Das Gesetz der Vier. Edgar Wallace
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Читать онлайн книгу Das Gesetz der Vier - Edgar Wallace страница 6
Stedland reichte ihm ein Blatt Papier. Der Mann sah es verwundert an und runzelte die Stirn.
»Das ist ja fast Ihr ganzes Guthaben bei uns, Mr. Stedland?«
»Ja, ich muß sehr eilig verreisen und komme vor zwei Jahren nicht zurück. Aber es bleibt doch noch genügend, um mein Konto aufrechtzuerhalten.«
Es war allgemein bekannt, daß die Firma Molbury & Co. bei solchen Gelegenheiten keine Schwierigkeiten machte.
»Dann wollen Sie wahrscheinlich auch den Inhalt Ihres Safes mitnehmen?« fragte der Kassier höflich.
»Ja, bitte.«
So erhielt er denn den Zinnkasten von der Bank zurück, den er dort deponiert und in den er von Zeit zu Zeit weitere Dokumente hineingelegt hatte.
Zehn Minuten später verließ er das Haus. Er hatte nahezu hunderttausend Pfund an Banknoten in seinen Taschen untergebracht und hielt einen Zinnkasten in der einen Hand. Mit der anderen beschützte er seine Hüfttasche, denn er war sehr vorsichtig. Dann bestieg er das wartende Taxi.
Als er in Clapham angekommen war, ging er direkt in sein Arbeitszimmer, schloß die Tür hinter sich zu und öffnete den kleinen Geldschrank, in den er zwei dicke Pakete von Banknoten und den Zinnkasten legte. Dann klingelte er nach Jope, und als er ihn kommen hörte, machte er ihm die Tür auf.
»Haben wir noch ein Feldbett hier im Hause?« fragte er.
»Jawohl, Mr. Stedland.«
»Dann bringe es hierher. Ich schlafe heute nacht in meinem Arbeitszimmer.«
»Ist etwas los?«
»Stelle keine dummen Fragen, sondern tu das, was ich dir sage!«
Morgen wollte er einen anderen sicheren Aufbewahrungsort für sein Vermögen suchen. Er brachte den Abend in seinem Arbeitszimmer zu und legte sich nieder, um zu ruhen, aber nicht, um zu schlafen. Auf dem Stuhl neben seinem Bett lag ein Revolver. Mr. Stedland war ein vorsichtiger Mann. Aber obwohl er sich fest vorgenommen hatte, kein Auge zuzutun, war er doch bereits eingeschlafen, als ihn Lärm von der Straße her plötzlich wieder weckte.
Von unten klangen die wohlbekannten Glockensignale der Feuerwehr herauf. Scheinbar war ein ganzer Zug unten in der Straße, denn er hörte Motorgeknatter und Stimmengewirr. Jetzt bemerkte er auch einen strengen Brandgeruch im Zimmer, und als er sich umsah, entdeckte er den Widerschein roten Feuers an der Decke. Sofort sprang er aus dem Bett – das halbfertige Gebäude nebenan stand in hellen Flammen. Die Leute waren schon an der Arbeit und bekämpften das Feuer mit mehreren Spritzen. Mr. Stedland lächelte vergnügt. Dieses Feuer würde ihm schöne Summen einbringen, denn er hatte das Bauwerk hoch versichert, und ihm selbst konnte ja nichts passieren.
Plötzlich hörte er unten im Flur lautes Sprechen. Eine tiefe Stimme gab irgendeinen Befehl, und Jope sprach aufgeregt dazwischen. Stedland schloß die Tür auf. In der Diele und auf der Treppe brannten die Lichter. Er schaute über das Geländer und sah Jope, der einen Mantel übergeworfen hatte und vor Kälte zitterte. Er stritt mit einem Feuerwehrmann, der einen großen Helm trug.
»Ich kann auch nichts dafür«, sagte der Mann. »Ich muß eine Schlauchleitung durch eins dieser Häuser legen. Ich kann keine Rücksicht darauf nehmen, daß dieses Haus Ihnen gehört.«
Mr. Stedland wünschte durchaus nicht, daß eine Schlauchleitung durch sein Haus gelegt wurde und hoffte, es so einrichten zu können, daß diese Unannehmlichkeit seinen Nachbarn aufgehalst wurde.
»Kommen Sie doch einen Augenblick herauf, ich möchte einen der Feuerwehrleute sprechen.«
Der Mann mit dem blitzenden Messinghelm stapfte die Treppe geräuschvoll nach oben.
»Tut mir selbst leid«, meinte er, »aber ich muß die Schlauchleitung –«
»Warten Sie einen Augenblick, mein Freund«, entgegnete Mr. Stedland lächelnd. »Ich glaube, wir werden uns gleich verständigt haben. Es gibt doch so viele Häuser in dieser Straße, und mit einer Zehnpfundnote kann man doch eine ganze Weile auskommen, nicht wahr? Treten Sie nur ruhig ein.«
Mr. Stedland ging in sein Zimmer zurück. Der Feuerwehrmann folgte ihm und beobachtete, wie er seinen Geldschrank aufschloß.
»Ich dachte nicht, daß es so leicht sein würde«, sagte er.
Stedland drehte sich erregt um.
»Hände hoch! Und machen Sie keine Schwierigkeiten, sonst ist es aus mit Ihnen, Noah! Ich bin durchaus bereit, Sie umzubringen!«
Noah Stedland sah, daß das Gesicht des Fremden unter dem großen Feuerwehrhelm von einer schwarzen Maske bedeckt war.
»Wer – wer sind Sie denn?« fragte er heiser.
»Ich bin einer der Vier Gerechten – die man so viel schmäht und die man vor der Zeit totgesagt hat. Und der Tod ist eins meiner Allheilmittel gegen alle Missetaten ...«
Am nächsten Morgen um neun Uhr saß Mr. Noah Stedland noch in seinem Arbeitszimmer. Das Frühstück stand unberührt vor ihm auf dem Tisch.
Plötzlich kam Jope nach oben und brachte ihm eine böse Nachricht. Gleich hinter ihm trat Polizeiinspektor Holloway mit verschiedenen Polizeibeamten in den Raum.
»Wollen Sie nicht so gut sein und mich auf einen kleinen Spaziergang begleiten?« fragte der Beamte von Scotland Yard liebenswürdig.
Stedland erhob sich schwerfällig.
»Welche Klage erheben Sie gegen mich?« fragte er düster.
»Erpressung. Wir haben genug Beweismaterial, um sie an den Galgen zu bringen – wir haben es von einem besonderen Boten erhalten. Sie haben auch Storr ins Unglück gebracht das war besonders niederträchtig von Ihnen!«
»Wissen Sie eigentlich, wer Sie verpfiffen hat?« fragte der Oberinspektor, als Stedland seinen Mantel anzog.
Aber er erhielt keine Antwort. Manfreds letzte Worte, bevor er wieder auf der nebligen Straße verschwunden war, hatten tiefen Eindruck auf Stedland gemacht:
»Wenn wir Sie hätten umbringen wollen, dann hätte Sie der Mann, der sich Curtis nannte, am vorigen Nachmittag leicht töten können. Das wäre ebenso leicht gewesen, wie das Gebäude anzustecken. Und wenn Sie der Polizei irgend etwas von den Vier Gerechten verraten, dann werden wir sie umbringen, selbst wenn Sie hinter den dicksten Gefängnismauern von Petonville sitzen und ein Regiment Soldaten das Gebäude beschützt.«
Und irgendwie wußte Mr. Stedland genau, daß sein Feind die Wahrheit sprach. Deshalb schwieg er und sagte nichts. Er sprach auch nicht, als er auf der Anklagebank in Old Bailey saß und zu einer langen Zuchthausstrafe verurteilt wurde.
Der Mann mit den grossen Eckzähnen
Mord ist eigentlich das zufälligste Verbrechen, mein lieber George«, sagte Leon Gonsalez zu Manfred. Dabei nahm er seine große Hornbrille ab und schaute ihn sinnend an. Manfred, der Anführer der Vier Gerechten, liebte diesen Gesichtsausdruck