Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Das Leben

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Schlafzimmer legt seine Hand sich um meinen Oberarm und dreht mich zu sich um. Er greift mit beiden Händen nach meinen Schultern und versucht erneut meinen Blick einzufangen. „Was ist los?“

      Da ich ihn immer noch nicht ansehen kann, legt er seine Hand unter mein Kinn und zwingt mich aufzusehen. Ich sehe in seinen Augen Verzweiflung und weiß nicht, was er sieht. Aber ich spüre ein seltsames Gefühl, das durch meine Adern kriecht und sich immer noch fragt, warum ich Marcel für nichts böse war und Erik mir ein völlig durchgeknalltes Leben präsentieren darf?

      „Carolin, was ist los?“, knurrt er und ich weiß, er schaltet in den „Ich bekämpfe, was mich angreift, mit Wut und Gewalt“ Modus.

      „Ich weiß nicht“, gestehe ich und sehe in seine Augen, suche nach dem Erik, von dem er mir eben erzählt hat. Dem Erik aus der Drogen- und Zuhälterscene. Aber ich sehe nur den, der mich braucht, der seine Narben vor mir nicht verstecken muss, der ohne mich tief fällt … in genau diese erschreckende Scene, aus der ich ihn scheinbar herauszuheben im Stande bin. Und dann weiß ich, was ich bin und was ich für Marcel nie sein musste: Seine Rettung.

      „Bitte, sag jetzt, was los ist!“, knurrt Erik noch eindringlicher und ich sehe mich endlich im Stande zu antworten.

      „Mir ist so viel eingefallen“, flüstere ich. „Ich war immer so wütend auf Marcel … wegen seinen vorherigen Beziehungsversuchen und weil ich nicht die Erste für ihn war, wie er für mich …, weil er mich zu seiner bösen Mutter schleifte …, weil ich mit ihm zu seinen Fußballspielen gehen sollte und weil ich auf einer großen Scheunenparty auf eine Exfreundin traf. Das fand ich alles so schlimm, dass ich ihn immer wieder quälte und verlassen wollte. Und bei dir? Ich war mir einen Moment nicht mehr sicher, ob ich überhaupt noch ich bin.“

      Erik sieht mich aufgebracht an. „Was? Du hast an Marcel denken müssen?“

      Ich brauche Sekunden, um zu begreifen, dass Erik da etwas gerade völlig falsch versteht. „Ich habe an ihn denken müssen, weil ich bei ihm jede Kleinigkeit für schlimm hielt und ich bei dir viel Schlimmeres vorgesetzt bekomme.“

      Weiter komme ich nicht. Eriks Augen weiten sich und sein Gesichtsausdruck wird hart. „Was soll das heißen?“, knurrt er bissig.

      „Nichts! Nur dass ich mich einen Moment fragte, wo die alte Carolin hin ist. Ich hatte mich einen Moment verloren. Aber ich denke, ich weiß es jetzt.“

      „Was weißt du jetzt?“

      „Dass ich mich nur unglaublich verändert habe. Du hast mich verändert!“

      Ich muss lächeln, weil mir ein Gedanke kommt, den ich besser nicht ausspreche. Aber Erik sieht verunsichert auf meinen lächelnden Mund und raunt: „Zumindest findest du das amüsant, was mich etwas beruhigt.“

      „Das würde es nicht, wenn ich dir sage, welcher Gedanke sich gerade in meinen Kopf geschlichen hat“, raune ich, weil ich einen Augenblick das Gefühl habe, er kommt, wie immer bei mir, viel zu leicht davon. Ein wenig Unsicherheit tut ihm ganz gut.

      „Dann sag mir, was für ein Gedanke das war“, knurrt er und sein Blick versetzt mir einen Stich ins Herz. Ich hatte nicht bedacht, dass Erik Erik ist und er jetzt denkt, dass ich immer noch an Marcel denke. Und dieser Gedanke zeigt sich auf seinem Gesicht, seinen zusammengekniffenen Augen und seinen zusammengepressten Lippen … und an seinen Händen, die meine Oberarme noch einen Tick fester umschließen, dass es schon an der Schmerzgrenze ist.

      Ich schüttele den Kopf, fast schon in einem selbstzerstörerischen Akt, aber eigentlich, weil ich ihn noch ein wenig schmoren lassen will.

      „Carolin!“, kommt es bedrohlich über seine Lippen. „ICH WILL ES WISSEN!“

      Ich sehe ihm an, dass seine Schmerzgrenze erreicht ist. Wenn es um Marcel oder Tim geht, ist die nicht höher als ein Rabattenzäunchen um ein paar Rosenbüsche.

      „Okay, okay!“, raune ich. „Aber bitte lass mich los. Du tust mir weh!“

      Offenbar traut Erik meinem Einlenken nicht. Ohne mich loszulassen, schiebt er mich rückwärts zum Bett und lässt mich auf die Matratze plumpsen, was mein Handtuch verrutschen lässt. Scheinbar meint er, dass ich, für den Fall, dass ich doch nicht reden will, schon mal eine gute Ausgangslage für seinen nächsten Übergriff biete. Er setzt sich auf meinen Bauch und schiebt mit wütendem, aufgebrachtem Blick meine Arme über meinen Kopf.

      Eine Sekunde wird mir doch etwas mulmig. Mir wird mal wieder bewusst, wie groß und stark er ist …

      „Ich warte!“, zischt er durch seine zusammengepressten Zähne. Seine Augen funkeln ungeduldig und mir kommt kurz in den Sinn, dass ich froh sein kann, dass der Gedanke nichts mit Marcel zu tun hat. Ich beschließe, ihn nicht länger auf die Folter zu spannen. „Ich musste daran denken, dass du eigentlich schon so etwas wie mein Zuhälter bist.“

      Erik atmet tief ein und sieht mich verwirrt an.

      Ich erkläre: „Erst hast du mich nach dir süchtig gemacht und jetzt ertrage ich ohne zu murren alles, was ich bei anderen nie zugelassen hätte.“

      Meine Worte machen ihn völlig sprachlos. Er hatte damit gerechnet, dass ich an glücklichere Zeiten mit Marcel dachte oder ähnlichem, und ich komme ihm mit so etwas. Er lässt mich los und rollt sich von mir runter.

      Ich setze mich auf und sehe ihn an. Dass meine Worte ihn so irritieren ist gut. Sehr gut. Etwas zum Nachdenken.

      „Und jetzt ziehe ich mich an und schau mal, was wir essen wollen.“

      Ich gehe zum Kleiderschrank, suche mir ein T-Shirt und eine Jogginghose heraus und streife alles über. Dabei sehe ich immer wieder zu Erik, der mich nachdenklich beobachtet. Scheinbar ist er immer noch sprachlos.

      Als ich an ihm vorbei aus dem Zimmer schlüpfen will, schnellt seine Hand vor und er zieht mich vor seine Füße. Er schlingt beide Arme um meine Taille und vergräbt sein Gesicht an meinem Bauch.

      Diese Geste rührt mich. Ich streiche durch seine Haare und lasse ihm einfach die Zeit, die er braucht, um mit sich wieder ins Reine zu kommen und zu kapieren, dass es immer noch nur ihn für mich gibt und ich immer noch unerschütterlich an seiner Seite stehe. Trotz allem.

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