Die Sozialdemokratie. Karl Glanz
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Die böhmische Landesorganisation der SDAPÖ hielt vom 31. August bis 3. September 1919 in Teplice eine Konferenz ab, bei der sie sich als eigene Partei, die deutsche sozialdemokratische Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik, konstituierte.
Die Partei wollte Österreich eindeutig in die politische Union lenken und bezeichnete die neue österreichische Republik als "Deutsch-Österreich". Der Vertrag von St. Germain verbot jedoch eindeutig eine Vereinigung zwischen Österreich und Deutschland. Die SDAPÖ befürwortete dennoch eine solche Union während des Bestehens der Ersten Republik , da sie auf eine Stärkung ihrer Position und der sozialistischen Sache innerhalb eines Großdeutschlands hofften.
Bei den ersten Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung am 16. Februar 1919 durften erstmals Frauen wählen. Die SDAPÖ wurde die stärkste Partei und bildete eine große Koalition mit der Anti- Anschluss Christlichen Sozialpartei (CS).
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Die ersten Gemeinderatswahlen nach dem allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrecht ohne Unterschied des Geschlechtes oder des Standes fanden in Wien am 4. Mai 1919 statt. “Bei diesen Wahlen erringen die Sozialdemokraten einen überwältigenden Sieg.“ Von 165 Mandaten gewannen die Sozialdemokraten 100 Sitze. Jakob Reumann wurde der erste sozialdemokratische Bürgermeister von Wien. Wien würde weiterhin die Hochburg der Sozialisten in einer weitgehend konservativ regierten Nation sein. Die sozialistisch geführte Stadtregierung errichtete die ersten Gemeindebauten für die Arbeiterklasse, wie den Karl-Marx-Hof , den Sandleitenhof und die öffentlichen Wohnsiedlungen am Gürtelring und führte Reformen im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich ein. Diese Maßnahmen haben tatsächlich die Lebensbedingungen für die Arbeitnehmer verbessert und ihren Lebensstandard erhöht. Dies vertiefte die Bindung der Arbeiter an die Partei und schuf einen großen Pool von Loyalisten, auf die sich die Partei immer verlassen konnte. Daraus entstand der Begriff "Rotes Wien" der 1920er Jahre.
Das “Rote Wien“ ist nicht zuletzt relevant, weil im “Roten Wien“ versucht wurde, eine proletarische kulturelle Gegenwelt zu Bürgertum und Klerus zu schaffen. In den Jahren des “Roten Wiens“ erreichte die Wohnbaupolitik der Austromarxisten, die vor allem in der Sozialdemokratie Österreichs im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts verbreitet war, international hohe Aufmerksamkeit, weil hier umfassende realpolitische Umstrukturierungen getroffen wurden, zum Beispiel in der bewussten ideologischen Planung des Wohnbaus und in der Umsetzung. Spitzname von Wien war das “Rote Wien“ von 1918 bis 1934 aufgrund der sozialistischen Stadtregierung und ihres Programms.
Um die Dimensionen des Machtkampfes darzustellen, der geführt wurde um ein “Rotes Wien“ zu ermöglichen, müssen die gesetzlichen Ausgangspunkte dieses Kampfes verdeutlicht werden. Die Auswirkungen der geänderten Rechtsnormen, die unter Druck und mit sehr viel Emotionalität erkämpft wurden, beeinflussen auch heute noch das Selbstverständnis der Wiener Stadtpolitik. Die Stadt Wien ist die Besitzerin der Gemeindebauten, daher ist ihr Selbstverständnis wichtig für das Erfassen der verinnerlichten Weltanschauungen und damit einhergehender Ordnungsstruktur von GemeindebaumieterInnen der ersten und zweiten Generation.
Wien stand vor gewaltigen Problemen: Leere Kassen, ein Heer von Arbeitslosen, eine angespannte Energiesituation, Hunger, schwere Gesundheitsprobleme in der Bevölkerung und nicht zuletzt große Wohnungsnot sind zu bewältigen.
Die Arbeiter standen vor der unerbittlichen Notwendigkeit, mit jeder angebotenen Wohnung vorlieb nehmen und für die einen Preis zahlen zu müssen, der im Verhältnis zu ihrem Einkommen weitaus größer war als der Preis, den Wohlhabende für große Wohnungen entrichteten. Seit diesen ersten demokratischen Wahlen in Wien haben die SozialdemokratInnen bei jeder weiteren demokratischen Wahl in Wien ihre Mehrheit behaupten können.
Bei der Machtübernahme der Sozialisten 1919 war es notwendig, sich zuerst um die Schulden der Stadt zu kümmern, die seit der Amtszeit von Karl Lueger angehäuft worden waren. Zur Schuldentilgung führte der damalige Finanzstadtrat Hugo Breitner neue Steuerprinzipien ein. Nach wie vor kann man auf den Gemeindebauten des Roten Wien die Inschrift lesen: “Wohnhausanlage der Gemeinde Wien, errichtet aus den Mitteln der Wohnbausteuer.“ Diese Wohnbausteuer war die berühmteste aller Steuern des genialen Finanzstadtrats Hugo Breitner, und sie in ihrer sozialen Bedeutung und ökonomischen Wirkung etwas näher zu betrachten, ist für die aktuelle Diskussion darüber, wie fortschrittliche Wohnungspolitik aussehen soll, sehr lehrreich.
Die grundlegenden Änderungen bestanden in der Einführung direkter anstelle indirekter Steuern (z.B.: Wohnbausteuer, ab 1923 zweckgebunden), einer starken Progression für höhere Einkommen, dem Beschluss keine weiteren Schulden zu machen, der Einführung von Luxussteuern (Lustbarkeitsabgaben auf z.B.: Opern, Pferderennen und Ringkämpfe, Kraftwagenabgabe auf private Automobile, Hauspersonalabgabe, Pferde- und Hundeabgabe) und den Verzicht auf Reingewinne aus den städtischen Monopolbetrieben. Im Roten Wien wurden die Baukosten nicht aus Anleihen, sondern über laufende Steuereinnahmen aufgebracht, wodurch die Lösung des Problems der Wohnbaufinanzierung ohne Verschuldung der Gemeindekasse gelang. Die Steuereinnahmen der Gemeinde Wien waren zusammengesetzt aus: a) Erträgen aus eigenen Landessteuern, darunter Steuern auf Luxus und besonderen Aufwand sowie aus der Wohnbausteuer; b) Erträgen aus Zuschlägen zu staatlichen Steuern; und c) Anteilen am Ertrag der Bundessteuern.
In der ersten Republik hatte die Sozialdemokratie mit der so genannten Breitnersteuer, den sozialen Wohnungsbau eingeführt und finanziert.
So wurden in den Jahren von 1923 bis 1934 über 65.000 leistbare Wohnungen für ArbeiterInnen gebaut.
Selbst in Spanien, 1936, hatte man die Stadt Wien als ein besonders gelungenes Beispiel sozialen Wohnbaus herangezogen. Wenn wir uns mit der Geschichte und Zukunft des sozialen Wohnbaus beschäftigen, dann kommt Österreich das Verdienst zu, in seiner Vergangenheit auf ein Beispiel verweisen zu können, das weltweit einzig dasteht. Es sind das die Wiener Gemeindebauten der 1. Republik, die, auch im internationalen Maßstab, eine der größten sozialen Wohnbauleistungen des 20. Jahrhunderts darstellen. Zunächst eine Vorstellung von der zahlenmäßigen Dimension: In den Jahren 1919 bis 1934 wurden 377 Wohnhausanlagen mit 61.175 Wohnungen errichtet, das waren im jährlichen Durchschnitt 25 Anlagen mit 4.078 Wohnungen. 90 Prozent der Objekte und Wohnungen baute man in Form großer, mehrstöckiger Blocks, 10 Prozent in Form von Siedlungshäusern mit Kleingärten. 1919 befanden sich im Besitz der Gemeinde Wien 5.487 Hektar (noch aus der Zeit der christlich sozialen Stadtverwaltung). Bis 1931 erfolgte der Ankauf der Drasche-, Frankl- und Bodencredit-Gründe, sodass sich der Besitz der Gemeinde Wien auf 8.150 Hektar erhöhte (das waren 38,9 Prozent der gesamten Gemeindefläche). Sie spielte damit die dominierende Rollte und konnte daher die städtische Bodenpolitik praktisch ungehindert regulieren. Aber um bauen zu können, braucht es Bauland und das musste erst einmal gekauft werden. Das “Rote Wien“ war aus ganz bestimmten historischen Ursachen in der Lage, die Macht der privat kapitalistischen Bodenspekulation in der österreichischen Hauptstadt zwar nicht völlig zu brechen, aber weitgehend einzudämmen. Nicht nur die Mieterschutzgesetzgebung, die einer privaten Bautätigkeit hemmend im Weg stand, machte für jene, die aus der Zeit vor 1914 Baugrund besaßen, den Besitz unrentabel, sondern auch die städtische Wertzuwachssteuer bewirkte eine Erschwerung gewinnbringenden privaten Weiterverkaufs. Die Hoffnungen mancher Bodenspekulanten auf baldige Beseitigung des Mieterschutzes wurden 1922 endgültig zunichte gemacht; viele Besitzer waren daher froh, ihr angelegtes Kapital frei zu bekommen. Ihr Prinzip lautete: Schonung der Mieter von Kleinwohnungen bei gleichzeitig stärkerer Belastung der Bewohner von teureren Objekten. Das Ergebnis sah so aus: Die 527.731 billigen Wiener Wohnungen und Geschäftslokale (82 Prozent aller Mietobjekte) trugen nur 22,6 Prozent zum Gesamtaufkommen