Die Sozialdemokratie. Karl Glanz

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Die Sozialdemokratie - Karl Glanz

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wichtiges Merkmal des “Roten Wien“ war der MieterInnenschutz. Im Jänner 1917 wurde die “kaiserliche Verordnung über den Schutz der Mieter“ erlassen. Diese Verordnung brachte eine Einschränkung des Kündigungsrechtes, bei dem zuvor völlige Willkür herrschte, und schloss willkürliche Mietzinserhöhungen aus. Im Jänner 1918 wurde der MieterInnenschutz mit einer zweiten Verordnung erweitert und dehnte den Schutz gegen Delogierungen aus.

      Das Verbot der Mieterhöhung hatte vor allem während der Hyperinflation der Nachkriegsjahre weit reichende Auswirkungen. Der Mietzinsstopp schrumpfte den Zins auf eine verschwindend kleine Summe und brachte damit das Nettoeinkommen von Hausherren quasi zum Verschwinden. Dieser MieterInnenschutz führte in weiterer Folge dazu, dass viele Familien über Jahrzehnte und Generationen hinweg in ein und derselben Gemeindebauanlage wohnen blieben, was sicherlich das Gefühl des Eigentums verstärkte.

      Dass zu der Grundversorgung eine leistbare Wohnung zählt, hat seit langem keine Bedeutung mehr. Schon ab den 80er Jahren hat die Wiener Rathaus-SP begonnen, den sozialen Wohnungsbau ein Ende zu setzen. Von der sozialen Idee, aus denen die Gemeindebauten hervorgegangen sind, z.B. dass die Miete für das Wohnen nicht mehr als 20 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens der ArbeiterInnenklasse übersteigen darf, von dieser Gesinnung hat sich die SP Wien abgewandt.

      “Die Gemeindebauanlage wurde zu einer geschlossenen Einheit inmitten einer kapitalistischen Stadt, welche die sozialistische Gemeinschaft symbolisierte. Mit der Abgrenzung ‚nach außen’, verbesserte sich die infrastrukturelle Ausstattung der einzelnen Anlagen mit der Ambition ‚autarke Einheiten’ zu schaffen“.

      Gemeindebauten waren und sind nicht nur pragmatische oder real-politische Immobilien, sie sind vielmehr Ausdruck einer Ideologie und Symbol einer Ära, der des “Roten Wiens“.

      Die SP Wien hat die soziale Wohnungspolitik auf ein einträgliches Profitgeschäft umgestellt. Und zu diesem Zweck hat sie die Kapital-Gesellschaft “Wiener Wohnen“ gegründet. Dass dies ohne einen Kommentar, innerhalb der Sozialdemokratie, über die Bühne ging, zeigt, wie wenig den heutigen Sozialdemokraten an ihrer Vergangenheit liegt.

      “Wohnend richtet der Mensch sich in seiner Umwelt ein, gestaltet jenes Miteinander, das wir Heimat oder Lebenswelt nennen, lebt in einer kulturell und sozial vertrauten Umwelt. Dieser Ort des ‘Gehaltenseins‘ kann Identitätsgewissheit, Selbstsein über Begegnen ermöglichen, aber er kann natürlich auch zum ‘Kultur-Kerker’ oder zur ‘Sozial-Zelle’ werden” (Greverus 1995: 9).

      “Wenn wir einst nicht mehr sind, werden diese Steine für uns sprechen“. Nichts versinnbildlicht mehr als dieses Zitat des ehemaligen Wiener Bürgermeister Karl Seitz, wie der Gemeindebau untrennbarer Bestandteil des Mythos um das “Rote Wien“ ist. Dabei war der kommunale Wohnbau in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts ursprünglich die erzwungene Antwort auf die Tatsache, dass das Kapital infolge des von den ArbeiterInnen erzwungenen Mieterschutzes den Wohnungsbau komplett einstellte. Die Mieterschutzverordnungen von 1917/18 und das Mietengesetz 1922 führten zunächst einmal zu einer unbeschreiblichen Verschärfung der Wohnungsnot.

      Mit der Erkenntnis Otto Bauers, dass nun mal nicht beides zu haben sei, Mieterschutz und privater Wohnungsbau, machten die Sozialisten aus der Not eine Tugend. Sie nutzten die kurz davor erreichte Steuerhoheit von Wien um mit der so genannten “Breitnersteuer“, die vor allem das begüterte Bürgertum traf, einen beispiellosen kommunalen Wohnungsbau zu finanzieren.

      Die Gemeindebauwohnungen selbst wurden mit getrennt begehbaren Zimmern geplant, die eine bestmögliche private Nutzung der einzelnen Räume erlaubte. Privater Wohnraum wird also immer mehr als Fluchtort vor der ständigen Definition der eigenen Rolle und des Selbst gegenüber Fremden. Mit den Gemeindebauten wurde versucht, Nachbarschaft als heile Gegenwelt zur Unterdrückung der industrialisierten Arbeitswelt der Wiener ArbeiterInnen zu schaffen. Während dies in der Zwischenkriegszeit bedeutete, dass relativ homogene Gruppen ein lokales “Wir“ herausbilden konnten, bedeutet es heute, dass die gemischten Gruppen mit unterschiedlichen Funktionen kaum aufeinander zugehen werden, sich auf ihre Privatheit beziehen. So wird heute Nachbarschaft wohl von vielen eher als beengende soziale Kontrolle gesehen, weniger jedoch als wünschenswerte Gemeinschaft. Dieses Phänomen wird sichtbar am Beispiel der WohninspektorInnen: “Die Wohninspektoren, als Vollzugsorgane der Gemeinde Wien, achteten bei ihren regelmäßigen Kontrollen auf den ‚pfleglichen Umgang’ der Stiegenhäuser, der Höfe und der Grünanlagen. Aber auch der neue Privatbereich der Arbeiter selbst, die Wohnungen war Gegenstand einer permanenten Kontrolle durch die Gemeinde. Das Selbstverständnis, mit dem die Bewohner dieser neuen Wohnungen diese Kontrolle zulassen, lässt auf einen noch unsicheren Umgang mit diesem neuen Wert der ‚Privatheit’ schließen“.

      “Wiener Wohnen“ ist die Wohnhäuserverwaltung der Stadt Wien. Mit der Ausgliederung aller Liegenschaften der Wiener Gemeindebauten mit ihren 220 000 Wohnungen und den Grünanlagen in die Privatgesellschaft “Wiener Wohnen“ hat die Rathaus-SP die Rahmenbedingungen geschaffen, um das legale Abzocken der ArbeiterInnen in den Gemeindebauten zu ermöglichen.

      Unter der Regie heutigen Rathaus-SP macht die “Wiener Wohnen“-Kapitalgesellschaft das Wohnen in den Gemeindebauten zu einem ausgesprochenen “Luxus“. Die Mieten in den Gemeindewohnungen fressen im Schnitt 45 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens der ArbeiterInnen auf. Bei den niedrigen Einkommen der Alleinerziehenden, PensionistInnen, Teilzeit- und atypisch Beschäftigten liegt die Miete der Gemeindewohnungen weit über 60 Prozent des Einkommens.

      Im Jahr 1962 betrug die Miete einer 80m²-Gemeindewohnung bei einem durchschnittlichen Nettoverdienst von 1600 Schilling um die 200

      Schillinge; das macht 13 Prozent vom Einkommen aus. Im Jahr 2008, beträgt die Miete für die gleiche Gemeindewohnung, bei einem Einkommen von 1050 Euro, über 560 Euro. Das sind in dieser Wohnungskategorie über 53 Prozent. Es sind 185.000 Menschen betroffen, die zwei Drittel ihres Nettoeinkommens der Gesellschaft “Wiener Wohnen“ überlassen müssen. Heute sind die Mieten noch höher, nicht zuletzt müssen die MieterInnen diese unsagbar unnötige und teilweise recht tragbare Renovierung der Häuser zahlen, die bis zu € 100.- pro Monat kostet und das in einem Zeitraum von 10 Jahren.

      Tausende Menschen, die einer geregelten Arbeit nachgehen, müssen sich Monat für Monat um Unterstützungsgelder anstellen und darum betteln, dass sie sich den „Luxus“ Wohnen leisten können. Seit der Gründung der Gesellschaft “Wiener Wohnen“ sind Verarmung und Obdachlosigkeit in Wien sprunghaft und unübersehbar angestiegen. Die Zahlen hierfür werden nicht veröffentlicht, um dem Image der Wiener SP nicht zu schaden.

      Auch die Gewinne von „Wiener Wohnen“ werden geheim gehalten. In die

      Geschäfte mit dem gehorteten Kapital ist nur ein kleiner Kreis der Wiener Sozialdemokratie eingeweiht.

      Die Renditemöglichkeiten steigen nur langsam. Freifinanzierter privater Wohnungsbau findet eigentlich nur im Hochpreis Segment statt. ArbeiterInnenwohnungen werden, wie schon vor dem Krieg, alleine von der öffentlichen Hand gebaut, diesmal aus den Mitteln der Wohnbauförderung finanziert. Neben dem Gemeindebau werden auch Genossenschaftswohnungen gebaut.

      Als stellvertretende Eigentümerin der größten Wohnungsgesellschaft gibt die Wiener SP den Ton an, wenn es um die Profite am Wohnungsmarkt geht. Folglich ist sie mit ihrer Gesellschaft “Wiener Wohnen“ für die Steigerung der Mieten und die explosionsartige Gewinne der Hauseigentümer verantwortlich.

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      Als "Rotes Wien" wird die Zeit von 1918 bis 1934 bezeichnet, als die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschösterreichs bei den Wahlen zu Landtag und Gemeinderat wiederholt die absolute Mehrheit

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