Generalprobe. Die Musik fand ich toll, aber der Augenmensch in mir wurde nicht angesprochen. Stämmige Männer in Röckchen: das war nix für uns Teenager…

      Müller: Auch ich hörte als Gymnasiastin meine erste Wagneroper im Festspielhaus. „Tannhäuser“, Mitte der 60er Jahre. Die besten Sammler fürs „Müttergenesungswerk“ hatten Generalprobenkarten bekommen. Jess Thomas und Anja Silja sangen – ich war hin und weg. Bis dahin hatte ich nur einen „Freischütz“ in Coburg besucht, Lehárs „Paganini“ im Fernsehen gesehen, ausgiebig Loewe-Balladen mit Dietrich Fischer-Dieskau gehört und als Pfarrerskind natürlich – mehr schlecht als recht – Harmonium gespielt. Aber Siljas Jubel „Dich, teure Halle, grüß ich wieder“ hör ich heute noch!

      Beer: Apropos teuer: Als Abiturientin lernte ich eine andere Seite der Festspiele kennen, als Bedienung im Festspielrestaurant. In einer Dienerfunktion merkt man schnell, wie sich die Leute unterscheiden…

      Müller: … ob sie von Geld- oder von geistigem Adel sind…

      „Da die Festspiele eine beschämende Geschichte haben, müsste es ein Informations-angebot für alle geben, die in die Stadt kommen.“

      Beer: Die Unternehmerin Grete Schickedanz war eine positive Erfahrung, der Modeschöpfer Heinz Oestergaard dagegen unausstehlich. In dieser Zeit hörte ich Birgit Nilsson – und ich verstand nicht, warum die Leute bei ihr so gejubelt haben. Mir war klar, dass sie perfekt singt, aber es hat mich nicht so berührt. Das ist erst später passiert, bei einer „Götterdämmerung“ mit Catarina Ligendza. Ihr Gesang, ihre Brünnhilde hatte plötzlich eine dramatische Wahrhaftigkeit – ganz unabhängig vom Inszenierungs-Schamott außen rum, von dem es ja reichlich gab. Und dann kam schon Chéreau… Was kam bei dir nach Silja?

      Müller: Das Abitur und ein Sommer als Blaues Mädchen, wie die Türsteherinnen noch hießen, weil sie immer blaue Kostüme trugen. Wer kennt das nicht: Kinder mutieren in Bayreuth zu Nibelungen, Mädchen werden Platzanweiserinnen – ganze Legionen junger Bayreuther sind so mit den Festspielen in Berührung gekommen. Wer weiß, ob wir beide die Oper so intensiv für uns entdeckt hätten ohne Bayreuth? Allerdings hielt sich meine Begeisterung in Grenzen. Und da ich bereits fürs „Bayreuther Tagblatt“ und die „Festspielnachrichten“ schrieb, wusste ich, dass es schwierig war, ein Interview mit Karl Böhm, dem legendären Dirigenten, zu bekommen. So nutzte ich die Gelegenheit, mich frei im Festspielhaus bewegen zu dürfen und klopfte in einer Pause an die Tür seines Dirigentenzimmers. Ungeheuerlich, mit welcher Naivität ich das wagte! Aber es wurde – für mich heute noch ein kleines Wunder – ein liebenswürdiges Gespräch. Während meines Studiums rückte die Oper in den Hintergrund, spielte nur sommers in der „Kurier“-Redaktion die Hauptrolle in Form von vielen, vielen Künstler-Interviews und Generalprobenbesuchen. Wobei ich heute sagen muss, dass mir diese Gespräche mehr für meine eigene Theaterarbeit gebracht haben als mein Studium.

      Beer: Welche Interviews waren wichtig für dich?

      Müller: Sicher eins der letzten aus dem Jahr 2012 mit Reinhard von der Thannen, dem „Lohengrin“-Bühnenbildner, eins der schönsten über das Leben und seine Höhen und Tiefen. Drei Jahre lang fesselten mich auch die Gespräche mit Peter Hofmann für das Buch, mit dem ich auch zeigen wollte, dass sich wieder junge Menschen über seine Person für Oper interessieren.

      Beer: Dem Sexappeal, den er hatte, erlebt man in der Oper doch nur alle heiligen Zeiten…Was war das für ein Aufschrei nach dem ersten „Walküre“-Akt!

      Müller: Erstmals ein glaubwürdiges Liebespaar auf der Bühne!

      „Wenn die ‚Bild’-Zeitung von Ovationen bei der Eröffnung berichtet, trampelt das Publikum bei den nächsten Vorstellungen.“

      Beer: Für mein professionelles Opernverständnis war vor allem Erich Rappl wichtig. Was hab’ ich nicht alles von ihm gelernt! Er war als Musikkritiker mein früher Leitstern, hat mich in der Redaktion gefördert und befeuert. In den „Festspielnachrichten“ dann den ersten Artikel veröffentlichen zu dürfen, war ein Meilenstein.

      Müller: Und dann kam Patrice Chéreau – dieser unbekannte, junge Regisseur aus Frankreich.

      Beer: Warum sein „Ring“ 1976 so einschlug, hat damit zu tun, dass er Wagner aus der Abstraktion nahm und in einen historischen Zusammenhang stellte – und zwar genau zum richtigen Zeitpunkt.

      Müller: Was man nach dem Krieg nicht hätte tun können! All diese traumatisierten Menschen brauchten erst mal Abstand, um wieder zu sich kommen zu können.

      Beer: Dass nach Neubayreuth und nach den 68er Jahren dieses avantgardistische Kunstereignis, das gesellschaftlich-politische Veränderungen so unmittelbar auf der Bühne abbildete, ausgerechnet in Bayreuth stattfinden konnte, ist eine Sensation, die sich bis heute nicht mehr ereignet hat.

      Müller: Chéreau ist zudem für mich ein Theatermann, der durchaus intellektuell an etwas heranging, aber das Publikum ins Herz traf.

      Beer: Ich bin nur deshalb von der Zeitung ins Festspielhaus gewechselt, um hinter sein Geheimnis zu kommen! Es hatte sehr viel mit seiner Liebe zu den Figuren zu tun, zu seinen Solisten – und mit unendlich viel harter Arbeit. Soweit ich weiß, war er in fünf Jahren bei nur zwei „Ring“-Aufführungen nicht in Bayreuth. Sonst stand er bei jeder Vorstellung in der Seitengasse, und hat, wenn’s drauf ankam, die Nebelmaschine selber bedient. Alle wussten, er ist da und kaut an den Fingernägeln vor lauter Nervosität, dass was schiefgehen könnte. Dafür haben ihn alle geliebt, außer Karl Ridderbusch…

      Müller: …René Kollo war wohl auch nicht begeistert.

      Beer: Die meisten Solisten haben ihn geliebt, weil sie gespürt haben, dass er was aus ihnen rausholte, das sie sonst nicht geben konnten. Bei anderen Regisseuren hört die Arbeit doch mit der Premiere auf.

      Müller: Was passiert, wenn ein Regisseur sein Werk im Stich lässt oder lassen muss, haben wir in Bayreuth öfter erlebt.

      Beer: Das ging gleich nach Chéreau los, als Peter Hall und Georg Solti aus ihrem „Ring“ ausgestiegen sind. Aber selbst in dieser nur pseudoromantischen Inszenierung konnten die Sänger manchmal

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