Festspiel Kurier #14. Nordbayerischer Kurier

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Festspiel Kurier #14 - Nordbayerischer Kurier

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lachend. Mit einem dicken Buntstift machte er sich damals an die Korrekturen in einem englischen Opernführer, in dem immer die Rede von Wagners „Gotterdammerung“ war. In stundenlanger Lektoratsarbeit versah der kleine Michael das Werk der Eltern mit deutschen Umlauten. Da war der Schritt zur akribischen Leitmotivsuche nicht weit. Doch langsam merkt der 54-Jährige, dass seine Wagner-Phasen, wie er die Zeiten nennt, in denen er stundenlang vor der Stereoanlage sitzt und die Welt um sich herum vergisst, sich häufen. „Ich bekomme langsam etwas Angst vor einem Wagner-Koller. Wagner ist gefährlich. Sein Werk ist so intensiv, dass es einen dermaßen packt, dass es zur Droge wird. Es ist manchmal mehr als es für einen gut ist. Ich muss aufpassen, dass ich mit beiden Beinen auf der Erde bleibe. Manchmal saugt mich seine Musik so rein, dass ich immer mehr haben will und darüber jegliches Zeitgefühl vergesse – das ist schon gefährlich.“

      Einer, der den Wagner-Kult aus einer anderen Perspektive erlebt, ist Juraj Cižmarovic. Er ist bekennender Wagnerianer. Seit 17 Jahren treibt es ihn nach Bayreuth, auf den Grünen Hügel, in das Festspielhaus – unter die Bühne, in eine Muschel. Wie Wagner es nannte: in den mystischen Abgrund. Im Festspielorchester ist er einer von fünf Konzertmeistern. „Es ist nicht einfach, die zwei Sommermonate ohne Schmerzen zu überleben. Es tut im Rücken und Nacken weh – und der Kopf ist oft leer. Sie sind während der Festspiele so verseucht mit diesem Klang. Wagner geht in die Poren rein“, erklärt er. Doch Juraj Cižmarovic ist nicht schmerzempfindlich, er ist hart im Nehmen. Besonders wenn es um Wagner geht. Denn das Konzerterlebnis entschädigt: „Wenn man dann im Festspielhaus sitzt. Wenn das Licht aus ist und der erste Ton gespielt ist – dann sind Sie in einer Zauberwelt. Dann beginnt die Magie. Sie werden über mehrere Stunden verführt und Sie werden dabei von nichts Weltlichem gestört“, schwärmt Cižmarovic.

      Auch Befrager Nummer 96, der eigentlich vehement abstreitet, ein Wagnerianer zu sein, versucht Jahr für Jahr die begehrten Karten für die Festspiele zu ergattern – „für dieses Gefühl von vollkommenem Klang und einmaliger Atmosphäre“, wie er das Erlebnis beschreibt. Sogar der nächsten Generation legt der 68-jährige Opern-Fan den Wagner-Kult in die Wiege: Denn für seinen sechs Wochen alten Enkel gab es zur Taufe die Anmeldung für die Warteliste in Bayreuth. Vielleicht kann er so schon im Grundschulalter auf sein erstes Bayreuth-Erlebnis hoffen. Aber Wagnerianer? „Auf keinen Fall. Die sind fanatischer.“

      Die Autorin:

       Elfi Vomberg hat an der Universität zu Köln Musikwissenschaft, Germanistik und Soziologie studiert und anschließend bei der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf volontiert. Sie arbeitet als freie Redakteurin, Moderatorin und Kulturjournalistin für den Westdeutschen Rundfunk und promoviert am Forschungsinstitut für Musiktheater in Bayreuth.

      CHAMBERLAIN

      Geistige Granaten

      Als der Erste Weltkrieg begann, hieß es auf dem Grünen Hügel zunächst: „Wir spielen weiter.“ Einer der wichtigsten Kriegs-Propagandisten war der Ideologe Houston Stewart Chamberlain – ein Wagnerianer, der bald von Bayreuth aus agierte. Über Chamberlain und den Beitrag des Hauses Wahnfried zum Ersten Weltkrieg.

      Von Bernd Buchner

      Vor genau einem Jahrhundert begann der Erste Weltkrieg. Für die Bayreuther Festspiele hatte der Kriegsausbruch verheerende Folgen. Zehn Jahre lang blieb das Festspielhaus geschlossen, von 1914 bis 1924. In die allgemeine Kriegsbegeisterung hatte das Haus Wahnfried keineswegs eingestimmt. Das Leitmotiv „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ übersetzten die Wagners als Auftrag zur Kulturmission, nicht zur militärischen Expansion. Doch als der Krieg begann, wurde der Bayreuther Vorzeige-Ideologe, Houston Stewart Chamberlain, zu einem der wichtigsten Propagandisten der deutschen Kriegführung. Als „geistige Granaten“ lobte selbst Kaiser Wilhelm II. Chamberlains Kriegsschriften, die viele Soldaten im Tornister mitführten.

      Wer war dieser Chamberlain? Geboren in Südengland am 9. September 1855 als Sohn eines englischen Generals, verlor er seine Mutter bereits bei der Geburt. Er wuchs bei Verwandten in Frankreich auf, besuchte in England die Schule, betrieb seit 1879 naturwissenschaftliche Studien in Genf. 1885 bis 1889 lebte Chamberlain in Dresden, danach in Wien. Kurz vor der Jahrhundertwende erschien sein vielgelesenes Hauptwerk „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“, in dem der Privatgelehrte eine Synthese von Geschichte und Naturwissenschaft auf der Grundlage einer arischen Rassenideologie versuchte. Das zweibändige Buch wurde zu einer Urschrift der völkischen und nationalsozialistischen Bewegung.

      1882, im Jahr der „Parsifal“-Uraufführung, kam Chamberlain erstmals nach Bayreuth. Später lernte er Wagners Witwe Cosima kennen, die beiden begannen einen intensiven Briefwechsel. Der Engländer schrieb eine Wagnerbiografie und wurde zu einem führenden Vertreter des Bayreuther Kreises, der für sich in Anspruch nahm, die ideologische Prägung der Festspiele im Sinne des Komponisten zu pflegen und weiterzuentwickeln. 1908 wurde Chamberlain dessen Schwiegersohn – er heiratete Wagners zweite Tochter Eva und siedelte nach Bayreuth über. Nach dem Weltkrieg erkrankte er schwer, war an den Rollstuhl gefesselt, litt wohl unter Syphilis. Hitler konnte er noch als künftigen Herrscher preisen, ehe er am 9. Januar 1927 seinem Leiden erlag.

      In der historischen Forschung blieb Chamberlain lange ein Unbekannter – parallel übrigens zur Vernachlässigung der ideologischen Prägungen der Festspiele. Die einzige Chamberlain-Biografie, noch heute wegweisend und lesenswert, schrieb der US-Forscher Geoffrey G. Field in den 1970er Jahren. Sie wurde bis heute nicht ins Deutsche übersetzt. Inzwischen liegt immerhin Anja Lobenstein-Reichmanns bemerkenswerte Habilitation „Houston Stewart Chamberlain. Zur textlichen Konstruktion einer Weltanschauung“ aus dem Jahr 2008 vor. Nun aber sind weitere Arbeiten in Vorbereitung, die spannende Diskussionen versprechen und fruchtbar für weitere Forschungen sein dürften.

      Gegenwärtig sind zwei deutsche Forscher intensiv mit dem englischen Ideologen beschäftigt, Udo Bermbach und Sven Fritz. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein. Spricht man mit ihnen, erhält man die Vorstellung einer bevorstehenden Forschungskontroverse, die spannend werden dürfte. Doch auch manche überraschende Gemeinsamkeiten sind herauszuhören. Bermbach, Jahrgang 1938, renommierter Wagnerforscher und langjähriger Politikprofessor an der Universität Hamburg, bereitet eine „Kombination von Biografie und Werk-analyse“ zu Chamberlain vor, die im kommenden Jahr im Metzler-Verlag erscheinen soll.

      Ebenfalls 2015 dürfte die Doktorarbeit von Fritz veröffentlicht werden, in der er Chamberlain in die völkische Bewegung seiner Zeit einzuordnen versucht. Der junge Historiker, der am Projekt „Verstummte Stimmen“ von Hannes Heer beteiligt war, sieht den Bayreuther Ideologen als „Scharnierfigur“ zwischen Kaiserreich, Weltkrieg und dem frühen Nationalsozialismus. Chamberlain folge den politischen Bewegungen und sei „immer am Puls der Zeit“. Fritz stellt die Grundfrage, wie viel Einfluss Wagners Schwiegersohn auf die Politik hat. Ist er ein Ideologe, „der in der Bayreuther Einöde sitzt“, oder ein gewiefter völkischer Netzwerker, der versucht, seine Weltanschauung in konkrete Politik zu übersetzen?

      Die Wagnerstadt war für Chamberlain ein denkbar geeignetes Wirkungsfeld. Cosima sprach ganz im Sinne ihres Mannes von der „Kunstanschauung, die zur Welt-Anschauung wird“. Sie brachte damit zum Ausdruck, dass es in Bayreuth nur deshalb auch Wagnerianer geben konnte, weil hinter dem künstlerischen Schaffen des Komponisten eine politische Überzeugung stand. Chamberlain verstand sich deswegen als „Bayreuthianer“, die ideologisch aufgeladene Variante des Wagnerianers. So wurde er zum „Herold eines wahnfriedschen Deutschlands“, wie Ludwig Marcuse spottete, und zum „Größten unter den Zwergen von Bayreuth“.

      Durch die „Grundlagen“, die bis 1922 mehr als hunderttausend Mal verkauft wurden, galt Chamberlain als führender Repräsentant

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