Ostfriesland verstehen. Helga Ostendorf
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Eske Nannen, geb. Nagel
(*1942 Emden), Geschäftsführerin der Kunsthalle Emden
Schon ihre Eltern, Besitzer einer Fabrik für Heringsfässer, waren mit der Familie Nannen freundschaftlich verbunden. Sie machte zunächst eine Lehre als Industriekauffrau im elterlichen Betrieb. Nach verschiedenen Stationen kehrte sie 1982 in ihre Geburtsstadt zurück und gründete 1983 als Vorstand des Kunstvereins „Ludolf-Backhuysen-Gesellschaft” eine Malschule, die sich zur größten Jugendkunstschule Niedersachsens entwickelte. Im gleichen Jahr entstand die „Stiftung Henry Nannen”; Eske Ebert engagierte sich beim Bau der Kunsthalle, heiratete 1990 Henry Nannen und ist bis heute Geschäftsführerin der Kunsthalle. Sie gilt als geniale Fundraiserin und wirkte entscheidend bei den Erweiterungsbauten mit.
Ernst Pagels
(*1913 Lübeck, †2007 Leer), Staudenzüchter
Pagels führte seine Gärtnerei seit 1949 in Leer auf einem Grundstück eines Onkels. Er gilt neben seinem Lehrmeister Karl Förster als bedeutendster Staudenzüchter Deutschlands. 1986 erhielt er die Georg-Arends-Gedächnismedaille, die höchste Auszeichnung des deutschen Gartenbaus. Etwa 70 verschiedene von Pagels gezüchtete Stauden und Gräser sind gegenwärtig im Handel erhältlich. Zu besichtigen ist in Leer der von Pagels entworfene Inselgarten. Auf dem Gelände seiner früheren Gärtnerei betreibt der „Freundeskreis Ernst-Pagels-Garten” heute einen öffentlich zugänglichen „Bürgergarten”. Zu Pagels 100stem Geburtstag 2013 hat der niederländische Gartenarchitekt Piet Oudolf dort ein Staudenbeet gestaltet. Oudolf war mit Pagels befreundet. Nicht zuletzt durch ihn findet man Pagels-Züchtungen heute an prominenten Stellen, bspw. auf einer stillgelegten Hochbahn in New York City, und im Lurie-Park in Chicago gibt es große Flächen mit Salvia Nemorosa „Ostfriesland”. Wer es kleiner mag: Am Berliner Kurfürstendamm, Bushaltestelle „Olivaer Platz”, haben Gartenbau-Studierende ein Beet mit Pagels-Pflanzen gestaltet.
Wolfgang Petersen
(*1941 Emden), Filmemacher
Petersen ist der Sohn eines Marineoffiziers. Er lebte allerdings nur wenige Jahre während seiner Kindheit in Emden. Nach dem Studium der Theaterwissenschaft in Berlin und Hamburg sowie an der Film- und Fernsehakademie Berlin wurde er u.a. durch mehrere Tatort-Folgen populär. Zu seinen bekanntesten Filmen gehören „Das Boot” und „Air Force One”. Er ist u.a. Träger des Deutschen Filmpreises, des Adolf-Grimme-Preises und des Bambi. Er wurde mehrfach für den Oskar nominiert und lebt in Los Angeles/USA.
Johann Christian Reil
(*1759 Rhaude, †1813 Halle/Saale), Mediziner
Reil war Sohn eines Rhauder Pastoren. Er gilt als Begründer der modernen Psychiatrie und Neurologie. Sein Studium absolvierte er in Göttingen und Halle. Anschließend arbeitete er einige Jahre als Arzt in Norden. 1787 berief ihn die Universität Halle auf eine Professur, 1793 wurde er in die Wissenschaftsakademie Leopoldina aufgenommen und 1809 in die Bayerische Akademie der Wissenschaften. Rufe auf Professuren der Universitäten Göttingen und Freiburg lehnte er ab, beteiligte sich aber am Aufbau der neuen Berliner Universität, nahm dort eine Professur an und wurde zum ersten Dekan der Charité gewählt. Dabei behielt er sich vor, weiterhin im Sommer als Badearzt in Halle arbeiten zu dürfen. Dort behandelte er u.a. Johann Wolfgang Goethe. Mit dem Vorspiel „Was wir bringen” widmete Goethe ihm einen Nachruf. (Da Goethe Ostfriesland nie bereist hat, dürfte seine Einschätzung der ostfriesischen Kultur nicht zuletzt auf Gesprächen mit Reil fußen.[14])
Ernst Reuter
(*1889 Appenrade, †1953 Berlin), Regierender Bürgermeister von Berlin 1948-1953
Reuter kam als Dreijähriger nach Leer; sein Vater übernahm die Leitung der Steuermannsklasse der Leeraner Seefahrtsschule. Nach dem Abitur am Ubbo-Emmius-Gymnasium studierte er Geschichte, Germanistik und Geographie in Marburg, München und Münster. In München kam er mit sozialdemokratischem Gedankengut in Kontakt und entschloss sich für eine berufliche Tätigkeit in der Arbeiterbewegung. Dies bedeutete gleichzeitig den Bruch mit dem konservativ-religiösen Leeraner Elternhaus. Nach vielen Stationen als Wanderredner der Arbeiterbewegung, russischer Kriegsgefangener, Volkskommissar der Wolgadeutschen und KPD-Funktionär wandte sich Reuter der USPD und nach deren Spaltung der SPD zu. Er wurde Stadtrat für Verkehr in Berlin und danach Oberbürgermeister von Magdeburg sowie Reichtagsabgeordneter. 1933 wurde Reuter mehrfach verhaftet. Er kam nur durch Intervention der Briten frei und emigrierte in die Türkei. 1946 erhielt Reuter die Genehmigung, wieder nach Deutschland einzureisen und wurde in Berlin erneut Stadtrat für Verkehr und Versorgungsbetriebe. In dieser unmittelbaren Nachkriegszeit engagierte er sich besonders für die Versorgung der Berliner_innen und dafür, dass die Westmächte die Stadt nicht aufgaben. 1948 löste sich der Berliner Magistrat in einer von der SED gelenkten außerordentlichen Stadtverordnetenversammlung auf. Anschließend wählte die Bevölkerung der Westsektoren eine neue Stadtverordnetenversammlung und Ernst Reuter wurde Oberbürgermeister.
Helma Sanders-Brahms
(*1940 Emden), Filmemacherin
Sanders-Brahms studierte an der Schauspielschule in Hannover und später Germanistik und Anglistik in Köln. Zunächst wurde sie Fernsehansagerin und Model. Im Anschluss an ein Praktikum in Italien, wo sie u.a. mit Pier Paolo Pasolini zusammenarbeitete, begann sie mit eigenen Filmproduktionen. Zu ihren Werken zählen u.a.: „Angelika Urban, Verkäuferin, verlobt” (1969/70), „Shirins Hochzeit” (1975/76) und „Deutschland, bleiche Mutter” (1979/80). Ihr bislang letzter Film ist „Geliebte Clara” (2007/08). Sanders-Brahms ist Chevalier des französischen Ordre des Arts et des Lettres und Mitglied der Akademie der Künste, Berlin.
Wilhelmine Siefkes
(*1890 Leer, †1984 Leer), Schriftstellerin
Siefkes ist die „grande dame” der ostfriesischen Literatur. Sie entstammt einer Leeraner Bauernfamilie, wobei ihr Vater wegen eines Unfalls den Beruf schon früh aufgeben musste. Nach dem Abitur wurde sie zunächst Lehrerin in Jemgum und später in Leer. Hierdurch fand sie Zugang zur plattdeutschen Sprache und erlebte die materielle Not der Arbeiter_innen. Nach dem ersten Weltkrieg wandte sie sich sozialdemokratischen Ideen zu und engagierte sich in der sozialdemokratischen Partei und der Arbeiterwohlfahrt. 1933 wurde sie aus dem Schuldienst entlassen und erhielt Schreibverbot. Dennoch schrieb sie unter Pseudonym weiter. 1940 erhielt sie für ihr anonym eingereichtes plattdeutsches Manuskript „Kerlke” den Herman Fehrs-Preis. Das Manuskript durfte trotz des Schreibverbots veröffentlicht werden, da eine Nicht-Veröffentlichung Aufsehen erregt hätte. Sie lebte mit Louis Thelemann zusammen, einem Leeraner Gewerkschaftsführer, der 1944 in das KZ Neuengamme eingewiesen wurde. (Später war Thelemann Bürgermeister der Stadt Leer und Mitglied des Landtages.) Siefkes wurde aufgrund ihres Gesundheitszustandes vom Schuldienst beurlaubt. In den folgenden Jahrzehnten schrieb sie zahlreiche Werke und war in vielen Verbänden aktiv.
Klaus Störtebeker
(*um 1360, †vermutlich 1401), Pirat
Störtebeker soll zeitweilig in Marienhafe beheimatet gewesen sein. An ihn erinnert der dortige Störtebekertum, wo er sich aufgehalten haben soll. Die These ist mittlerweile umstritten. Belegt ist jedoch, dass die ostfriesischen Hafenstädte zur Verärgerung der Hanse den Seeräubern Unterschlupf gewährten.
Otto Waalkes
(*1948 Emden), Komiker
Waalkes ist der Sohn eines Malermeisters und wuchs im Emder Arbeiterviertel Transvaal auf. Nach dem Abitur studierte er kurzzeitig Kunstpädagogik