Die Sozialdemokratie. Karl Glanz
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Die Partei bekannte sich damit ausdrücklich zum radikalen Umbau des Gesellschaftssystems. Gegliedert in acht Teilbereiche wurden die Aufgaben der Sozialdemokratie definiert. Im Sozialbereich etwa wurde die lückenlose Durchführung des Achtstundentages gefordert, für besonders gesundheitsgefährdende Berufe sogar eine noch weitergehende Arbeitszeitverkürzung", hieß es in der Einführung.
Da hieß es: "Je mehr die Arbeiterklasse im Kampfe für ihre eigene Befreiung zur Vorkämpferin des ganzen arbeitenden Volkes gegen das alle Klassen des arbeitenden Volkes beherrschende und ausbeutende Großkapital wird, desto breitere Schichten der Kleinbauernschaft, des Kleinbürgertums, der geistigen Arbeiter scharen sich um die Arbeiterklasse. Damit erweitert sich die Aufgabe der sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Zu ihrer Aufgabe wird es nunmehr, unter der Führung der Arbeiterklasse immer breitere Schichten aller arbeitenden Volksklassen zum Kampfe gegen die von der Kapitalistenklasse geführte Bourgeoisie zu vereinigen."
Der kroatische Landtag hatte beschlossen, die kroatisch-ungarischen Ausgleichsgesetze vom Jahre 1868 für null und nichtig, die Königreiche Kroatien, Slawonien und Dalmatien für vollständig unabhängig sowohl von Österreich als auch von Ungarn, zu erklären. So hat alles begonnen. Der Zerfall der Habsburgermonarchie war eingeleitet worden. Der Krieg war zu Ende. Am 3. November 1918 wurde die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) Kommunistische Partei Deutsch-Österreichs (KPDÖ) gegründet.
Es wurde in Flugblättern an die Proletarier, an die Soldaten und an die geistigen Arbeiter eine rege Agitation für den Beitritt in eine neu zu gründende "Kommunistische Partei" betrieben, für die auch bereits ein Wochenblatt "Der Weckruf" erschien. Diese Agitation ging von einem kleinen, der Arbeiterschaft fast völlig unbekannten Kreis von Agitatoren aus, und die Massen des Proletariats erfuhren von der Existenz dieser neuen Partei überhaupt erst durch die verhängnisvolle Schießerei vor dem Parlament sowie durch die possenhafte Besetzung der "Neuen Freien Presse", für welche beiden Ereignisse zwar die Führer der sogenannten Kommunistischen Partei die Verantwortung ablehnten, womit sie aber zugleich nur den kläglichen Zustand dieser "Partei" darlegten. Denn sie sind Führer, die entweder nicht wissen, was in ihren eigenen Reihen vorgeht, oder nicht die Macht haben, zu verhindern, was sie selbst für schädlich und widersinnig halten. So hatte gleich das erste öffentliche Auftreten der "kommunistischen Partei" den Arbeitern gezeigt, was für eine ziellose Zerfahrenheit und Unverantwortlicheit in ihnen steckt. Die Sozialisten hatten ihren Erzfeind gefunden!
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Was blieb, war ein kleines Stück Österreich. Und nur weil die Staatsgewalt, durch die Niederlage im Kriege und durch den Abfall aller Völker völlig gebrochen, klug genug war, jeden Widerstand gegen das Unvermeidliche auszugeben, vollzog sich die große Umwälzung, die Auflösung des alten Reiches ohne Gewalttaten und ohne Blutvergießen. "Hoch die Republik!", skandierten die Arbeiter. Das alte Österreich ist nicht mehr. Tschechen, Polen, Südslawen gründeten ihre eigenen Staaten. So muss sich denn auch das deutsche Volk in Österreich seinen eigenen Staat zimmern. Ein neuer Staat wurde geschaffen. Linie neue Staatsverfassung war zu beschließen. Da mussten die Arbeiter ihren Willen verkünden, dass der neue Staat ein wirklicher Volksstaat werde, !n dem es keine Gewalt mehr geben soll als die, die das Volk selbst sich einsetzt. Der Staat Deutsch-Österreich, der im November 1918, ja eigentlich schon mit dem 30. Oktober als Beschluss über die grundlegenden Eigenschaften einer neuen Staatsgewalt begann, nicht, , durch den Willen der Bewohner und durch einen bewusst und freiwilligen Akt ins Leben trat, sondern das Ergebnis des Nationalismus und der Staatsgründung vom alten Österreich wegstrebender Mächte und Völker war, sondern ein Restbestand des habsburgischen Vielvölkerstaates war. Dazu kam noch als besondere historische Merkwürdigkeit, dass dieser Staat sich im selben Akt, durch den er sich am 12. November konstituierte, auch wieder selbst auflöste und als Bestandteil der deutschen Republik erklärte. Es ist zwar damals nicht zu diesem proklamierten Anschluss an Deutschland gekommen, weil dieser am Veto der Siegermächte, die auch das alte Österreich zum Abschuss freigegeben hatten, scheiterte. Aber in dieser gleichzeitig konstituierenden und sich auflösenden Konstruktion war der Zweifel an der Lebensfähigkeit und Überlebenswürdigkeit des neuen Staates bereits festgeschrieben. Es kam zu einer Koalition zwischen der Sozialdemokratie mit der Christlich sozialen Partei als der führenden Kraft des bürgerlichen Lagers, die nicht einmal zwei Jahre dauerte und anfangs unter der Kanzlerschaft des Sozialdemokraten Karl Renner stand. In dieser Koalition wurden mit vereinten Kräften die Grundlagen des heutigen Sozial- und Wohlfahrtsstaates geschaffen: Mit der Einführung der Sozial- und Krankenversicherung für Arbeiter und Angestellte, der Errichtung von Arbeiterkammern und der Einrichtung von Betriebsräten wurde der längst fällige Nachholbedarf des Prinzips Arbeit gegenüber der Industrie und der Landwirtschaft befriedigt. Es hätte eigentlich der Auftakt für eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen den sozialen und politischen Kräften zum Wohle des Gesamtstaates sein können, aber die bürgerlicher Kräfte wollten sich vom "sozialen Schutt" befreien, die Sozialdemokraten lehnten den bürgerlichen Staate ab, auch in seiner republikanischen Form, und das stand entgegen. Die Sozialdemokratie wurde nicht aus der Nachkriegskoalition hinausgedrängt, sondern verließ sie freiwillig und erleichtert, motiviert von Otto Bauer.
Was war vor dem 15. Juli 1927 geschehen? Am 30. Jänner 1927 veranstalteten Frontkämpfer eine Versammlung in dem kleinen burgenländischen Grenzort Schattendorf, dessen Bevölkerung zum überwiegenden Teil Sozialdemokratisch war. Als die Schutzbündler davon erfuhren, machten sie ihre Versammlung am selben Tag. Das Gasthaus Moser wurde zum Stammquartier des Schutzbundes, das 500 Meter entfernte Gasthaus Tscharmann das der Frontkämpfer. Die lokale Frontkämpfertruppe war im Verhältnis 30:70 klar in der Minderheit und holte sich deshalb Unterstützung aus den Nachbargemeinden. Am Bahnhof von Schattendorf kam es schließlich zum Zusammentreffen der beiden Organisationen. Die Schutzbündler konnten die Frontkämpfer, die zur Unterstützung kommen sollten, vertreiben und siegreich nach Schattendorf einziehen. Es kam zu Tätlichkeiten im Gasthof Tscharmann. Mit den Worten "Nieder mit den Frontkämpfern, nieder mit den christlichen Hunden, nieder mit den monarchistischen Mordbuben" drangen die Schutzbündler in das Gasthaus ein. Die Gebrüder Tscharmann und Johann Pinter, drei Frontkämpfer, schossen aus dem vergitterten Schlafzimmerfenster des Hauses auf die Straße, als die Schutzbündler allerdings schon vorbeigezogen waren. Der kroatische Kriegsinvalide Matthias Csmarits und der achtjährige Josef Grössing wurden dabei getötet und weitere fünf Menschen verletzt. Am 2. Juli 1927, dem Tag des Begräbnisses der beiden Getöteten, streikten die Arbeiter fünfzehn Minuten lang.
Der Verlauf des Prozesses wurde in der Öffentlichkeit gespannt verfolgt, denn schon vorher waren Morde an Arbeitern als Kavaliersdelikte behandelt und die Mörder milde oder gar nicht bestraft worden. Die Geschworenen wählten zu ihrem Obmann Josef Seger. Das war jener Geschworene, der gleich am zweiten Tag durch sein Lachen eine Szene provoziert hatte und der auch während des ganzen Verlaufs des Prozesses aus seiner Parteinahe für die Angeklagten und seinem Hass gegen die Sozialdemokraten kein Hehl gemacht hatte. Der Vorsitzende verkündete den Freispruch aller Angeklagten. Sie wurden kurz darauf auf freien Fuß gesetzt. Ströme von Blut sind gestern in Wien geflossen. Niemals hatte es in Wien Ähnliches gegeben. Die Freispruch der Mörder von Schattendorf hatte furchtbarste Erregung hervorgerufen. Darauf folgte der blutige Freitag. Es folgten Demonstrationen in der Wiener Innenstadt, im Zuge derer der Justizpalast in Brand gesteckt wurde. 85 Demonstranten und vier Polizisten wurden getötet. Nach diesen auch Julirevolte genannten Ereignissen war der Glaube an eine gerechte und unparteiliche Justiz in Österreich erschüttert, zudem