Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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Читать онлайн книгу Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen страница 16
Wir müssen über die Straße laufen, um den Bus noch zu erreichen, der gerade auf die Bushaltestelle zurollt.
Ellens Worte können mich nicht beunruhigen, weil ich mit Erik immer zusammenbleiben werde. Wenn er mich lässt …
Nachmittags gehe ich zu Alessia und sie mustert mich sorgenvoll. „Geht es dir denn wirklich gut? Du siehst immer noch nicht besser aus als am Freitag“, sagt sie besorgt.
Ich winke ab und versichere ihr: „Nein, es ist wirklich alles in bester Ordnung. Ich fühle mich wirklich gut.“
„Wenn du meinst! Ich wollte gerne einkaufen und mit den Jungs ins Kino gehen. Meine Tochter muss heute arbeiten“, sagt sie und schenkt mir ein Lächeln.
„Ich schaffe das schon! Kein Problem“, beteuere ich und sie geht.
Aber ich spüre den ganzen Nachmittag, dass ich doch noch etwas an Elan und Kraft eingebüßt habe, obwohl ich mir ständig einrede, dass alles, was mich bisher bedrückt und verängstigt hat, weg ist. Julians Verhandlung ist vorbei. Er hat sein altes Leben wieder und das ist weit weg von mir und Tim, der mich abgeschrieben zu haben scheint. Von ihm hörte ich bisher nichts mehr. Erik und Marcel lieben sich zwar nicht gerade, sind aber auch keine Feinde mehr. Und Erik beginnt langsam einzusehen, dass nicht alles nur mit Drogen zu überstehen ist. Er ist stark und klug und nicht mehr allein. Er kann es auch ohne schaffen. Und ich kann mich endlich meinem Leben widmen und mich um mich selbst kümmern. Meine Schule geht vor und mein Job. Und über allem steht Erik … ganz oben auf meiner Prioritätenliste.
Als ich die letzten Gäste mit Cappuccino und Eiskaffee versorge, bekomme ich eine SMS von ihm, dass ich im Cafe auf ihn warten soll. Ich darf auf keinen Fall ohne ihn gehen.
Mir war schon klar, dass ich abgeholt werde, weil auch Ellen schon mittags völlig entsetzt darüber war, dass ich allein zum Cafe gehen wollte. Schon da dämmerte mir, dass ich keinen Schritt mehr allein vor die Tür machen werde, bevor nicht ganz klar ist, dass mir keinerlei Gefahr droht.
Erik ist noch nicht da, als ich die kleinen Blumenvasen auf den Tischen gieße. Das soll mein letzter Einsatz hier sein, bevor ich gehe.
Unschlüssige sehe ich auf die Uhr und beschließe, ihm noch ein paar Minuten zu geben, bevor ich ihn anrufe.
In dem Moment geht die Tür auf und ich sehe ihn ins Cafe treten. Sofort nehme ich meine Jacke und Schultasche und gehe zu ihm.
„Alles in Ordnung?“, fragt er und sieht sich um.
„Natürlich! Ich kann auch allein nach Hause gehen. Wirklich!“, sage ich und gebe ihm einen Kuss.
„Nein! Versprich mir, dass du immer mit einem von uns gehst. Bitte!“, brummt er, mich in seinen Arm ziehend. „Ich weiß, dass du das nicht für notwendig hältst. Aber ich muss wissen, dass dir nichts passieren kann. Versprich mir das!“ Seine eindringlichen Worte zeigen mir erneut, wie sehr er sich sorgt, wenn er nicht in meiner Nähe ist und mir fallen Ellens Ausführungen über den neuen Erik ein.
„Okay. Ich verspreche es dir“, kann ich daraufhin nur ergeben antworten.
Wir schließen ab und gehen. Die Sonne erstrahlt an diesem schönen Abend mit ihrer letzten Kraft. Ich habe Hunger und möchte etwas zum Essen mitnehmen, aber Erik teilt mir mit, dass Ellen uns zu Daniel eingeladen hat und wir da etwas essen werden.
„Kocht Ellen selber?“, frage ich und muss lachen.
„Sicher, dafür geht sie schließlich in eure Schule. Da wird sie das doch wohl lernen! Oder was macht ihr da den ganzen Tag?“
„Stimmt! Aber sie ist überall super … nur nicht in Kochen.“
„Wir werden es überleben.“ Erik lächelt und sein Gesichtsausdruck sagt mir, dass er alles ertragen wird, was Ellen ihm auftischt.
Als wir um die Hausecke biegen, steht neben dem Mustang und dem BMW ein Pickup. Sofort bleibt Erik stehen und zieht mich zurück.
Ich sehe ihn verwirrt an und sein Gesichtsausdruck ist erschreckend ernst.
„Scheiße, was wollen die denn?“, raunt er.
In dem Moment geht die Tür der Pickups auf und der Kerl springt heraus, dem ich schon mal im Treppenhaus begegnet war.
„Erik! Wir dachten, wir sehen mal nach dir. Irgendwie scheinst du dich in letzter Zeit rar zu machen. Was ist los?“ Er kommt auf uns zu und Erik schiebt mich hinter sich.
„Ah, ich sehe den Grund. Jaja! Ich habe schon gehört. Erik in Love! Oh Mann! Und auch, dass du sittsam werden willst. Schade! Wirklich schade! Wir hatten doch noch so einiges mit dir vor.“ Der Typ erreicht uns und baut sich vor Erik auf. Er ist noch ein kleines Stück größer als Erik. Ich sehe die tätowierten Arme und rieche den Schweißgeruch, den der Typ verströmt. Im Gesicht hat er überall Piercings, vor allem seine Lippe ist voll davon. Seine schwarzen Haare sind teilweise kurz geschoren und seine hellblauen Augen richten sich auf mich.
Ich versuche mich noch kleiner zu machen und ganz hinter Erik zu verschwinden.
„Ich bin raus aus der Sache. Seit Hamburg ist es besser, ich halte eine Zeitlang die Füße still. Und Daniel auch! Wir haben dort echt Lehrgeld bezogen“, murrt Erik in seinem mürrischen Gangstertonfall.
„Ach Quatsch! Du hättest dich nie von so etwas einschüchtern lassen, wenn dich nicht plötzlich etwas weichgemacht hätte.“ Das falsche Grinsen, das der Typ aufsetzt, ist widerlich und von einer Arroganz, die durch seine Aufmachung unwirklich erscheint. Ich halte ihn für einen schmierigen, übelriechenden, tätowierten Punkverschnitt, der nicht nur hirnlos, sondern auch noch aufgepumpt und hässlich ist.
„Das Püppchen sollte dir Geld einbringen und nicht dein Leben bestimmen! Du hast das Zeug dazu, dir einen ganzen Stall der Besten aufzubauen. Und stattdessen steigst du aus“, murrt der Typ missbilligend.
Seine Worte machen mich wütend. Es soll Erik mit seinem Scheiß in Ruhe lassen.
Der brummt: „Vergiss es! Ich bin raus! Auch wenn es dir nicht passt.“
„Das meinst du jetzt nur, weil du noch meinst verliebt zu sein. Das vergeht und ich und Sam können dir da ganz schnell drüber weg helfen. Kein Weib ist es wert, sich seine Karriere zu zerstören. Und die Kleine sowieso nicht! Oder ist an der etwas besonders?“
Eine Hand greift um Erik herum und packt mich am Oberarm. Er zieht mich aus Eriks Deckung und sieht mich von oben bis unten an. „Die kleine Hexe hätte ich damals schon gefügig machen sollen, dann wäre das alles nicht passiert“, raunt er und Erik schlägt seinen Arm weg. „Pack sie nicht an!“, faucht er und ich spüre die Angst, die sich langsam in meine Adern schleicht, als auch der andere Typ aus dem Pickup steigt, genauso fies grinsend und genauso widerlich stinkend und mit einem schwarzen Muskelshirt, einer Jeanshose und Springerstiefeln bekleidet, wie der andere Typ auch. Sein tätowierter, durchtrainierter Oberkörper wirkt erschreckend bedrohlich. Seine Haare sind auch kurz geschoren, bis auf einen geflochtenen Zopf im Nacken, der sich über die Schulter die Brust hinunter schlängelt. Er muss bestimmt dreißig Zentimeter lang sein.
„Hey, was ist los, Teddy?“, hören wir hinter den beiden jemanden rufen und ich atme erleichtert auf.