Die Sozialdemokratie. Karl Glanz

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Die Sozialdemokratie - Karl Glanz

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für die österreichische Hauptstadt. Die sozialdemokratische Kommunalpolitik dieser Jahre war geprägt von umfassenden sozialen Wohnbauprojekten und von einer Finanzpolitik, die neben dem Wohnbau auch umfangreiche Reformen in der Sozial-, Gesundheits- und Bildungspolitik unterstützen sollte. Das "Rote Wien“ endete 1934, als Bürgermeister Karl Seitz infolge des österreichischen Bürgerkrieges seines Amtes enthoben und verhaftet wurde und die aus der Christlich sozialen Partei (CS) hervorgegangene Vaterländische Front (VF) auch in Wien die Macht übernahm. Für die Anklage wegen "Hochverrats“ gab es allerdings keine Beweise. Aus Protest gegen das autoritäre Regime führte Seitz nun bis nach 1938 öffentliche "Spaziergänge“ gemeinsam mit der Wiener Bevölkerung durch. 50 Jahre nach Gründung der Sozialistischen Partei trat die Schwäche des Staates, gegen den der österreichische Sozialismus seinen Kampf zu führen hatte, verdankte er zeitweilig seine außerordentlichen Möglichkeiten und Erfolge; aber die in Etappen vor sich gehende Zersetzung, Auflösung, Zerbröckelung dieses Staates hatte zur Folge, dass jede der großen Leistungen des österreichischen Sozialismus in einer Katastrophe des Staates unterging, die den österreichischen Sozialisten ihren bis bisherigen Kampfboden entzog und sie immer wieder zwang, auf neuem Boden mit neuen Problemen zu ringen, neue Aufgaben zu bewältigen. Sie entwickelte sich in den 1890 Jahren überaus schnell. Sie wurde in den Stürmen des Wahlrechtskampfes zu einer großen Partei. Aber ihr Aufstieg war eine Teilerscheinung der vor sich gehenden Demokratisierung des öffentlichen Lebens, die das alte Österreich Unterwühlen und sprengen musste. Denn dieses alte Österreich hat nur bestehen können, solange nur Feudaladel und Großbürgertum auf der Bühne des öffentlichen Lebens agierten; es wurde durch die Machtkämpfe der acht der Dynastie unterworfenen Nationen Zerrissen und zersprengt, sobald mit den Massen die Nationen selbst die Bühne der Geschichte betraten. Die österreichische Sozialdemokratie, die deutsche und tschechische, polnische und ukrainische, italienische und südslawische Arbeiter in ihren Reihen vereinigte, stand seit der Mitte der 1890er Jahre dem aufgewühlten Nationalismus der klein- und mittelbürgerlichen Massen der im wildesten nationalen Kampfe gegeneinander ringenden Nationen des Habsburgerreichs gegenüber. Dass sie allein die Proletarier aller Nationen des Reiches in einer Partei zusammenzuhalten vermochte, während das Bürgertum durch die nationalen Gegensätze zerrissen und zerklüftet war, war eine Quelle ihrer Kraft und ihres Stolzes. Dass sie allein den Machtkämpfen der Nationalisten aller Nationen des Reiches ein Programm der Lösung der nationalen Probleme durch die Freiheit aller entgegenzusetzen vermochte, war eine werbende Tat. Dieser ihrer außerordentlichen Stellung innerhalb des Reiches verdankte die Partei ihren Sieg im Wahlkampf. Aber diese ihre außerordentliche Stellung vermochte sie nicht dauernd zu behaupten. In der Atmosphäre der sich von Jahr zu Jahr verschärfenden nationalen Kämpfe drangen nationalistische Stimmungen und Strömungen auch in die Arbeiterklasse ein.

      So war der österreichische Sozialismus im Jahre 1918 vor eine ganz neue Aufgabe gestellt. Das Reich, auf dessen Boden er sich entwickelt hatte, bestand nicht mehr. Die Probleme des alten Reiches, um die er gerungen hatte, waren mit dem Zerfall des alten Reiches verschwunden. In einem zu furchtbarem wirtschaftlichen Schrumpfungsprozess verurteilten Kleinstaat hatte der österreichische Sozialismus Aufgaben ganz anderer Art zu lösen. Er hat die junge Republik gegründet und durch die Lebensgefahren ihrer Anfänge hindurchgeführt. Durch den Aufbau der Volkswehr in den Anfängen, des Schutzbundes in den späteren Jahren der Republik hat er die Arbeiterklasse mit dem Geist revolutionärer Wehrhaftigkeit erfüllt. Er hat es verstanden, die Einheit der Arbeiterklasse in Österreich zu erhalten in einer Zeit, in der die Arbeiterparteien so vieler Länder der Länder gespalten und zerrissen worden sind.

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      Sie vertrat in ihr ihre eigene “austromarxistische” Richtung, die ein wichtiges Ferment der geistigen Entwicklung des Sozialismus der Nachkriegszeit gewesen ist. Vier Jahre zuvor hatte Österreich den Ersten Weltkrieg verloren - und in der Hunger leidenden Bevölkerung, speziell in den industriellen Zentren der zusammenbrechenden Monarchie hatte sich eine revolutionäre Stimmung aufgebaut. Aber die Revolution ist natürlich nicht gekommen. Es kamen allerdings Revolutionäre - Otto Bauer zum Beispiel, der als Leutnant in den Krieg gezogen war, in russischer Kriegsgefangenschaft die Revolution miterlebt hatte und nach seiner Rückkehr nach Wien eine zentrale Rolle in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und dann in der Regierung Renner einnahm. Bauer repräsentierte den linken Parteiflügel der Sozialdemokratie. Mehrheitsfähig war das nicht, stand aber umso mehr unter Druck von beiden Seiten: Einerseits war da die pragmatisch denkende Mehrheit der sozialdemokratischen Funktionäre. Auf der anderen Seite entstand die kommunistische Bewegung, die in den ersten Monaten der Republik enormen Zulauf finden konnte - im Jahr 1919 dürfte die junge Partei bis zu 40.000 Mitglieder geworben haben. Sie ist 1918 in den revolutionären Unruhen aus links oppositionellen Gruppen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) hervorgegangen. Gegründet am 3. November 1918 durch radikale Studentinnen, von der Sozialdemokratie enttäuschte Linksintellektuelle und einige Arbeiter, versuchte die Kommunistische Partei (KP), sich als radikal gesellschaftsverändernde Kraft zu etablieren.

      Der Staatsrat hatte die Mitteilung des Armee Oberkommandos entgegengenommen, am 3. November 1918, dass sich das Armeeoberkommando infolge der vollständigen Auflösung der Armee gezwungen gesehen hatte, sich den Bedingungen des Siegers zu unterwerfen. Deutsch - Österreich hatte keine eigene Armee. Es funktionierte das bisherige gemeinsame Kriegsministerium nicht mehr in seiner bisherigen Eigenschaft als höchste militärische Verwaltungsinstanz, sondern — im Interesse aller beteiligten Nationen — nur mehr als gemeinsame Liquidierungsstelle.

      Das in einem Polizeibericht überlieferte erste Programm der KP:

       "1. Die Übernahme der politischen und wirtschaftlichen Macht durch die Arbeiter- und Soldatenräte und durch die Bauernschaft sowie deren Ausschüsse und zentrale Organe. Aufstellung einer Arbeitermiliz.

       2. Die Volksabstimmung in allen für das arbeitende Volk wichtigen Fragen.

       3. Die Entziehung aller politischen Rechte (Wahlrecht, Militärrecht, politische Presse usw.) denjenigen, welche großes Privateigentum in irgendeiner Form besitzen.

       4. Die Beschlagnahme aller Vorräte an Rohstoffen, Lebensmitteln und notwendigen Industrieprodukten durch die Gesellschaft behufs gleichmäßiger Verteilung.

       5. Die Entziehung des privaten Verfügungsrechtes über alle Bank- und Betriebskapitalien und Unterstellung unter die Kontrolle der Arbeitenden.

       6. Enteignung des Großgrundbesitzes und Übergabe an die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter und an arme Bauern zum Zwecke der Bewirtschaftung für die Gesellschaft."

      Dieses Programm war der Untergang des Austromarxismus.

      Der Austromarxismus beschritt einen "dritten Weg“ zwischen dem Leninismus und dem sozialdemokratischen Revisionismus, der eine Überwindung des Kapitalismus durch soziale Reformen und nicht durch Revolution postulierte, und wollte dadurch die Spaltung in der Arbeiterbewegung überwinden. Heute könnte man den Austromarxismus als "Marxismus - ligth" bezeichnen. Aber die starke politische Machtstellung der österreichischen Sozialdemokratie geriet allmählich in Widerspruch zu der infolge des Ökonomischen Schrumpfungsprozesses schwindenden, zu zusammenschrumpfenden ökonomischen, gesellschaftlichen Kraft der Arbeiterklasse. Es wurde der Gedanke geboren: die österreichischen Arbeiter sind berufen und befähigt, aus dem verlotterten alten Österreich einen modernen bürgerlichen Staat zu machen. Das war der Adler - Austerlitzsche Gedanke, aus dem Karl Renner die Theorie realisierte. Was sie vereinigte, war nicht etwa eine besondere politische Richtung, sondern die Besonderheit ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Sie waren alle herangewachsen in einer Zeit, in der Männer wie Stammler, Windelband, Rickert den Marxismus mit philosophischen Argumenten bekämpften; so hatten diese Genossen das Bedürfnis, sich mit den modernen, philosophischen Strömungen auseinanderzusetzen.

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