Die 50 besten Morde oder Frauen rächen anders. Birgit Ebbert
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In Gedanken sehe ich ihn vor mir, wie er eine Straße überquert. Irgendjemand hat den Gullideckel entfernt. Ich könnte die blonde Tussi aus dem Arbeitsamt bitten, in ihrem Mini auf der anderen Straßenseite zu stehen.
Es wird Zeit, dass ich das Ganze systematisch angehe.
Schön, dass ich meine große Pinnwand habe.
Ich nehme einen Streifen Papier und schreibe mit einem dicken Stift darauf: »Tod des Eisbergs«. Den Zettel hefte ich mit einem passenden Magneten, einer Katze, die eine Maus zerfleischt, über die rechte Hälfte der Pinnwand.
Darunter werde ich meine Mordideen sammeln.
Als ich die Zettel, die dort angebracht sind, auf die andere Seite hefte, fällt mein Blick auf die Karte »Passfoto«.
Ich werde mich zuerst um meine Bewerbungsunterlagen kümmern. Der Eisberg läuft mir nicht weg.
Schade, dass er nicht im Rollstuhl sitzt, dann könnte ich ihn eine Klippe hinunterstürzen. Ich wüsste zwar nicht, wie ich ihn an das dreihundert Kilometer entfernte Meer bekäme, aber da würde mir sicher etwas einfallen.
Ich drücke wieder einmal auf den Startknopf für den Song Du schaffst es.
5 - Ein Unfall zu viel
Für diesen Job hatte Vindicta sich einen Smart geliehen. Sie wollte genau sehen, was passierte und nun saß sie hinter dem Steuer und genoss die Aussicht.
Sie hatte sich direkt vor dem Gebäude postiert, aus dem der Mann kommen würde. Als letzter wie jeden Abend. Als wollte das Schicksal Vindicta damit ein Zeichen geben.
Die schwere Holztür ging auf und da stand er. Zündete sich wie jeden Abend eine Zigarette an, die glühte, noch ehe die Tür wieder ins Schloss fiel.
Eine solche Zigarette hatte vier Menschenleben gekostet. Weil das Feuerzeug im Auto nicht funktionierte und er sich mehr um den Anzünder gekümmert hatte, als um die anderen Fahrzeuge.
Vindicta gab sich mit einem Menschenleben als Ausgleich zufrieden.
Der Mann ging die drei Treppenstufen hinunter und setzte den ersten Fuß auf die Straße. Vindicta startete den Motor und freute sich darüber, dass er so leise lief.
Als der Mann mitten auf der Straße angekommen war, gab Vindicta Gas. Sie sah, wie der Mann näher kam, wie er sie anschaute und dann nicht mehr zu sehen war.
Hastig drehte Vindicta sich um. Der Mann lag reglos auf der Straße. Weit und breit war niemand. Die Straßenlampen waren fast alle ausgeschaltet, weil die Stadt sparen musste. Sie fuhr an den Straßenrand und stieg aus dem Wagen, während der Motor leise weiterlief.
Mit ein paar Schritten hatte sie den Mann erreicht. Schon von weitem konnte sie sehen, dass er sich nicht mehr rührte, nicht den schwächsten Atemzug von sich gab. Rasch lief sie zum Auto, froh über die städtischen Sparmaßnahmen, die für das große Dunkel sorgten. Sie fuhr ein paar Straßen weiter, ehe sie aus ihrer Tasche auf dem Beifahrersitz ein Champagnerglas und eine Flasche Champagner hervorkramte.
Es wird langsam hell. Ich sitze in meinem Arbeitszimmer auf dem Boden. Um mich herum liegen alle Fotos, die es von mir aus den letzten Jahren gibt.
Schickt man heutzutage noch Passfotos mit den Bewerbungsunterlagen. Auf Ganzkörperfotos komme ich viel besser rüber.
Dieses Foto, das Johannes kurz vor unserer Trennung von mir gemacht hat. Aus der Froschperspektive. Mit dem kurzen Rock und den schwarzen Strümpfen wirken meine langen Beine richtig schön.
Nicht, dass sie wirklich lang wären, ich bin nur 1,69 Meter groß. Im Ausweis steht 1,76, irgendwer muss wohl die Meter mit dem Geburtsjahr verwechselt haben.
In Schuhen mit Absätzen, wie ich sie auf dem Foto trage, stimmt nicht einmal diese Größe.
Durch die Froschperspektive ist mein Bauch nicht so deutlich erkennbar, vermutlich, weil ich meinen Busen in einen Push-up-BH gezwängt habe und mir ein weit ausgeschnittenes T-Shirt von Ulrike geliehen hatte, die zwei Kleidergrößen kleiner ist als ich.
Um die Hüfte habe ich einen breiten Gürtel geschlungen.
Keine Ahnung, wem der gehört, vielleicht auch Caroline?
Ich lasse das Foto in der engeren Wahl, die anderen gefallen mir alle nicht.
Auf dem Ackergaul meiner Tante sehe ich aus wie eine Bäuerin, das sichtbare Bein schwabbelt am Pferd herunter. Ich sitze zusammengesunken da, sodass die eigentlich winzigen Speckröllchen den Eindruck vermitteln, ich trüge unter meinem Pulli einen Schwimmreifen.
Aussortiert habe ich schon das Bild, das mich im Strandkorb zeigt. Ich glaube, so etwas ist nicht angesagt.
Wie wäre es mit mir als Brautjungfer, aber neben der strahlenden gut aussehenden Braut wirke ich farblos. Obwohl das Kleid schlappe 500 Euro gekostet hat. Für einmal tragen. Kann ich das eigentlich auch zu Vorstellungsgesprächen anziehen? Es ist zum Glück nicht lang, sondern geht nur bis zum Knie. Die Rüschen an Hals- und Ärmelausschnitt könnte ich abschneiden. Und wenn ich den Rest schwarz färbe, habe ich ein schickes Etuikleid.
Das Telefon läutet. Bisher schwieg es. Kein Wunder, es ist erst acht Uhr. Wer ruft so früh am Morgen an?
»Guten Tag, Tierschutzverein«, höre ich und bereue, dass ich das Gespräch angenommen habe. Was will der Verein von mir? Auf die Antwort muss ich nicht lange warten.
»Es ist so toll, dass es nun eine europäische Verfassung zum Transport von Tieren gibt«, erklärt der Mann mir, während ich mich mit dem Telefon in die Küche schleiche, um einen Kaffee zu kochen.
»Aber nun darf man nicht aufgeben. Sie sind sicher auch dafür, dass es den Tieren besser geht.«
Ich hasse rhetorische Fragen am frühen Morgen. »Wie kommen Sie denn auf die Idee?«, antworte ich abweisend.
Er schweigt kurz. Scheinbar habe ich ihn aus dem Konzept gebracht. Gut so, ich bin auch aus dem Konzept, wenn ich morgens um acht mit Tierschutzfragen belästigt werde.
Anscheinend hat er entschieden, einfach so zu tun, als hätte ich »Ja« gesagt. Er leiert weiter seinen Text herunter. Für das nächste Ziel brauche man viele freiwillige Mitglieder, ob ich nicht auch eins werden wolle.
Vermutlich haben alle Menschen, die er vor mir angerufen hat, auch hier »Ja« gesagt. Mein »Nein« irritiert ihn. Verblüfft fragt er: »Sie wollen nicht, dass es den Tieren besser geht?«
Als ich ihn darauf hinweise, dass dieser Wunsch aber nicht zu einer Mitgliedschaft führt, wirft er den Hörer grußlos auf die Gabel.
Vermutlich hat er keinen Hörer in der Hand, sondern sein rechter Zeigefinger schwebt über der Entertaste, mit der er meine Nummer auf dem Bildschirm löschen kann. Oder er hat einfach mit Hilfe der linken Maustaste die Telefonverbindung beendet.