Auf zum Nullarbor. Hermine Stampa-Rabe
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Mein Thermometer zeigt 26°C. Im hohen Baum neben mir flöten mehrere schwarz-weiße australische Elstern. Vor dem Eingang meines Zeltes wächst ein hoher und dichter Busch. Wenn ich Angst gehabt hätte, hätte ich nicht schlafen können, weil darin sicher Spinnen, vielleicht auch giftige, ihre Netze gewebt haben. Aber die waren an mir nicht interessiert. Und eine Schlange hatte auch keine Sehnsucht, zu mir ins Zelt zu schleichen.
Müde starte ich um 7.30 Uhr. Mir stehen zwei verschiedene Highways nach Bunbury zur Verfügung. Der Mann aus dem Fahrradgeschäft in Perth riet mir, den Küstenhighway zu nehmen. Das tue ich, kann auch einige Fotos schießen.
Nach einer langen Strecke wird der ganze Verkehr auf den neuen Highway, der parallel zu dem Alten Küstenhighway geht, geleitet. Mit einem Wasser-Müsli im Bauch und kaum geschlafen, rolle ich so langsam bei Gegenwind vor mich hin. Er kühlt mich ab. Mein Thermometer zeigt 27°C. Als ich mich in einem Roadhouse erhole, erzählt mir eine Frau, dass hier vor einer Woche noch 45°C herrschten. Die werden wir bald wieder haben. Eine Hitzewelle folgt immer einer Abkühlung. Na, da steht mir ja noch so Einiges bevor.
Während meiner nächsten Ruhepause geht mir die heutige, harte Fahrradtour nicht aus dem Kopf. Ab morgen führt meine Strecke durch ein Mittelgebirge. Mit meiner jetzigen Leistung bin ich dazu nicht in der Lage. Das muss ich mir klar vor Augen halten. Aber wie soll ich bis Albany durch das mir bevorstehende Mittelgebirge kommen? Vor einigen Jahren las ich den Reisebericht eines englischen Journalisten, der von Sydney aus um Australien radeln wollte. Als er hier von Bunbury bis Albany durch dieses sehr hochwellige Mittelgebirge fuhr, stürzte er so schwer, dass er mehrere Monate im Krankenhaus liegen musste. Und wenn dieser Mann es nicht schaffte, dann kann ich es als kleine Frau erst recht nicht schaffen.
Da fällt mir die Frau aus der Perth-Tourist-Information ein, deren Visitenkarte in meiner Brieftasche steckt. So halte ich einfach auf einer Kreuzung, hole mein Handy hervor – es ist schon nach 17.00 Uhr – und rufe sie an. Von ihr erhalte ich die Nachricht, dass eine Bahn von Bunbury durch diese Berglandschaft bis nach Albany fährt. Diese Verbindung werde ich mir abends noch buchen. Ich bin ganz erleichtert und freue mich auf die Bahnfahrt. Bei den Autos, die die Highways bevölkern, geht mir immer wieder die gruselige Frage durch den Kopf: Wird in einem dieser Autos der Kopfabschneider sitzen?
Da ich aber erst um 18.20 Uhr den Bahnhof Bunbury erreiche, ist es dort schon dicht. Als ich beim Caravan-Park anhalte, ist dort auch schon geschlossen. Zum Glück steht auf dem Hof noch eine Frau in gelber Schutzkleidung, die mir hilft. Sie findet an der Eingangstür einen Telefonhörer samt Telefonnummer und reicht mir den Hörer. Die Dame am anderen Ende will gleich kommen. Tut sie auch. Und weil ich nur ein kleines Ein-Personen-Zelt besitze, erhalte ich für $20 einen Rasenplatz. Das hätte ich gern auch in Mandurah bezahlt, aber leider musste ich für den primitiven Caravan-Platz $35 blechen. Diese Halsabschneiderin!
Hier stehen allerhand und viel größere Zelte. Keiner erwidert meinen Gruß. Es stürmt. Es ist gar nicht so einfach, das Zelt aufzustellen. Nachdem mein Gepäck auch darin liegt, schliesse ich noch mein Fahrrad am Geländer vor meinem Zelt an, schnappe mir meine Utensilien und wandere bei plötzlich eingefallener Dunkelheit zur Küche, weil dort Steckdosen für elektrische Geräte sein sollen.
In der Küche sitzen zwei junge Männer mit ihren Computern am Tisch. Ich erkundige mich nach noch einem Anschluss. Sie zeigen zur gegenüberliegenden Wand. Tatsächlich, unten über der Scheuerleiste wartet eine freie Steckdose auf mich. Ich setze mich daneben auf den Fußboden und schreibe.
Wieder zurück in meinem Zelt mache ich es mir bei der Dunkelheit gemütlich. Aber es frieren mir in meinem kleinen Daunenschlafsack die nackten Füße. Ich habe mein Zelt gegen den Wind aufgestellt, so dass er von hinten durch das Fliegennetz hereinpfeift. So kann ich nicht schlafen. Da erinnere ich mich an die Kühltasche, die sich in meinem Gepäck befindet. Diese hole ich mir hervor, stülpe sie über das Fußende meines Schlafsacks und schlafe glücklich und zufrieden ein.
Mit dem Bus durch das Mittelgebirge
12.01.2013: Bunbury – Albany (Bus): 7 km
Draußen sind es angenehme 26°C. Schlief ausgezeichnet. Um 8.30 Uhr soll ich bei der Chefin des Caravan Parks sein; denn sie will meine Eisenbahnfahrt per Telefon anmelden. Bis dahin lade ich meinen Akku auf und schreibe auf meinem Notebook. Auch möchte ich noch bei der Post Garderobe vorschicken.
Pünktlich stehe ich bei der Chefin auf der Matte. Nach mehreren Versuchen schafft sie es. Aber heute am Sonntag fährt keine Eisenbahn, stattdessen ein Langstreckenbus. Das ist mir total egal, Hauptsache, er nimmt mein Rad mit.
Mit meinem bepackten Rad verlasse ich meine Schlafstätte. Nach ungefähr 200 m liegt ein kleiner toter Alligator neben dem Fahrradweg. Na, eigentlich nehme ich in meinem Fotoapparat keine Leichen mit nach Hause. Aber einen Alligator, der hier in Großformat ein Schreckensgespenst darstellt, möchte ich mitnehmen. Er ist ungefähr 35 cm lang und von der Hitze der letzten Tage ausgetrocknet. Ach ja, ein totes Känguru liegt auch an der Straße. Das ist ja vielleicht ein Riesentier! Da es auf dem Rücken liegt, sehe ich, dass es ein Männchen ist. Also kann dort kein Baby im Bauch mehr leben. Aber ein Zusammenstoß mit so einem großen Känguru kann tödliche Folgen haben! Wenn es hier auch Bären geben würde, wäre es bald aufgefressen worden. Aber welches Tier soll dieses Ungetüm durch Auffressen vernichten?
Die Sonne scheint mit 27°C, als ich den Bahnhof finde und mir mein Ticket für den dort schon stehenden Langstreckenbus kaufe. Und weil ich der erste Passagier bin, darf ich mir einen Platz aussuchen. Der liebenswürdige Busfahrer – hier Kapitän genannt – fragt mich nach meinem Heimatland. Als er hört, dass ich aus Deutschland bin, strahlt er über das ganze Gesicht und erzählt mir, dass er schon auf dem Fahrradweg des ganzen Mittellandkanals und weiter bis nach Holland an den Ärmelkanal mit seinem Fahrrad gefahren ist. Er ist davon noch ganz begeistert! Deutschland ist sehr schön, erzählt er mir aus tiefster Seele.
Und dann fährt der volle Bus los. Zuerst wundere ich mich über die platte Landschaft. Beidseitig liegen viele Weinplantagen. Hier reifen die Trauben im heißen Sonnenschein. Aber dann wird es bergig. Die Landschaft nötigt mir großen Respekt ab. Was für ein Glück, dass ich nicht per Rad auf der Straße unterwegs bin. Der Highway führt zweispurig ohne Seitenstreifen durch ockerfarbenen Sand, eingerahmt von riesigen Eukalyptusbäumen. Ein wunderschöner Anblick! Die Sonne dringt mit ihren Strahlen durch die Blätterkronen und verschönt alles. Fasziniert hypnotisiere ich die Landschaft. Wie gern wäre ich hier mit meinem Rennrad entlanggesaust! So tue ich es in Gedanken. Wer einen schweren Marathon vor sich hat wie Paris – Brest – Paris, würde hier die beste und angenehmste Trainingsstrecke vorfinden. Denn hier herrscht nur sehr wenig Autoverkehr. Und die Wärme ist garantiert.
Der Bus hält in den Orten, in denen ich auf Caravan Parks schlafen wollte. Ziemlich weit in der Nähe der Südküste schon vorbeifahrend, mache ich linkerhand eine Gruppe Kängurus mit Babys aus. Etwas weiter steht sehr viel Damwild auf einer großen Wiese. Da es so viele Tiere sind, kann es sich nur um eine Farm handeln. Und noch etwas weiter äsen schwarze Alpakkas auf der Weide.
Vielleicht eine Stunde später liegt ein totes Känguru neben der Straße. In Denmark ist es ungewöhnlich kalt. Die Wärme oder Hitze ist mir sympathischer. Nun rollt unser Bus die letzten 53 km nach Albany. Dieser Ort liegt ziemlich tief unten an der Küste einer Bucht. Eine Bergkette ist ihr vorgelagert, die die Brandung vom Südpol aus abpuffert. Das mit Schaumkronen bedeckte Wasser sieht unangenehm grau aus. Der Himmel ist bewölkt. Es macht den Anschein, als wollte es zu allem Unglück auch noch regnen.
Ich stehe als Letzte mutterseelenallein vor dem Bus-Terminal. Und